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Fraunhofer IPA Radartechnik für intelligente Rollstühle und Prothesen

Redakteur: Kathrin Schäfer

Wenn man im Rollstuhl sitzt oder eine Beinprothese trägt, können selbst kleine Hindernisse unüberwindbar sein. Mit einem Verfahren des Fraunhofer IPA lassen sich Unebenheiten, Stufen oder Treppen per Radar aufspüren

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Ein Radar-on-Chip-Sensor scannt die Umgebung für die elektronische Steuerung zum Beispiel von Beinprothesen.
Ein Radar-on-Chip-Sensor scannt die Umgebung für die elektronische Steuerung zum Beispiel von Beinprothesen.
(Bild: Rainer Bez / Fraunhofer IPA)
  • Radar-on-Chip-Sensoren scannen die Umgebung
  • Algorithmus erzeugt 2D-Bild der Umgebung
  • Patentiertes Verfahren

Treppen, steinige Wege und Stufen – für Rollstuhlfahrer sind solche Hindernisse oft unüberwindbar. Und auch für die Träger von Beinprothesen können sie gefährlich sein, weil das künstliche Körperteil – anders als das natürliche Knie- oder Sprunggelenk – keine Ausgleichsbewegungen macht.

„Das Ziel der Forschung ist es daher, Rollstühlen und Prothesen Intelligenz zu verleihen“, sagt Bernhard Kleiner von der Abteilung Biomechanische Systeme am Fraunhofer IPA. Zusammen mit seinem Team hat er ein Sensorsystem entwickelt, das hilft, Hindernisse rechtzeitig zu erkennen und zu überwinden. Die Informationen, die so gewonnen werden, lassen sich in der Orthopädietechnik einsetzen, um Prothesen oder Rollstühle zu steuern und zu stabilisieren.

Klein, leicht, energiesparend: Radar on Chip

Herzstück der neuen Technik sind Radar-on-Chip-Sensoren zum Scannen der Umgebung. Verglichen mit Ultraschall- oder Lasersensoren, die traditionell zur Steuerung von Robotern eingesetzt werden, haben die Radar-Chips mehrere Vorteile: Sie sind deutlich leichter und kleiner, eignen sich daher besonders gut für mobile Anwendungen und funktionieren auch außerhalb geschlossener Räume. Für den Einsatz in der Orthopädietechnik ist das ein großer Vorteil, denn die Patienten sollen die neuen Funktionen in möglichst vielen Situationen verwenden können. Günstige Radarchips haben jedoch auch einen Nachteil: Sie verfügen nur über eine Antenne, welche sowohl Signale aussendet als auch die reflektierte Strahlung empfängt. Mit dieser Anordnung lassen sich nur Gegenstände sichtbar machen, die vom Radarstrahl direkt getroffen werden. Die Messung ist damit eindimensional. Für die Ortung von Hindernissen ist das zu wenig.

Signalverarbeitung: aus eindimensionalen Messungen zweidimensionale Bilder erstellen

Durch einen Trick ist es Kleiners Team gelungen, aus den eindimensionalen Messungen ein zweidimensionales Bild zu erstellen: „Ähnlich wie ein Laserscanner verschiedene Punkte einer Oberfläche abrastert, kombinieren wir mehrere Reflexionen aus unterschiedlichen Blickrichtungen“, erläutert der Projektleiter. Die unterschiedlichen Blickrichtungen entstehen quasi von selbst, wenn der Radar-Chip bewegt wird – beispielsweise, weil sich der Träger einer mit der Sensorik ausgerüsteten Beinprothese bewegt. Komplizierter ist es mit einem Sensor, der in einen Rollstuhl integriert ist, unterschiedliche Blickwinkel zu erzeugen. Hier hilft ein Spiegel, der den Radarstrahl hin- und herlenkt. Aus den unterschiedlichen Messungen erzeugt dann ein eigens entwickelter Algorithmus das 2D-Bild der Umgebung, auf dem sich Hindernisse bis auf wenige Zentimeter genau lokalisieren lassen.

Das Verfahren haben die Experten am IPA bereits patentiert. Zusammen mit dem isländischen Unternehmen Össur, einem führenden Prothesen-Hersteller, untersuchen sie jetzt, wie die elektronische Steuerung von Beinprothesen mit Hilfe der Radar-Bilder verbessert werden kann. Und in einem Forschungsprojekt mit den Human Engineering Research Laboratories HERL der amerikanischen University of Pittsbourgh entwickeln die Fraunhofer-Ingenieure einen intelligenten Rollstuhl mit beweglichen Radgelenken, der sogar Treppen überwinden kann.

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