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Hitec / Activoris Klinische Prüfung für Medizinprodukte als Wettbewerbsfaktor?

Autor / Redakteur: / Kathrin Schäfer

Medizintechnische Innovationen und neue Verfahren gelten als Fortschrittsmotor in der Patientenversorgung. Aber immer stärker achten Kostenträger auch auf die Wirtschaftlichkeit und den belegbaren Nutzen von neuen Produkten und Verfahren. Wie stellen sich die deutschen Medtech-Firmen, insbesondere Start-ups, darauf ein?

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Die Nichtberücksichtigung der klinischen Phase in der Entwicklung eines innovativen Medizinproduktes kann für Start-ups gefährlich werden. Denn der strategische 
Mehrwert der in der Klinik erhobenen Daten ist unerlässlich für Erstattungs- und auch Marketingzwecke.
Die Nichtberücksichtigung der klinischen Phase in der Entwicklung eines innovativen Medizinproduktes kann für Start-ups gefährlich werden. Denn der strategische 
Mehrwert der in der Klinik erhobenen Daten ist unerlässlich für Erstattungs- und auch Marketingzwecke.
(Bild: Alexander Raths - Fotolia)

Im Frühjahr 2015 wurde die Hitec Consult Marktforschung durch die Activoris Medizintechnik GmbH beauftragt, die Haltung deutscher Medizintechnik-Firmen zum Thema klinische Prüfungen zu untersuchen. Von den 435 kontaktierten Firmen standen 28 Start-ups und 14 kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) in Telefoninterviews Rede und Antwort.

Die regulatorischen Anforderungen an die klinische Bewertung ihrer Medtech-Innovationen werden steigen, das spüren alle. Die Medizintechnik-Unternehmen rechnen also mit mehr Studien. Trotzdem geht über die Hälfte der befragten Start-ups davon aus, keine eigene klinische Prüfung durchführen zu müssen. Doch woran liegt das? Vor oder in der Gründungsphase gibt es meist noch keine klaren Zuständigkeiten für das Thema „klinische Entwicklung“. Martin Conrad, Leiter Marktforschung bei Hitec Consult: „Während die Start-ups die Anforderungen wohl unterschätzen, werden bei KMUs teilweise ganze Projekte verworfen, da sie sich durch den ‚Studienzwang‘ nicht mehr rechnen.“

Start-ups: Finanzierung steht im Mittelpunkt, nicht die Durchführung von Studien

Fragt man bei Start-ups nach der Strategie und der Zielrichtung durchzuführender Studien, fallen die Aussagen dürftig aus und es offenbart sich die strategische Lücke: 61 Prozent der interviewten Start-ups konnten ihren Bedarf an klinischen Studien nicht erläutern. Nur 39 Prozent hatten eine qualifizierte Vorstellung über das notwendige klinische Programm für ihre Innovation. „Naturgemäß stehen bei den jungen Unternehmern die Finanzierungsfrage und die Überwindung technischer Hürden im Mittelpunkt“, so Conrad.

Klinische Studien beeinflussen Nutzenbewertung und Erstattung

Allerdings steht für die meisten der „Wissenden“ das Thema „klinische Prüfung“ allein im Zusammenhang mit der sogenannten Konformitätsbewertung, die im CE-Label mündet. Nur eine Minderheit (25 Prozent) erkennt den strategischen Mehrwert der in der Klinik erhobenen Daten für Erstattungs- und auch Marketingzwecke.

Axel Fischer, Geschäftsführer der Activoris, fügt hinzu: „Die Nichtberücksichtigung der klinischen Phase in der Entwicklung eines innovativen Medizinproduktes kann für den Businessplan eines Start-ups gefährlich werden. Einige Firmen antworteten, dass sie die Konformitätserklärung in Abstimmung mit der Benannten Stelle auf Literaturbasis noch hinbekommen würden. Natürlich ist man dann einen Schritt weiter. Allerdings hat man durch die CE-Kennzeichnung allein noch keinen Umsatz erwirtschaftet.“

Etablierte mittelständige Firmen sind da weiter. Mit der Erfahrung aus einigen Zulassungen und Markteinführungen schätzen sie ihren Bedarf an Studien für Marketing- und Erstattungszwecke deutlich höher ein als den für reine Zulassungen. 67 Prozent der KMUs organisieren das Studienmanagement dann auch intern.

Das dürfte auch für die Szene der Venture-Kapitalgeber interessant sein. Dr. Christian Schneider, Managing Partner der Vesalius Biocapital Sàrl: „Wir kennen die Situation. Wer heute innovative Technologien und neue Verfahren erfolgversprechend entwickeln will, muss sich mit den Wettbewerbsbedingungen von morgen auseinandersetzen.“

Ist das Entwicklungsbudget aufgebraucht, muss neues – und meist teureres Geld – erworben werden, während die Uhr der Patentlaufzeit konsequent herunterläuft. HTA-Berichte, in Deutschland unter Federführung des IQWiG, sollen Wirksamkeit, Sicherheit und Kosten abschätzen und bewerten und sind somit ein wichtiger Input für die Übernahme von Innovationen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Bei der Erstattung zählt harte Evidenz

Theresa Hunger, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, arbeitet auf europäischer Ebene an der Entwicklung von Richtlinien für die Bewertung von Medizinprodukten und innovativen Verfahren: „Die Erstattungspolitik der Kostenträger ist immer stärker geprägt durch die Nutzenbewertung anhand randomisierter prospektiver Studien mit patientenrelevanten Endpunkten, und es liegt am Hersteller, diesen Nutzen zu belegen.“ Besonders für Medizinprodukte der höheren Risikoklassen (IIb und III) wird zunehmend erwartet, dass deren klinische Effektivität grundsätzlich mit denselben Methoden zu belegen ist, wie es für Arzneimittel gefordert wird, wenn sie in die breite Versorgung eingehen und von den Kostenträgern erstattet werden sollen.

Im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes wurde gerade eine Regelung auf den Weg gebracht (SGB V §137h), welche eine systematische frühe Nutzenbewertung von Hochrisikoprodukten im stationären Bereich vorsieht. Das heißt letztendlich, dass harte Evidenz zur Wirksamkeit wenn nicht schon bei der Zulassung, dann zumindest für die Erstattung gefordert wird. Klinische Prüfungen stellen Medizintechnikfirmen vor neue Herausforderungen in puncto Planung, Stratifizierung und Finanzierung ihres Entwicklungsprojektes. Zurzeit wird das Thema Klinik allerdings noch von vielen unterschätzt. Besonders Start-ups können den Aufwand nicht übersehen. Häufig wird außerdem der Wert belastbarer Ergebnisse für das Marketing nicht erkannt.

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