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MDR Augen auf bei den Kombinationsprodukten

Von Dipl.-Ing. Maren Wiese*

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Die Medical Device Regulation (MDR) bringt nicht nur neue Anforderungen an Medizinprodukte mit sich, sondern wirkt sich im Speziellen auch auf Kombinationsprodukte aus. Insbesondere zwei Arten von integralen Kombinationsprodukten stehen dabei im Fokus.

Die neue EU-Medizinprodukteverordnung bringt nicht nur neue Anforderungen an Medizinprodukte, sondern auch an Kombinationsprodukte, wie vorgefüllte Einmalspritzen, mit sich.
Die neue EU-Medizinprodukteverordnung bringt nicht nur neue Anforderungen an Medizinprodukte, sondern auch an Kombinationsprodukte, wie vorgefüllte Einmalspritzen, mit sich.
(Bild: ©Wirestock - stock.adobe.com)

Die neue EU-Medizinprodukteverordnung 2017/745 (Medical Device Regulation, EU MDR) bringt nicht nur neue Anforderungen an Medizinprodukte, sondern auch an Kombinationsprodukte (Arzneimittel / Wirkstoff plus Medizinprodukt) mit sich. Besonders zwei Arten von Kombinationsprodukten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, sind im Fokus:

  • integrale Kombinationsprodukte, bei denen das Arzneimittel die hauptsächliche Funktion übernimmt
  • integrale Kombinationsprodukte, bei denen das Medizinprodukt dazu dient, das Arzneimittel zu verabreichen.

Im letzteren Fall muss das Kombinationsprodukt dazu bestimmt sein, ausschließlich in dieser Arzneimittel-/Medizinprodukt-Verbindung verwendet zu werden und darf nicht wiederverwendbar sein. Gängige Beispielprodukte sind nicht nachfüllbare Inhalatoren, vorgefüllte Einmalspritzen, Autoinjektoren, transdermale Pflaster usw. Für diese Kombinationsprodukte gilt die Richtlinie 2001/83/EG (Medicinal Products for human use), die mit Stichtag zum 26. Mai 2021 durch den Artikel 117 MDR erweitert wird. Diese Änderung hat unter anderem Auswirkungen auf den Zulassungsprozess.

Zusätzliche Kontrolle im Zulassungsprozess für bestimmte integrale Kombinationsprodukte

Für alle integralen Kombinationsprodukte, bei denen das Medizinprodukt, für sich klassifiziert, ein Produkt der Klasse Im, Is, Ir, IIa, IIb oder III ist, wird eine zusätzliche Kontrolle durch die Benannte Stelle notwendig. Diese zusätzliche Kontrolle kann auf zwei Arten geschehen. Im ersten Fall wird ein Medizinprodukt verwendet, welches ein CE-Kennzeichnen hat.

Im zweiten Fall wird das Medizinprodukt zusammen mit dem Arzneimittel als eine Einheit zugelassen. Dafür muss der Antragsteller für die Marktzulassung (Marketing Authorization Applicant) eine Stellungnahme zur Konformität des Medizinprodukteteils bei einer benannten Stelle einholen.

Fall 1: Ablauf für Medizinprodukte mit CE-Kennzeichen

Hier wird der pharmazeutische Hersteller entweder zusätzlich Medizinproduktehersteller (Medical Device Manufacturer) für ein von ihm entwickeltes Medizinprodukt oder er kauft ein zugelassenes Medizinprodukt ein.

Als Medizinproduktehersteller muss er - vereinfacht ausgedrückt - mit seinem Qualitätsmanagementsystem alle anwendbaren Anforderungen der EU MDR und EN ISO 13485:2016 umsetzen und für jedes Medizinprodukt das anwendbare Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Die Benannte Stelle auditiert hierbei regelmäßig das Qualitätsmanagement-System und überprüft Produktzulassungen und substantielle Produktänderungen. Diese Möglichkeit bietet sich an, wenn ein Hersteller unterschiedliche Kombinationsprodukte vertreibt, die alle dasselbe Medizinprodukt als Komponente verwenden.

Wenn der Pharmazeutische Hersteller ein zugelassenes Medizinprodukt dazukauft, unterliegt der Lieferant den eben genannten Kontrollen durch die benannte Stelle. Unter diesen Umständen muss der Pharmazeutische Hersteller sicherstellen, dass entweder die gültige EU-Konformitätserklärung des Medizinprodukteherstellers oder die gültige Konformitätsbescheinigung der benannten Stelle für dieses Medizinprodukt vorliegt. Unabhängig von dem Weg, auf dem das Medizinprodukt zugelassen wird, darf der pharmazeutische Hersteller nicht vergessen, dass das Kombinationsprodukt auch als Einheit entwickelt und geprüft werden muss.

Fall 2: Ablauf für als Einheit mit dem Arzneimittel zugelassene Medizinprodukte

In diesen Fällen muss der pharmazeutische Hersteller die Konformität des Kombinationsproduktes mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die im Anhang I der EU MDR definiert sind, nachweisen und durch die benannte Stelle bestätigen lassen. Die Stellungnahme muss bei einer geeigneten benannten Stelle beantragt werden und die Durchsicht der Sicherheits- und Leistungsnachweise durch die Benannte Stelle muss geplant und durchgeführt werden.

Es stellt sich vielleicht die Frage, was genau den zweiten Fall vom ersten unterscheidet. Vereinfacht ausgedrückt kontrolliert im zweiten Fall die benannte Stelle nicht das Qualitätsmanagementsystem, sondern „nur“ dessen „Ergebnis“ und somit die Nachweise, dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt wurden. Die regelmäßigen Audits der Benannten Stelle fallen weg, stattdessen werden die Nachweise nur bei Produktzulassungen und substantiellen Produktänderungen geprüft.

Es ist zu beachten, dass die Untersuchung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsnachweise, je nach Zustand der eingereichten Dokumente, insgesamt bis zu neun Monate (maximaler Bewertungszeitraum des BSI) dauern kann. Benannte Stellen (BSI und TÜV Süd) berichten, dass in vielen Fällen die eingereichten Dokumente nicht die notwendigen grundlegenden Daten und Nachweise enthalten. Fehlende Nachweise werden teilweise durch eine Fehlinterpretation hervorgerufen. Der Fokus der benannten Stelle liegt nicht - wie angenommen - ausschließlich auf dem Medizinprodukt. Es gibt Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die sich auf die Interoperabilität und Kompatibilität mit dem Arzneimittel beziehen. In diesen Fällen muss die benannte Stelle die notwendigen Daten zur Verfügung gestellt bekommen, um einschätzen zu können, ob das Arzneimittel einen Einfluss auf die Sicherheit und Funktionalität des Medizinproduktes hat. So ist es beispielsweise ein verbreiteter Fehler, dass die Risikomanagementnachweise keine Risikoanalysen enthalten, die sowohl die Risikobewertung aller Kombinationsproduktekomponenten, hier Arzneimittel und Medizinprodukt, also auch die Risikobewertung des gesamten Kombinationsproduktes abdecken. Dies führt dazu, dass in vielen Fällen der maximale Bewertungszeitraum ausgereizt wird.

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Der Hauptentscheidungsbaum clustert mögliche Produktänderungen in fünf Kategorien. Für jede dieser Kategorien - bestimmungsgemäßer Gebrauch, Designänderung, Komponenten- oder Materialänderung, Änderung der Sterilisationsmethode oder der Verpackung, die Einfluss auf die Sterilität hat und Softwareänderung - gibt es einen weiteren Entscheidungsbaum. Dieser listet spezifische Entscheidungskriterien auf, die helfen, die Änderung richtig zu bewerten.
Der Hauptentscheidungsbaum clustert mögliche Produktänderungen in fünf Kategorien. Für jede dieser Kategorien - bestimmungsgemäßer Gebrauch, Designänderung, Komponenten- oder Materialänderung, Änderung der Sterilisationsmethode oder der Verpackung, die Einfluss auf die Sterilität hat und Softwareänderung - gibt es einen weiteren Entscheidungsbaum. Dieser listet spezifische Entscheidungskriterien auf, die helfen, die Änderung richtig zu bewerten.
(Bild: Team NB)

Zusätzliche Kontrolle im Lebenszyklus des Kombinationsproduktes

Nicht nur auf den Zulassungsprozess hat die EU-MDR Auswirkungen. Auch sind im Lebenszyklus des Kombinationsproduktes substantielle Änderungen des Medizinproduktes der benannten Stelle mitzuteilen. Neben dem üblichen Änderungsantrag oder Antrag auf Erweiterung der Zulassung müssen substantielle Änderungen entweder nach dem anwendbaren Konformitätsbewertungsverfahren (Zulassung erfolgte nach Fall 1) oder mit Hilfe einer erneuten Stellungnahme der benannten Stelle (Zulassung erfolgte nach Fall 2) freigeben werden.

Hierzu haben die benannten Stellen im Dezember 2020 ein Positionspapier veröffentlicht, das den Pharmazeutischen Herstellern helfen soll, zwischen substantiellen und nicht-substantiellen Änderungen zu unterscheiden.

Eine Produktänderung ist dann eine substantielle Änderung, wenn die Konformität des Kombinationsproduktes mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPRs) beeinflusst wird. Es ist zu beachten, dass nicht jede Änderung der GSPR-Dokumentation und ihrer Nachweise eine substantielle Änderung des Produktes ist. Jede Änderung ist für sich zu betrachten und insbesondere das Risikoprofil, den bestimmungsgemäßen Gebrauch und die Leistungseigenschaften des Produkts sind zu berücksichtigen. Diese Entscheidung und ihre Begründung sind zu dokumentieren. Das Positionspapier bietet sechs zusammenhängende Entscheidungsbäume, Erklärungen und Beispiele, die dem Pharmazeutischen Hersteller bei der Entscheidungsfindung helfen und die sich gut in bestehende Prozesse integrieren lassen.

Es ist somit angeraten, dass sich Zulassungsinhaber der regulativen Änderungen bewusstwerden und ihre Qualitätssysteme dementsprechend anpassen. So müssen etwa bereits zugelassene Produkte, die in diese Kombinationsproduktkategorie fallen, ab dem 26. Mai 2021 bei substantiellen Änderungen die neuen Anforderungen erfüllen.

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* Dipl.-Ing. Maren Wiese ist Senior Consultant Medical Devices bei der Gempex GmbH, die sich als unabhängiges, international ausgerichtetes Dienstleistungsunternehmen auf Beratung und Umsetzung von GMP-Anforderungen in der Life Sciences und Medical Devices Industrie spezialisiert hat. Erfahrung im Bereich Qualitätsmanagement, Quality Assurance und Vigilanz bringt sie mit aus verantwortlicher Tätigkeit in der Industrie, etwa bei Philips am Herstellungs-Standort für Röntgenmaschinen Hamburg.

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