Formnext / Discover 3D Printing Medical Tipps für die additive Fertigung von Medizinprodukten
Mit mehr als 20 Verfahren bietet die additive Fertigung Herstellern von Medizinprodukten beinahe grenzenlose Möglichkeiten. Welche Besonderheiten mit LMF, SLM etc. verbunden sind und was bei deren Auswahl zu beachten ist, das wurde in einem Seminar Discover 3D Printing Medical an der Universitätsmedizin Mainz erläutert.
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- Medizintechnik führend bei der Nutzung additiver Fertigungsverfahren
- Mit Additive Manufacturing zu besseren Medizinprodukten?
- Vorbereitung für Messebesuch der Formnext
Auf Initiative von Mesago, Veranstalter der Messe Formnext, sind am 8. Oktober mehr als 40 Teilnehmer zu einem halbtägigen Seminar „Discover 3D Printing Medical“ an der Universitätsmedizin Mainz zusammengekommen. Einen ganzen Nachmittag lang informierten sie sich über Grundlagegen der additiven Fertigung und deren Einsatzmöglichkeiten in der Medizin und Medizintechnik.
Mediziner sind aufgeschlossen für 3D-Druck
Dafür hatte die Hauptrednerin Lea Eilert, Projektmanagerin am ACAM Aachen Center for Additive Manufacturing einen aufmunternden Einstieg definiert: „Mit dem Trend zur Individualisierung ist Medical ein sehr attraktiver Markt für additive Fertigungsverfahren, der heute schon ein gutes Viertel aller AM-Anwendungen ausmacht, wenn man die Dentaltechnik einschließt.“
Dem kann Prof. Bilal Al-Nawas, gleichermaßen Mediziner wie Zahnmediziner und als Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie plastische Operationen an der Universitätsmedizin Mainz auch Gastgeber des Seminars, nur zustimmen: „Mediziner sind sehr aufgeschlossen für 3D-Druck. Die bessere Planung mit gedruckten Modellen verlagert wertvolle Zeit aus dem Operationssaal ins Labor.“ Zudem gäbe es damit auch ganz neue Möglichkeiten, Patienten komplexe Eingriffe visuell zu erläutern.
Vorteile und Nachteile additiver Fertigung
Für Hersteller von Medizinprodukten bringt Eilert zunächst noch einmal die besonderen Vorteile der additiven Fertigung auf den Punkt:
- große Fertigungsflexibilität
- Energiequelle ist als „Bearbeitungswerkzeug“ frei von Verschleiß
- patientenspezifische Erzeugung von Teilegeometrien auf Basis von Daten aus der medizinischen Bildgebung
- nahezu völlige Freiheit beim Design
Doch bei aller Begeisterung fürs Thema verschweigt Eilert den Teilnehmern auch nicht die verfahrensbedingten Nachteile der additiven Fertigung:
- aufwändige pre- und post-operative Prozesse
- keine Kostenreduktion bei Skalierung in die Serienfertigung
- begrenzte Materialauswahl
- eingeschränkte Oberflächenqualität, d.h. häufig Nachbearbeitung erforderlich
- begrenzte Baugröße
„Viele Materialien befinden sich noch in der Entwicklung“, so Eilert. Bereits im Einsatz in der Medizin seien vor allem Metalle und Polymere. Keramik und andere Materialien spielen derzeit noch eine eher untergeordnete Rolle, eignen sich aber grundsätzlich ebenfalls für die additive Verarbeitung.
Schwierig für (potenzielle) Anwender sei es, den Überblick über die aktuell mehr als gängigen 20 Verfahren zu gewinnen. „Für den 3D-Druck von Metall mittels Laser Powder Bed Fusion (L-PBF) verwenden beispielsweise Anlagenhersteller wie GE Additive/Concept Laser mit SLM (Selective Laser Melting) oder Trumpf mit LMF (Laser Metal Fusion) andere Bezeichnungen, die aber letztliche alle auf demselben Verfahren basieren“, erklärt Eilert. Dass in älteren Veröffentlichungen häufig gegenüber heute abweichende Begrifflichkeiten verwendet werden, macht es Anwendern nicht gerade einfacher, sich zu informieren.
Teilnehmer fragen, Eilert antwortet
Umso wichtiger erscheint ein Grundlagenseminar wie Discover 3D Printing Medical, zumal Eilert hier Fragen der Teilnehmer direkt beantwortet, zum Beispiel:
- Teilnehmerfrage: „Warum braucht es überhaupt Stützstrukturen, trägt nicht auch das Pulver?“ Antwort Eilert: „Das ist abhängig vom Winkel. Kleiner 30° wird auf jeden Fall eine Stützstruktur benötigt.“
- Teilnehmerfrage: „Wie groß ist die Schichtdicke?“ Antwort Eilert: „Das kommt aufs Verfahren an. Bei Pulver beträgt sie zwischen 30 und 50 µm „
- Teilnehmerfrage: „Wird die Oberflächenqualität besser, wenn feineres Pulver eingesetzt wird?“ Antwort Eilert: „Nein. Wesentlicher Faktor für die Oberfläche ist die Schichtdicke. Das wird leicht verständlich, wenn man sich ein Treppenstufenmodell vorstellt. Letztlich stehen Anwender hier vor einer Optimierungsfrage: schneller aufbauen oder länger nachbearbeiten?“
Nach diesem praxisorientierten Muster werden die Teilnehmer weiter durch die Welt des Additive Manufacturing geleitet. Neben den wichtigsten Pulverbettverfahren, stellt Eilert auch das polymere Sintern sowie das das Metall-Auftragsschweißen vor, ehe sie schließlich die Stereolithographie erläutert. Schon lange bevor die additive Fertigung mit „3D-Druck“ einen nicht ganz korrekten, aber massenmarkt-tauglichen Namen bekommen hat, wurden damit flüssige Ausgangsmaterialien über Licht ausgehärtet – und das ist auch heute noch so.
Sechs Klassen additiver Fertigung
Aktuell fasst Eilert die additive Fertigung in sechs Klassen zusammen:
- Powder Bed Fusion
- Directed Energy Desposition (verbreiteter ist allerdings die Bezeichnung Laser Metal Deposition)
- Material Extrusing
- Binder Jetting
- Sheet Lamination
- Material Jetting
Das passende Verfahren auswählen
Welches Verfahren letztlich das am besten geeignete ist, darauf kann auch Eilert keine universelle Antwort geben. Sie empfiehlt vielmehr, bei der Auswahl ausgehend vom Teil Fragen nach Material, Kosten und Zeit zu beantworten. „Die optimale Auswahl erfolgt anwendungsspezifisch. Charakteristika des Verfahrens müssen zur Anwendung passen.“ Für Anwender bedeute das, Punkt für Punkt von der Bauteilgröße und Winkelabhängigkeit über die Oberflächenqualität bis zum Aufwand für das Post Processing einen individuellen Anforderungskatalog zu definieren.
Größte Herausforderung sei dabei das Design: „Hier müssen Konstrukteure im Zweifel komplett anders denken als konventionell.“ Wie so etwas dann im Detail aussieht, zeigt Eilert den Teilnehmern an vielen Anschauungsmodellen, die sie zum Seminar mitgebracht hat. So lässt sich Additive Manufacturing im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, wovon die Seminarteilnehmer regen Gebrauch machen.
Fazit und Ausblick
Fazit: Die additive Fertigung hat ein großes Potenzial für Einsätze in der Medizin bzw. Medizintechnik. Aber bis es tatsächlich menschliche Ersatzteile auf Knopfdruck gibt, wie es in den Medien zum Teil versprochen wird, ist es noch ein weiter Weg. Bis dahin erwartet Eilert:
- Die Verfahrenskosten werden deutlich sinken, was unter anderem stark mit neuen Herstellungsverfahren für Pulver zusammenhängt
- Die Maschinenkosten werden ebenfalls sinken
- Die Prozesse werden schneller
Jedoch bedeutet additive Fertigung nicht per se, bessere Produkte herzustellen, zumal entsprechende Anlagen nicht direkt nach der Aufstellung perfekt funktionieren, sondern kalibriert werden müssen. Zudem sind einige spezielle Maßnahmen zu beachten. „Bediener von Pulveranlagen müssen Ganzkörperschutzanzüge und Atemschutzmasken mit speziellem Filter entsprechend Material und Partikelgröße tragen. Ersatzfilter sind zu bevorraten“, hat Eilert auch hier praktische Hinweise parat.
Ganz wichtig ist zudem, die Supply Chain zu beherrschen. Dies umso mehr, da es noch keine Standards gibt, sodass es in der Verantwortung der Betreiber liegt, Lieferanten zu qualifizieren. „Und natürlich“, so Eilert, „sind neben der Technik auch von Beginn an Fragen der Regulierung und Erstattung zu bedenken.“
AM live erleben auf der Formnext und im 3D Lab
Ausgestattet mit diesen Perspektiven und Handlungsempfehlungen sollten die Seminarteilnehmer gut vorbereitet sein für einen Besuch der Messe Formnext – Weltleitmesse für Additive Manufacturing und die nächste Generation der intelligenten industriellen Produktion, die vom 19. bis 22. November in Frankfurt am Main stattfindet. Zur Messe
Doch noch vor dem Besuch der Messe hat Prof. Al-Nawas für die Seminarteilnehmer die Türen seines 3D-Labs geöffnet. Seit gut fünf Jahren betreibt er dort zwei Anlagen für die Verarbeitung von Kunststoffen, um Schnittschablonen für komplexe gesichtschirurgische Eingriffe zu erstellen. Eine Arbeit, die vor allem junge Kollegen begeistere.
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