parts2clean Medizinprodukte richtig reinigen
Während und nach der Herstellung medizintechnischer Produkte leistet die Teilereinigung einen wichtigen Beitrag, damit von diesen keine Gefahr für Patienten ausgeht. Mit der neuen MDR, die nach einer dreijährigen Übergangsfrist am 25. Mai 2020 verpflichtend wird, steigen die Anforderungen an die Reinigung und Dokumentation.
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- Strengere Vorschriften in der MDR
- Reinigen entlang der Fertigungskette
- Nachweis der Sauberkeit insbesondere bei höher klassifizierten Medizinprodukten
- Leitfaden zur standardisierten Reinigung von chirurgischen Instrumenten
Über 500.000 Medizinprodukte sollen sich laut Bundesverband Medizintechnologie (BV-Med) derzeit auf dem europäischen Markt befinden. Das Spektrum reicht von Kontaktlinsen und Pflastern über Spritzen und chirurgische Instrumente bis hin zu Implantaten und Herzschrittmachern. Je nach Art und Verwendungszweck sind die Erzeugnisse bisher in vier Risikoklassen eingestuft. Für einen sicheren Einsatz müssen die Hersteller seit vielen Jahren entsprechend einem risikobasierten Ansatz nachweisen, dass bei ordnungsgemäßer Nutzung ihres Produkts keine Gefahr für den Patienten ausgeht. Dies beinhaltet auch die Sauberkeit.
Gefahr durch Herstellungsrückstände
Die Herstellung der Produkte erfolgt in unterschiedlichen Fertigungsverfahren wie Extrusion, Spritzguss Ur- und Umformen sowie Zerspanung und immer häufiger auch im industriellen 3D-Druck. Bei jedem dieser Verfahren verbleiben auf den Oberflächen partikuläre und/oder filmisch-chemische Rückstände aus der Herstellung, beispielsweise Bearbeitungsmedien, Trennmittel, Partikel, Späne, Grate, Abrieb, Stäube, Fingerabdrücke oder Restpulver. Diese Kontaminationen stellen je nach Risikoklasse, in die ein Medizinprodukt eingestuft ist, ein unterschiedlich großes Schädigungspotenziale für Patienten dar.
Neue Richtlinie zur Ermittlung von Sauberkeitsgrenzwerten
Im Gegensatz zu biologischen Kontaminationen existierten für diese Art der Verunreinigungen keine klaren Vorgaben zu Akzeptanzkriterien oder Grenzwerten. Diese Lücke schließt die neue VDI-Norm 2083 Blatt 1. Aufgrund der Vielzahl der Erzeugnisse gibt die Richtline keine produktspezifischen Grenzwerte vor, sondern ist eine Arbeitsanweisung, wie Unternehmen im Rahmen des risikobasierten Ansatzes ermitteln können, ob und in welcher Höhe Sauberkeitsgrenzwerte erforderlich sind und wie die Werte kontrolliert werden können. Bei Sterilprodukten sind erstmals auch Partikel in die Betrachtung mit eingeflossen.
Strengere Vorschriften in der MDR
Teilchenförmige Verunreinigen werden auch im Anhang 2 der neuen MDR (Medical Device Regulation – Medizinprodukteverordnung) genannt. Er beschäftigt sich mit den Anforderungen an die Auslegung und Herstellung von Medizinprodukten. Darin heißt es unter anderem: Die Produkte werden so ausgelegt und hergestellt, dass die Risiken durch Stoffe oder Partikel, die aus dem Produkt freigesetzt werden können, einschließlich Abrieb, Abbauprodukten und Verarbeitungsrückständen, so weit wie möglich verringert werden. Weitere, für die Bauteilreinigung relevante Änderungen ergeben sich dadurch, dass mehr Produkte unter die Verordnung fallen und Produkte in höhere Klassen eingestuft werden können. Neu eingeführt wurde die Risikoklasse Ir für aufbereitbare chirurgische Instrumente. Für diese Produkte ist eine Reinigungs- und eine Aufbereitungsvalidierung erforderlich und es muss nachgewiesen werden, dass die Biokompatibilität durch die Aufbereitung nicht beeinträchtigt wird. Beides wird ebenfalls durch ein Prüflabor validiert. Darüber hinaus werden strengere Anforderungen an die Überwachung und Kontrolle der Produktionsprozesse gestellt. Die Produkte sind außerdem mit einem UDI (Unique Device Identification)-Code zu versehen. Ein weiterer Punkt ist, dass so genannte „Private Label Manufacturer (PLM), also Unternehmen, die Medizinprodukte aus fremder Fertigung unter eigenem Namen in Verkehr bringen, dem Legalhersteller rechtlich gleichgestellt sind. Sie haben damit auch hinsichtlich der Prozessvalidierung und Dokumentation die gleichen Verpflichtungen aus der MDR zu erfüllen.
Reinigen – ein Prozess entlang der Fertigungskette
Bei praktisch allen klassischen Herstellungsverfahren kommen Betriebs- und Hilfsstoffe, beispielsweise Kühlschmiermittel, Zieh- und Umformöle sowie Trennmittel, zum Einsatz. Für ein sicheres Endprodukt empfiehlt es sich, diese Stoffe risikobasiert unter die Lupe zu nehmen, um festzustellen, ob und welche davon kritisch sind. Dabei geht es einerseits um deren generelle Abreinigbarkeit, andererseits um die Vermischung unterschiedlicher Betriebs- und Hilfsstoffe, die zu Problemen bei der Reinigung führen kann. Idealerweise wird versucht, kritische Stoffe durch eine Prozessoptimierung aus der Fertigung zu eliminieren sowie die Zahl und Menge der eingesetzten Betriebs- und Hilfsstoffe auf ein Minimum zu begrenzen. Diese Verunreinigungen werden meist in nasschemischen Zwischenreinigungsschritten mit auf die Verschmutzung und den Werkstoff abgestimmten Medien – Lösemittel oder wässrigen Reinigern – entfernt. Die Lösekraft des Reinigungsmediums wird üblicherweise durch unterschiedlich stark wirkende Waschmechanik wie Spritzen, Druckumfluten oder Ultraschall unterstützt. Nasschemische Endreinigungsprozesse erfolgen ausschließlich mit wässrigen Medien.
Ein weiterer Aspekt ist das Einarbeiten von Organik bei Zerspanungs-, Umform- und Oberflächenveredelungsprozessen in Innenradien oder der Eintrag von fremder Anorganik beispielsweise durch Strahlprozesse. Da die Waschmechanik bei eingearbeiteten Kontaminationen nur unterstützend wirken kann, erfolgt die Entfernung häufig durch einen gezielten nasschemischen Oberflächenangriff. Diesen ermöglichen wasserbasierte Prozesse mit entsprechend ausgelegten Reinigungsmedien.
Eine Herausforderung für die Reinigung stellen auch Kapillar-, Lumen- beziehungsweise Porenstrukturen von geometrisch komplexen Bauteilen wie Sintermetall- oder additiv gefertigten Komponenten dar. Denn Reinigungsmedium und Waschmechanik gelangen teilweise nur schwer in bestimmte Bereiche, so dass ein Medienaustausch nur bedingt stattfindet. Abhilfe können in solchen Fällen Verfahrenskombinationen wie mehrfrequenter Ultraschall und Vakuum, Methoden wie die zyklische Nukleation (CNp) oder auch entsprechende ausgelegte Trockenreinigungstechnologien wie CO2-Schneestrahlen schaffen.
Wesentliche Faktoren, um die erforderliche partikuläre und filmisch-chemische Sauberkeit in der Endreinigung zu erzielen, sind eine optimale Materialwahl, saubere Prozesse bei der Vorbearbeitung inklusive hoher Entgratqualität, definierte Handling- und Umgebungsbedingungen entsprechend der erforderlichen Reinheitsklasse.
Automatisierte Überwachung und Prozesse
Ein erhöhter Automatisierungsgrad kann ebenfalls dazu beitragen, die Reinigung zu optimieren. Dies kann beispielsweise eine automatisierte Überwachung der Reinigungsbäder mit automatischer Medien-Nachdosierung sowie der Spülbäder sein, deren Ergebnisse in die Prozesssteuerung eingespeist werden. Bei der CO2-Schneestrahlreinigung ermöglicht ein neues Sensorsystem die kontinuierliche Überwachung der Strahlqualität.
Nachweis der Sauberkeit
Insbesondere bei Medizinprodukten, die in höhere Klassen eingestuft sind, erfordert die Validierung des Reinigungssystems und -prozesses den Nachweis der Sauberkeit. Dabei steht sowohl die partikuläre als auch die mikrobiologische und chemische Reinheit auf dem Prüfstand. Dies erfolgt in zertifizierten Prüflaboren mit unterschiedlichen Analyseverfahren. So ermöglicht beispielsweise der In-vitro-Zytotoxizitätstest, der aus der Biokompatibilitätsprüfung kommt, eine schnelle Überprüfung auf chemische Verunreinigungen.
Ob Reinigungssystem, Medium, Prozessentwicklung, Prozessüberwachung und -automatisierung oder Sauberkeitskontrolle, bei der Auswahl entsprechender Partner empfiehlt es sich, auf Unternehmen zurückzugreifen, die bereits über Erfahrung in der Medizintechnik verfügen.
Leitfaden für die Reinigung
Den Weg zu einem geeigneten Reinigungsprozess beschreibt der vom Kompetenznetzwerk Clean Med erarbeitete „KMU-Leitfaden zur standardisierten Reinigung von chirurgischen Instrumenten“. Er zeigt eine Vorgehensweise zur Planung, Auslegung sowie Durchführung von Herstellungs- und Reinigungsprozessen auf und kann zur Herstellung der eigenen Reinigungsvalidierung genutzt werden. Um den geplanten Prozess vorab zu testen, wird er ausgeliefert mit drei Exemplaren eines Prüfkörpers, der alle Worstcase-Geometrien chirurgischer Instrumente in sich vereint. Zu beziehen ist der Leitfaden gegen eine Gebühr über Medical Mountains.
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* Die Autorin Doris Schulz hat sich auf individuelle PR-Lösungen für technische Produkte und Dienstleistungen spezialisiert.
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