Mikroroboter für Medizin Magnetische Schnipsel als Vehikel für die Blutbahn
Er sieht aus wie ein winziges Stück Trockenfleisch, ist aber ein Mikroroboter für die Medizintechnik. Forscher des Fraunhofer IMTE haben ihn mitentwickelt und bereits in einem Modell erprobt, wie sich damit Aneurysmen behandeln lassen könnten. Zum Steuern und Monitoren nutzen die Forscher Magnetfelder.
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Winzige, schwimmende Roboter sollen sich in Zukunft wie U-Boote durch den Körper steuern lassen. An dieser Vision arbeiten auch Forscher vom Institut für Medizintechnik der Universität zu Lübeck. Gemeinsam mit Kollegen der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE entwickeln sie die Schwimmer, die kleiner sind als ein Reiskorn. In einem ersten Modellversuch haben die Forscher einen solchen Mikroroboter mithilfe von Magnetfeldern durch eine nachgebildete menschliche Hirnarterie zu einem künstlichen Aneurysma gesteuert.
Gezielt Wirkstoffe transportieren
Das Ziel des Wissenschaftlerteams ist es, medizinische Eingriffe und Behandlungen möglichst schonend durchzuführen sowie Medikamente so zu verabreichen, dass sie gezielt am Ort der Erkrankung wirken. „Wir haben einen magnetischen Mikroroboter entwickelt, der nur mit Magnetfeldern durch den menschlichen Körper gesteuert werden kann“, sagt Anna Bakenecker vom Fraunhofer IMTE. „In Zukunft könnte dieser Roboter Medikamente z. B. direkt zu einem Tumor bringen und so Nebenwirkungen von Chemotherapeutika verringern.“
Der magnetische Mikroroboter kann auch helfen, verstopfte Blutgefäße oder Aneurysmen zu behandeln. Aneurysmen sind Ausstülpungen von Blutgefäßen, die sich immer weiter ausdehnen können, bis die Gefäßwand platzt. Das ist besonders im Gehirn lebensbedrohlich. Deshalb behandeln Mediziner Aneurysmen, indem sie über einen Katheter kleine Drahtgeflechte in die Ausstülpung einbringen. Dies lässt das Blut in der Aussackung gerinnen und verhindert so, dass sie sich weiter ausdehnt. Wenn die behandelnden Ärzte stattdessen einen Mikroroboter in das Aneurysma fernsteuern könnten, wäre das ein großer Fortschritt für die Medizin.
3D-gedruckt und magnetisch lackiert
Der Mikroroboter des Forscherteams wurde mittels additiver Fertigung hergestellt – also dem medizinischen 3D-Druck. Anschließend erhielt der Schwimmer einen magnetischen Lack. Für die Beschichtung nahmen die Wissenschaftler magnetische Nanopartikel, die am Institut für Medizintechnik hergestellt werden. Drehende magnetische Felder bewirken eine Drehung des Mikroschwimmers, durch die er sich in einem flüssigen Medium nach vorne schraubt.
„Wir haben ein Modell einer mittleren Hirnarterie aus Patientendaten erstellt, durch das wir den Mikroroboter erfolgreich in ein Aneurysma steuern konnten“, berichtet Dr. Hannes Schwenke, Neuroradiologe des UKSH. Dies sei ein wichtiger erster Schritt, bevor es in die klinische Anwendung geht.
Steuern und Überwachen mit Magnetismus
Um die Bewegung des Mikroroboters nachzuverfolgen, verwendete das Forscherteam die tomographische und echtzeitfähige Bildgebungsmodalität „Magnetpartikelbildgebung“, die am Institut für Medizintechnik in Kooperation mit dem Fraunhofer IMTE erforscht wird. Die Magnetpartikelbildgebung visualisiert die magnetischen Nanopartikel, mit denen der Mikroroboter beschichtet ist – und das ohne Strahlung. Es werden einzig Magnetfelder verwendet, die für den Körper unbedenklich sind.
So könnten Ärzte später den Schwimmer mithilfe von Magnetfeldern durch die Arterie steuern und gleichzeitig die Route mit Magnetpartikelbildgebung in Echtzeit überwachen. Damit wäre die Medizintechnik um eine neue minimalinvasive Behandlungsmethode reicher.
Originalpublikation: A. C. Bakenecker, A. von Gladiss, H. Schwenke, A. Behrends, T. Friedrich, K. Lüdtke-Buzug, A. Neumann, J. Barkhausen, F. Wegner & T. M. Buzug: Navigation of a magnetic microrobot through a cerebral aneurysm phantom with magnetic particle imaging. Scientific Reports 11, 2021. DOI:10.1038/s41598-021-93323-4
Dieser Artikel ist zuerst erschienen auf unserem Schwesterportal www.laborpraxis.vogel.de.
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