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Ypsomed/Step 5 Mit hirngerechtem Lernen die Zukunft des Unternehmens proaktiv gestalten

Von Michael Zaugg, Marcel Wiesendanger, Christoph Mahr*

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Wie können wir unsere Erfolge langfristig absichern? Eine Frage, die sich jedes Unternehmen regelmäßig stellen sollte und die bei der Ypsomed AG der Auftakt war für ein ungewöhnliches Projekt zur Weiterentwicklung der Führungskultur. Gemeinsam mit der Step 5 AG formt das international tätige Schweizer Medizintechnik-Unternehmen gerade proaktiv seine Zukunft. Michael Zaugg, Senior Vice President Human Resources (HR) und Marcel Wiesendanger, Head of Learning bei Ypsomed sowie Christoph Mahr, Managing Partner bei Step 5 AG, beschreiben den innovativen Weg des inhabergeführten Traditionsunternehmens zu einem agilen Player.

Auch die Mitarbeiter im Produktionswerk von Ypsomed im schweizerischen Solothurn können von der angestoßenen Weiterentwicklung der Führungskultur profitieren.
Auch die Mitarbeiter im Produktionswerk von Ypsomed im schweizerischen Solothurn können von der angestoßenen Weiterentwicklung der Führungskultur profitieren.
(Bild: Ypsomed AG)

Es war damals ein Zuckerschock für den Pharma-Markt: Als die Brüder Willy und Peter Michel aus Burgdorf vor mehr als 35 Jahren weltweit die ersten Mikro-Insulinpumpen herausbrachten, verbesserten sie damit das Leben von Menschen mit Typ 1 Diabetes weltweit. Neben den Infusionssystemen spezialisierten sich die Gebrüder Michel seinerzeit auch auf Injektionssysteme. Im Jahr 2003 verkaufte Mitbegründer und Hauptaktionär Willy Michel das Infusionsgeschäft an Roche, behielt aber das Injektionsgeschäft. Daraus entstand die Ypsomed, die seither ihre eigene Erfolgsgeschichte schreibt. Seit 2004 ist Ypsomed an der SIX Swiss Exchange gelistet und mittlerweile ins Insulinpumpen-Geschäft zurückgekehrt, seit vier Jahren auch wieder mit einer eigenen Insulinpumpe, der Mylife Ypso-Pump. Dabei werden die Injektionssysteme für Pharmaunternehmen wie auch die direkt vertriebenen Insulinpumpen immer digitaler und vernetzter.

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Dies und die zunehmende Internationalisierung steigerten die Komplexität in Management und Produktion. Wachsender Innovationsdruck und die Markt-Nachfrage nach digitalen Gesamtlösungen sowie die Chancen datengetriebener Geschäftsmodelle erforderten von dem bislang klassischen Medizin-Produkthersteller neue Kompetenzen und eine viel höhere Dynamik auf allen Ebenen. Bei der bisherigen Geschwindigkeit würde das Unternehmen in absehbarer Zeit an die Grenzen seines inneren Wachstums stoßen.

Wer schnell auf Marktherausforderungen reagieren will, dessen Führungskräfte müssen bereit sein und gelernt haben, Eigeninitiative zu übernehmen, Verantwortung nach unten abzugeben und Aufgaben zu delegieren.

Bei Ypsomed aber fielen lange viele Entscheidungen zentral, sodass die zweite und dritte Führungsebene gar nicht rechtzeitig trainieren konnte, Verantwortung zu übernehmen. Bis ungefähr 2010 bildete die Unternehmens- und Führungskultur ein Traditionsunternehmen mit Top-Down-Entscheidungen ab, während das Unternehmen sich operativ bereits dem Druck einer massiven, markt-getriebenen Transformation gegenübersah.

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Nachhaltige Transformation angestrebt

Wenn Unternehmen an einem solchen Scheideweg stehen, greifen sie normalerweise zu klassischen Methoden: Sie schicken ihre Führungskräfte in Zweitages-Seminare und oder Einzel-Coachings, in der Erwartung, dass sich das Unternehmen von heute auf morgen verändert. Sie überarbeiten Organigramme und restrukturieren Abteilungen und Produktlinien – und wundern sich nach einiger Zeit, dass alles ist wie vorher und der gewünschte Effekt nicht eintritt. Ein Grund ist, dass Führungskräfte und Teams nicht den Raum für die persönliche Entwicklung erhalten, um das Gelernte zu verarbeiten und zu üben, es auch anzuwenden.

Das Ergebnis: Das Gelernte aus dem Seminar-Labor fällt der Kurve des Vergessens anheim oder das Management arbeitet im operativen Betrieb einfach nach alten Mustern weiter. All das wollte Ypsomed verhindern – und stattdessen eine nachhaltige Transformation anstoßen, die zu einer neuen Unternehmenskultur führt und die Resilienz der Organisation gegenüber dem künftigen Marktgeschehen steigert.

Nach Sichtung mehrerer Ansätze entschied sich Ypsomed für den systemischen, businessnahen Ansatz von Step 5. Dieser strukturierte Ansatz der Führungskräfteentwicklung arbeitet jenseits konventioneller Standards.

Einer der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der Step 5 beim Führungskräftecoaching ist es, Lernprozesse so hirngerecht zu gestalten, dass sie der Natur des menschlichen Gehirns am besten entsprechen.

Relevanz der Inhalte, Autonomie und Freiwilligkeit sind nur einige Aspekte dabei, die das Lernen deutlich erleichtern, weil sie neurobiologische Belohnungsprozesse im Gehirn auslösen. Darüber hinaus soll das gesamte Programm bereits selbst Gelegenheit geben, erwünschte beziehungsweise zukünftige Führungswerte auf dem Weg zur neuen Unternehmenskultur gleich anzuwenden und zu trainieren.

Das Herzstück des Programms: die Business Challenges

Bei Ypsomed steht das auf mehrere Jahre angelegte Programm, das bis heute andauert, unter dem Leitmotiv „Leading for Future“ (L4F). Rund 170 Führungskräfte von Ypsomed auf sämtlichen Hierarchieebenen sind seither eingebunden. In einem Vorprojekt erarbeiteten Manager unterschiedlicher Ebenen unter interner und externer Begleitung, über welche Kompetenzen Führungskräfte bei Ypsomed im Jahr 2024 verfügen sollten.

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Das so entwickelte Kompetenzmodell steht auf dem Fundament der Unternehmenswerte und der Führungsgrundsätze der Ypsomed. Insbesondere die Unternehmenswerte bilden den langfristigen Kern der Unternehmenskultur. Die Führungsgrundsätze wiederum sind im Sinne dieser Werte ausgearbeitet. Sie tragen so dazu bei, dass die Unternehmenswerte im Alltag lebendig und erlebbar sind.

Das Kompetenzmodell umfasst die drei zentralen Kompetenzkategorien: „Run Business“, „Lead People“ und „Develop Myself“. „Run Business“ umfasst strategisches Handeln, Kunden- und Ergebnisorientierung sowie Entscheidungen zu treffen. In „Lead People“ manifestiert sich unter anderem die Anforderung an Führungskräfte, die Potenziale ihrer Mitarbeitenden zu entwickeln, die Zusammenarbeit zu fördern, professionell zu kommunizieren und den Wandel aktiv zu gestalten.

Mit „Develop Myself“ sind Führungskräfte gefordert, wertorientiert zu agieren, authentisch zu handeln, Verantwortung für das Unternehmen, aber auch für sich selbst zu übernehmen und daran zu arbeiten, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Auf dieser Basis ist ein generelles Anforderungsprofil entstanden, wie Führungskräfte selbstbestimmt an ihren individuellen Entwicklungsbedarfen und -zielen lernen können.

Um den gesamten Prozess nicht nur hirngerecht, sondern vor allem so businessnah wie möglich zu gestalten, hatte jede Führungskraft zum Start des eigentlichen Projekts eine für die Organisation ohnehin bestehende Herausforderung auszuwählen, der sie sich widmen würde: eine sogenannte Business Challenge. Sie bildet das Herzstück des Step-5-Ansatzes. Als externe Interne flankiert die Step 5 die Business Challenges durch Peer Coachings, kollegiale Lern- und Reflexionseinheiten sowie Seminarmodule, in denen Trainer die selbstorganisierten Lernprozesse mit Anregungen und Empfehlungen unterstützen.

Beim Peer Coaching unterstützen sich Führungskräfte gegenseitig bei der Lösung von aktuellen Problemen. Sie befeuern so den allgemeinen Lernprozess und stärken wiederum ihre eigenen Coaching-Fähigkeiten. Diese ausbalancierte Mischung aus Selbstverantwortung, Lernen mit den Kollegen und Lernen für die Organisation einerseits und der kollegialen und externen Unterstützung (Coaching, Seminare, Beratung) andererseits machen den Unterschied zu herkömmlichen Ansätzen aus. An die Stelle von Theorievermittlung mit Frontalunterricht tritt die Praxis, die als Katalysator kollektiver und individueller Lernfortschritte wirkt und zu greifbaren, businessnahen Ergebnissen führt. Nichts bleibt theoretisch, alles lässt sich unmittelbar zur Lösung der Business Challenge anwenden, was sich sehr förderlich auf die Lernmotivation auswirkt.

Systemische Kompetenzentwicklung führt zu neuer Unternehmenskultur

Wie ergebnisoffen die Business Challenges verlaufen können, zeigt unter anderem die Konzeption eines neuen Modells für das Supply Chain Management. Dabei manifestierte sich im Team unter anderem die Einsicht, dass sich bislang alle Einkaufsmanager als Generalisten verstanden und sich jeder entsprechend für alle Warengruppen als ausreichend kompetent einstufte – eine Erkenntnis, die dank der Business Challenge schneller reifte und durch eine abteilungsübergreifende Reflexion zu einem beschleunigten Lernprozess führte. Schließlich setzte sich die Einsicht durch, dass Einkäufer durch Spezialisierung inhaltlich effizienter werden und sich dies auch positiv auf die Lieferantenbeziehungen auswirken kann. Das Beispiel zeigt ebenfalls: Durch die interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Zusammensetzung der Business Challenge haben die Führungskräfte einen systemischen Blick auf die eigene Organisation. Der offene Austausch und die Peer-Coachings führt dazu, dass die Führungskräfte ihre eigenen Denkmuster, ihre Rollen und Funktionen hinterfragen – ein wertvoller Prozess, sowohl für die Beteiligten als auch für die Organisation, der top down nie entstanden wäre. Durch die Phasen der Reflexion bei der kollegialen Fallbearbeitung entstehen kollektive Learning Loops, die auch zu individuellen Lernerfahrungen führen. In diesen Prozessen fungieren interne Berater aus HR sowie die Step-5-Coaches als Begleiter auf Augenhöhe und nicht mehr als Anleiter. Vielmehr schaffen sie den Raum, moderieren vielleicht Anlaufphasen der Gruppen oder geben methodische Anregungen; die eigentlichen Lernerfolge aber entstehen in den Gruppen. Ergänzt werden diese Prozesse dann durch fortlaufende Entwicklungsgespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, um individuelle Lernbedarfe zu ermitteln und zeitnah beispielsweise mit Seminaren zur Methodenkompetenzentwicklung zu bedienen.

Verankerung des Lernfortschritts – neue Routinen im Führungsverhalten

Da erworbenes Wissen in den Business Challenges täglich angewendet und durch Peer Coaching selbstorganisiert und damit jenseits von Laborsituationen mitten im unternehmerischen Alltag verstärkt wird, verankert sich das Gelernte als neue Routine im Führungsverhalten und damit in der Unternehmenskultur – und fällt damit in der Organisation auf einen viel fruchtbareren Boden als in üblichen Ansätzen.

Angestrebte Führungswerte wie eine stärkere Kundenorientierung und strategisches Handeln leben die Führungskräfte konkret und täglich im Rahmen des Programms, ihr Führungsverhalten selbst erleben sie als wirkungsvoll und als positiv, denn es zeitigt Ergebnisse. Diese Art des Lernens ist vergleichbar mit dem Sprachenlernen. Wer nur Texte liest, behält keine Vokabeln. Wer aber in dem Land lebt, den Alltag mit den Einheimischen teilt und ständig die Fremdsprache spricht, nach Bezeichnungen für Gegenstände fragt, eignet sich schneller einen neuen Wortschatz an. Vokabeln. Redewendungen, Grammatik und Satzkonstruktionen und vor allem die Aussprache gehen schneller „in Fleisch und Blut“ über als in einem Seminarraum.

Lockdown als erste Bewährungsprobe für L4F

Das Projekt ist auf zwei bis drei weitere Jahre angelegt und zeigt bereits deutliche Erfolge. Während des ersten Covid-19-Lockdowns lief die Produktion beispielsweise weiter, die Führungskräfte aber arbeiteten häufiger im Homeoffice. Für die Schichtleiter waren sie dadurch schwerer zu erreichen. Statt auf Entscheidungen zu warten, agierten die Produktionsmitarbeitenden selbstständiger und eroberten sich Entscheidungskompetenzen – ein erfreuliches Ergebnis aus Kulturwandel im Rahmen des L4F. Denn nach übereinstimmender Einschätzung verlief die Produktion auf diese Weise sogar reibungsloser. Und das war keine Einzelerfahrung. L4F erfährt unternehmensweit eine positive Wahrnehmung, Delegation funktioniert bereits reibungsloser als früher. Der Austausch und die abteilungsübergreifende Kommunikation werden selbstverständlicher, Manager sind professioneller in ihrer Selbstführung. Im Umgang mit zunehmender Komplexität registriert die Geschäftsleitung Fortschritte durch die Aktivierung unternehmensweiten Wissens. Die Entwicklung der Führungskräfte vollzieht sich damit nicht mehr zwei Tage in unternehmensfernen Seminarräumen und verflüchtigt sich in der Kurve des Vergessens, sondern verfestigt sich stattdessen in ganz realen und business-relevanten Alltagsprozessen. Durch L4F entsteht zunehmend ein unternehmerischer Wandel gemeinsam mit Führungsmannschaft und Mitarbeitenden und macht sie zu Akteuren statt zu Opfern der Veränderung. Die Führungskräfte der Ypsomed erlernen, erproben und reflektieren durch L4F ein neues Verhalten, um Gegenwart und Zukunft des Unternehmens aktiv zu managen und dabei Verantwortung zu übernehmen. HR und externe Berater wie die von Step 5 müssen diese Prozesse eine Weile düngen, indem sie die Umsetzung der Lernerfahrungen in den Alltag beispielsweise durch Reflexionsgespräche begleiten und verstärken, damit das System von innen heraus weiterwachsen kann. Und dass das Unternehmen auf einem guten Weg ist, manifestiert sich bereits an bestimmten Faktoren: Die Arbeitszufriedenheit hat sich erhöht, das Gesamtsystem arbeitet agiler, prozessorientierter, ist weniger störungsanfällig und damit resilienter gegenüber Veränderungen in der Zukunft.

Weitere Artikel zur Führung von Medizintechnik-Unternehmen finden Sie in unserem Themenkanal Management.

* Die Autoren: Michael Zaugg ist Senior Vice President Human Resources (HR) und Marcel Wiesendanger ist Head of Learning bei Ypsomed. Christoph Mahr führt die Step 5 AG.

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