Fertigungsprozess Die Patientensicherheit bei Hüftendoprothesen erhöhen
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In einem gemeinsamen Forschungsprojekt beschäftigen sich das IFW und das LBB mit Implantatverbindungen. Ziele des Projektes sind eine Verbesserung der Fertigungsprozesse und eine Optimierung des Schnittstellendesigns von doppelt modularen Hüftendoprothesen zur Erhöhung der Patientensicherheit.

Stetig steigende Patientenzahlen und das Streben nach einer weiteren Verbesserung der Patientenversorgung und -sicherheit führen zu dem Bedarf einer lastangepassten doppelt modularen Hüftimplantatschnittstelle. Innerhalb des Sonderforschungsbereichs/Transregio 298 „Sicherheitsintegrierte und infektionsreaktive Implantate“ (SIIRI) forscht das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover in Kooperation mit dem Labor für Biomechanik und Biomaterialien (LBB) der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Diakovere Annastift an diesen Herausforderungen in dem Teilprojekt „Bedarfsgerechtes Design und Herstellung von schadenstoleranten Implantatverbindungen“.
In Folge des demografischen Wandels, des steigenden Anteils an adipösen Menschen in der europäischen Bevölkerung und der weiter steigenden Lebenserwartung nimmt der Bedarf an Hüftendoprothesen stetig zu. Eine Möglichkeit, die spezifische Anatomie, insbesondere Winkel und Länge des Oberschenkelknochens der Patienten, besser abbilden zu können, bieten doppelt modulare Implantate mit einem Halsadapter. Ein solches Implantat ist in Abb. 1 zu sehen. Jedoch gehen die Vorteile des Halsadapters mit dem Nachteil eines häufigeren Versagens an der zusätzlichen Schnittstelle einher, das als Folge von Mikrobewegungen, Reibverschleiß und Korrosion durch die Körperflüssigkeiten an der zusätzlichen Konusverbindung entsteht. Diesen Herausforderungen kann durch eine Optimierung der Schnittstelle begegnet werden. Eine Optimierung der Schnittstelle kann zudem über die gezielte Einstellung der Oberflächentopografie und Randzone durch die richtige Wahl des Fertigungsprozesses und der Prozesseinstellgrößen erfolgen. Möglichkeiten, die Oberflächentopografie und Randzone gezielt einzustellen, bieten der Dreh- und Festwalzprozess. Durch geeignete Prozesseinstellgrößen kann die Lebensdauer von Bauteilen erhöht werden, indem beispielsweise die Rissinitiierung durch das Einbringen von Druckeigenspannungen verzögert wird.
Einfluss der Oberflächentopografie auf die Verbindungsfestigkeit
Ziele des Projektes sind zum einen eine Verbesserung der Fertigungsprozesse und zum anderen eine Optimierung des Schnittstellendesigns von doppelt modularen Hüftendoprothesen zur Erhöhung der Patientensicherheit. Dies kann beispielsweise über eine Verlängerung der Lebensdauer der Implantate erlangt werden. Zur Erreichung des ersten Ziels sind zunächst Analogieversuche in Anlehnung an die ASTM F 2009 durchgeführt worden, bei denen die Verbindungsfestigkeit in Abhängigkeit von der Oberfläche untersucht wurde. Die Analogiebauteile des Halsadapters und Hüftschafts sind in Abb. 2 zu sehen. Erste Erkenntnisse wurden mittels Push-Out-Tests erlangt, bei denen die Konusverbindung zunächst unter gleichen Bedingungen gefügt und darauffolgend die Trennkraft gemessen wurde. Der Einfluss der Oberfläche auf die Verbindungsfestigkeit wurde bei den Materialien TiAl6V4 Grade 23 ELI und CoCr28Mo untersucht. Für die Versuche wurden der Konuswinkel und die Konusdurchmesser gemäß handelsüblichen 12/14-Konen von Implantatschäften gewählt. Für die Einstellung der Oberfläche wurden die Fertigungsverfahren Drehen und Festwalzen nach der Drehbearbeitung verwendet. Wie in Abb. 2 zu erkennen, unterscheiden sich die Oberflächentopografien nach dem Drehen. Die Unterschiede in der Oberflächentopografie sind durch die Wahl der Prozesseinstellgrößen zu begründen, so wurde der Halsadapter mit anderen Prozesseinstellgrößen als der vereinfachte Schaft gefertigt. Bei Betrachtung der in Abb. 2 dargestellten Fügung der Bauteile wird deutlich, dass die effektive Kontaktfläche von der Oberflächenrauheit abhängig ist.
Bei der Analyse der Trennkräfte konnte jedoch festgestellt werden, dass die Werte der gemittelten Rautiefe Rz keinen signifikanten Einfluss auf die Trennkräfte haben. Es ist allerdings ein Trend bezüglich des Kontaktverhältnisses beim Festwalzen auf die Trennkräfte der Verbindung zu erkennen. So nehmen die Trennkräfte mit steigendem Wert des Kontaktverhältnisses ab, woraus geschlossen werden kann, dass möglicherweise eine plateauartige Oberflächentopografie zu höheren Trennkräften führt und folglich die Verbindungsfestigkeit erhöht wird. Daraus kann abgeleitet werden, dass eine Reduzierung der Mikrobewegungen durch eine plateauartige Oberflächentopografie durch eine Erhöhung der Verbindungsfestigkeit möglich ist. Da das Versagen von Hüftendoprothesen mit den Mikrobewegungen einhergeht, bietet dies ein großes Potential, die Patientensicherheit zu verbessern. Weiterhin wird der Einfluss des Festwalzprozesses auf die Versagensmechanismen an der Schnittstelle zwischen Hüftschaft und Halsadapter tiefgreifender untersucht.
Einfluss der geometrischen Abweichungen auf die Kontaktfläche
Die Winkel und Durchmesser der Konen wurden nach der Fertigung und vor dem Push-out-Test mit einem Koordinatenmessgerät am IFW gemessen, da drei mögliche Kontaktfälle bei einer Konusverbindung vorliegen können. Diese sind in Abb. 3 schematisch dargestellt. Dabei geht aus der Literatur hervor, dass der distale Kontaktfall im Hinblick auf einen geringeren Verschleiß zu bevorzugen ist. In bisherigen Untersuchungen wurde deutlich, dass der Innenkonuswinkel (weiblich) und der Außenkonuswinkel (männlich) voneinander abweichen. Die gemessene Winkeldifferenz betrug ungefähr 0,05° zwischen Innenkonuswinkel und Außenkonuswinkel, sodass der distale Kontaktfall vorliegt. Folge dieser Winkeldifferenz ist eine geringe Kontaktfläche, wodurch der geringfügige Einfluss der Oberflächentopografie auf die Trennkräfte begründet werden kann. Folglich ist die Einhaltung sehr enger Form- und Lagetoleranzen notwendig, um zukünftig eine lastangepasste Schnittstelle zu entwickeln.
In weiteren Untersuchungen am IFW und LBB wird der Einfluss des Festwalzprozesses in zyklischen Langzeitversuchen im Medium unter den größtmöglichen Belastungen betrachtet. Damit kommen wir dem Ziel einer lastangepassten Schnittstelle und dem Verständnis der Versagensmechanismen näher.
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* Die Autoren: M. Sc. Beate Legutko, Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena und Dr.-Ing. Benjamin Bergmann vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover; Prof. Dr.-Ing. Christof Hurschler, Dr. Bastian Welke und M. Sc. Ann-Kathrin Einfeldt vom Labor für Biomechanik und Biomaterialien (LBB) der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
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