LSR-Komponenten Mikrospritzguss ermöglicht minimalinvasive Medizintechnik
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Medizintechniker entwickeln immer kleinere Geräte, die unauffällig zu tragen sind oder mittels minimalinvasiver Eingriffe im menschlichen Körper implantiert werden können. Diese Miniaturisierung ist mithilfe von Mikrospritzgussverfahren möglich, mit denen Silikonkomponenten bis in den Mikrometerbereich hinein präzise gefertigt werden können.

Medizinische Geräte sind in den vergangenen Jahren immer kompakter und leistungsfähiger geworden. Durch ihre geringe Größe sind sie leichter zu implantieren und komfortabler zu tragen. Herzschrittmacher, Blutzuckermessgeräte, Insulinpumpen oder Neurostimulatoren sind inzwischen nicht nur minimalinvasiv implantierbar und leichtgewichtig, sie können auch mit Patienten oder medizinischem Fachpersonal kommunizieren. Die Geräte sammeln Daten und stellen gesundheitsrelevante Informationen verständlich und in Echtzeit zur Verfügung.
Punktgenauer Mikrospritzguss im Mikrometerbereich
Diese Entwicklung stellt Hersteller von Medizinprodukten vor die Aufgabe, mehrere Funktionen und Sensoren im Miniaturformat zu integrieren – ein moderner Defibrillator ist kaum größer als eine Streichholzschachtel. Um mehr Technologie in medizinischen Geräten unterzubringen, bedarf es innovativer Konzepte und Produktionsprozesse. Eine Lösung, ist das Mikrospritzgussverfahren mit Flüssigsilikonkautschuk (LSR), wie es auch der Dichtungsspezialist Trelleborg Sealing Solutions anbietet. LSR hat sich aufgrund seiner Biokompatibilität, Inertheit sowie günstigen physikalischen und haptischen Eigenschaften als bevorzugter Werkstoff für Medizinprodukte etabliert.
Die Bauteile für medizinische Geräte bewegen sich oft im Mikrobereich: Das bedeutet, dass sie leichter als zehn Milligramm sind und Geometrien ausweisen, die wenige Mikrometer „dick“ sind. Beim Mikrospritzgießen ist Präzision das A und O für den Design- und Herstellungsprozess. Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz in der Produktentwicklung, der auf fundiertem Wissen in den Bereichen Material-Know-how, Werkzeugbau, Ausrüstung, Verfahren und Technik basiert. Der Designprozess sollte nicht nur das Bauteil selbst umfassen, sondern auch das fertige Gerät sowie die Anforderungen in Bezug auf Funktion, Passform, Volumen und Kosten. Es ist frühzeitig zu prüfen, wie Silikonkomponenten mit anderen Bauteilen verbunden werden können und sich in kompakte Geräte integrieren lassen.
Schussvolumen von weniger als einem Gramm sind typisch
Ein robuster Mikrospritzgussprozess beginnt mit einem hochwertigen Spritzgusswerkzeug, das den Materialfluss des LSR in die Kavität präzise steuert. Hier gilt es für erfahrene Ingenieure, dass sie nicht nur das Zusammenspiel von Werkzeugbau und Mikrospritzguss verstehen, sondern auch deren automatisierte Fertigung beherrschen. Bei Formteilen, die von Hand kaum zu bearbeiten sind, ist dies unerlässlich. Qualität und Präzision der Werkzeuge bestimmen, wie effektiv die Automatisierung sein kann, nicht nur bei Formwerkzeugen, sondern auch bei individuell gestalteten Roboterarmen und Handling-Systemen, welche die Zuführung und Entnahme der fertigen Teile aus den Formen ohne Beschädigung gewährleisten.
Beim Mikrospritzgießen sind Schussvolumen von weniger als einem Gramm typisch. LSR hat eine niedrige Viskosität und die Kontrolle des Schussvolumens, besonders bei diesen kleinen Volumina, ist entscheidend, denn leicht können fünf bis zehn Prozent des Volumens aus dem Formhohlraum austreten. Dies führt zu überschüssigem Material am Rande des Bauteils und hat eine Gratbildung zur Folge.
Mikrospritzguss ohne Grate ist Präzisionsarbeit
Obwohl Spritzgusstechniker stets versuchen, Grate zu vermeiden, ist bei größeren Formteilen von etwa Handgröße eine geringe Gratbildung akzeptabel. Wenn ein Teil jedoch kleiner als ein Stecknadelkopf ist, kann der Grat so groß wie das Teil selbst werden – hier ist eine gratfreie Produktion unverzichtbar. Dies erfordert Präzisionswerkzeuge, kleinere Spritzeinheiten, eine bessere Kontrolle der Wärmezonen sowie eine höhere Präzision der Spritzeinheiten.
Der heilige Gral beim Mikrospritzguss besteht darin, die Qualität während des Prozesses zu gewährleisten, anstatt diese nach der Produktion zu kontrollieren. Dies ist besonders wichtig bei mikrogespritzten Komponenten für medizinische Geräte, bei denen eine physische Sichtprüfung nahezu unmöglich ist. Die Qualität des Produkts basiert hier auf der Präzision der Werkzeuge, den zugehörigen Prozesselementen sowie der Art und Weise, wie das Produkt entformt und verpackt wird.
Für eine konsistente und spezifikationsgerechte Fertigung sind Validierung und Messung zentrale Erfolgsfaktoren. Je kleiner die Bauteile und die damit verbundenen Toleranzen werden, desto genauer und komplexer werden die Messgeräte. Studien zur Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit von Messverfahren sorgen für geringe Messfehler und unterstützen bei der statistischen Prozesskontrolle.
Fertigung in Reinräumen mit filigraner Entformung und Verpackung
Für Medizinprodukte sind hygienische Bedingungen von größter Bedeutung. Je nach Vorgaben ist in der Medizintechnik eine Fertigung in kontrollierten Reinräumen vorgeschrieben – Trelleborg verfügt an mehreren Standorten über Reinraumbedingungen der Klasse ISO 7 und ISO 8. Über GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice) werden Produktionsprozesse festgelegt und in den Qualitätssystemen verankert.
Nach dem Mikrospritzguss, ob im Reinraum oder nicht, erfolgt die Entformung der LSR-Komponente. Da Silikon von Natur aus zu statischer Aufladung neigt, kann es beim Entformen und Verpacken dazu kommen, dass Bauteile buchstäblich wegfliegen. Daher sind während des gesamten Herstellungsprozesses spezielle Vorkehrungen für das Handling sowie die Antistatik erforderlich.
Automatisierte Greifarme sind meist zu groß, wenn es um die Entformung kleiner LSR-Teile geht und Auswerfer sind unabhängig von der Größe der Silikonteile ungeeignet. Das liegt daran, dass das flüssige Silikon in den Zwischenraum eines Auswerfersystems eindringen kann. Eine weitere Alternative ist die Verwendung von Bürsten zur Entnahme von Teilen aus der Form, aber die winzigen Mikrospritzgussteile bleiben an Bürsten hängen, statt sich von der Form zu lösen und in einen Behälter zu fallen. Die Lösung sind spezielle Greifer, die Trelleborg eigens für Mikrobauteile entwickelt hat.
Auch die Verpackung muss im Produktionsprozess berücksichtigt werden, da gängige Polyethylenbeutel für extrem kleine Teile nicht geeignet sind. Die Teile bleiben statisch an der Oberfläche des Beutels haften und lassen sich nur sehr schwer entnehmen. Daher müssen die Mikrobauteile unter anderem in kleinen Hartplastikbehältern oder auf doppelseitigem Klebeband verpackt werden.
Mehrkomponentenspritzgießen bringt unterschiedliche Werkstoffe zusammen
Große Vorteile beim Mikrospritzguss bietet das Mehrkomponentenspritzgießen, auch 2-Shot-Verfahren, Co-Injection oder 2K-LSR-Verfahren genannt. Das 2K-LSR-Verfahren beinhaltet die Injektion von LSR in Kombination mit anderen Kunststoffen. Es ermöglicht den Zusammenschluss von Teilen innerhalb einer Baugruppe zu einer einzigen Komponente, wodurch sich potenzielle Montagefehler und Toträume vermeiden lassen, in denen sich beispielsweise Bakterien vermehren könnten. Das Gleiche gilt für die Umspritzung beziehungsweise das Insert-Molding mit LSR oder Kunststoff. Hierbei werden andere Materialien, zum Beispiel Metall oder Mikrochips, ummantelt. Beide Techniken erleichtern das Handling und die Miniaturisierung zentraler Komponenten und somit des gesamten medizinischen Geräts.
Kooperation von Gerätehersteller und Spritzgießer ist gefragt
Mikrospritzgießen mit 2K-LSR-Verfahren und Insert-Molding erweitert in der Medizintechnik die Designoptionen für zahlreiche Implantate wie Defibrillatoren oder Insulinpumpen, weil Entwickler ihre Geräte noch kompakter, leichter und robuster an die wachsenden Anforderungen und aktuellen Trends anpassen können. Beschleunigt wird die Entwicklung durch eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit von Spritzgießern und Geräteherstellern. Der Gerätehersteller kennt die kritischen und einzigartigen Konstruktionsmerkmale seines Produkts, während der Spritzgussexperte den durch das Micro-Molding erreichbaren Nutzen ausloten kann.
Durch die enge Zusammenarbeit lassen sich Synergien nutzen, die nicht nur die Funktionsfähigkeit der Medizinprodukte optimiert, sondern auch die anfallenden Produktionskosten senkt – insbesondere bei hohen Stückzahlen. Von dieser Zusammenarbeit profitieren nicht nur Gerätehersteller und Spritzgießer, sondern vor allem Patienten, deren Wohlbefinden und sogar Leben von medizinischen Geräten abhängen, die leicht tragbar sind und minimalinvasiv implantiert werden können.
Weitere Artikel über Auftragsfertigung und Fertigungseinrichtungen finden Sie in unserem Themenkanal Fertigung.
* Die Autorin: Florance Veronelli ist seit 2016 bei Trelleborg Sealing Solutions beschäftigt. Hier verantwortet sie die Strategieerstellung und -implementierung für den Bereich Healthcare & Medical in Europa und hat die Position Segment Manager inne.
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