France

Sensoren Diamant-Sensoren steuern neurale Exoskelette präziser

Quelle: Pressemitteilung Charité und Fraunhofer IAF

Gelähmte Menschen können durch Gehirn-Computer-Schnittstellen Exoskelette steuern. Im Projekt Neuro Q werden hochsensitive diamantbasierte Quantensensoren entwickelt, die es Gelähmten ermöglichen sollen, neurale Exoskelette präziser zu steuern. Das Verbundprojekt von Fraunhofer IAF, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Universität Stuttgart und Industriepartnern wird vom BMBF gefördert.

Ein Patient testet ein von der Charité entwickeltes Brain-Computer-Interface zur Steuerung einer Exoskelett-Hand.
Ein Patient testet ein von der Charité entwickeltes Brain-Computer-Interface zur Steuerung einer Exoskelett-Hand.
(Bild: AG Klinische Neurotechnologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer-Interfaces, BCIs) ermöglichen die Steuerung eines Gerätes allein mittels Hirnaktivität – so kann etwa ein Exoskelett nur durch die Vorstellung von einer Bewegung gesteuert werden. Damit bieten BCIs gelähmten Menschen die Chance, die Kontrolle über einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit wiederzuerlangen. BCIs, die Hirnaktivität von der Kopfoberfläche messen, haben den Vorteil, dass sie Patienten einen aufwändigen und risikobehafteten chirurgischen Eingriff am Gehirn ersparen. Bereits entwickelte nicht-invasive BCI-Systeme ermöglichen jedoch keine komplexen Handbewegungen. Hierzu müsste die Sensitivität der Sensoren erheblich gesteigert werden.

Dieser Aufgabe hat sich ein Verbund aus Fraunhofer IAF, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Universität Stuttgart und Industriepartnern angenommen und das Projekt Laserschwellen-Magnetometer für neuronale Kommunikationsschnittstellen, kurz Neuro Q, gestartet. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Vorhaben entwickeln die Projektpartner Quantensensoren, die so sensitiv sind, dass sie kleinste Magnetfelder, die durch Hirnströme entstehen, messen können. Diese Quantenmagnetometer sollen in ein BCI-System integriert werden und es damit Gelähmten ermöglichen, ein Hand-Exoskelett deutlich präziser zu steuern als es bislang der Fall ist.

Magnetfelder liefern deutlichere Signale

Die Messung der neuronalen Aktivitäten über Magnetfelder würde erhebliche Vorteile mit sich bringen: „Magnetfelder durchdringen Haut und Schädel unverzerrt und liefern damit wesentlich deutlichere Signale als elektrische Felder, da diese auf dem Weg von der Quelle zum Sensor stark abgeschwächt werden. So hat die Magneto-Enzephalographie (MEG) signifikante Vorteile gegenüber der Elektro-Enzephalographie (EEG), wird jedoch aufgrund technischer Hürden nur selten angewendet“, erklärt Dr. Jan Jeske, Projektleiter von Neuro Q und Forscher am Fraunhofer IAF.

Die technischen Hürden von MEGs liegen an den eingesetzten Sensortechnologien: Squid-Sensoren (Superconducting Quantum Interference Devices) sind hochpräzise, benötigen allerdings eine Tieftemperaturkühlung, was ihren Einsatz extrem teuer und aufwändig macht. Optisch gepumpte Magnetometer (OPMs) auf der Basis von Dampfzellen übertreffen sogar die Sensitivität von Squids, funktionieren jedoch nur im absoluten Nullfeld – das bedeutet, dass für ihren Betrieb jedes Hintergrundmagnetfeld (inklusive Erdmagnetfeld) vollständig abgeschirmt werden muss, was ebenfalls einen enormen bautechnischen Aufwand mit sich bringt.

„Bislang sind keine Magnetometer realisiert worden, die unter Umgebungsbedingungen – also in nicht abgeschirmten Umgebungen – eine Empfindlichkeit erreichen, die für den Nachweis neuromagnetischer Felder geeignet wäre. Das Vorhaben von Neuro Q übertrifft den Stand der Technik erheblich“, fasst Prof. Dr. Jörg Wrachtrup, Leiter des 3. Physikalischen Instituts an der Universität Stuttgart, zusammen.

Diamantbasierter Sensor erlaubt Einsatz in Alltagsumgebung

Die im Projekt Neuro Q zu entwickelnden Quantenmagnetometer basieren auf NV-Zentren (nitrogen-vacancy center) in Diamant. Diamant-Quantenmagnetometer sind die einzigen hochsensitiven Magnetometer, die bei Raum- bzw. Körpertemperatur funktionieren. Sie messen auch in Anwesenheit eines Hintergrundmagnetfelds und können die genaue Richtung eines Magnetfeldes (d. h. alle drei Komponenten des Vektors) bestimmen. Zudem sind sie biokompatibel und können nah an die Quelle herangebracht werden, was wiederum stärkere Signale ermöglicht. Das alles führt dazu, dass Diamant-Quantenmagnetometer perspektivisch in Kliniken, Praxen, einer Reha-Umgebung, aber auch zu Hause und im Alltag eingesetzt werden könnten.

Da die bislang entwickelten Diamant-Magnetometer die geforderte Empfindlichkeit noch nicht erreichen, sollen im Rahmen von Neuro Q zunächst neue hochsensitive Quantenmagnetometer auf Basis eines neuartigen NV-Diamant-Lasers realisiert werden. Das Messystem wird anschließend mit der benötigten Kommunikationsschnittstelle zu einem BCI-System entwickelt und zur Demonstration, Auswertung und Weiterentwicklung im klinischen Umfeld an der Charité in Berlin eingesetzt.

Projekt wird mit neun Millionen Euro gefördert

Die beteiligten Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leisten nicht nur einen Beitrag zur Entwicklung, sondern auch zur anschließenden Verwertung der Technologie und fördern damit den Transfer der Ergebnisse in marktfähige Produkte und Anwendungen.

Das BMBF fördert das fünfjährige Verbundvorhaben mit insgesamt knapp neun Millionen Euro im Rahmen der Maßnahme Leuchtturmprojekte der quantenbasierten Messtechnik zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderung.

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