Grundlagenwissen Additive Fertigung von Medizinprodukten: Chancen und Handlungsfelder
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Die additive Fertigung verändert auch die Herstellung von Medizinprodukten. Wer sich mit deren Grundlagen vertraut macht, ist in der Lage, die passenden Verfahren, Materialien und Anbieter auszuwählen.

Wie kaum eine andere Technologie verändert die additive Fertigung – häufig auch mit dem englischen Synonym Additive Manufacturing benannt – seit geraumer Zeit branchenübergreifend ganze Industriezweige. Ein Ende ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: Der additiven Fertigung wird eine vielversprechende Zukunft bescheinigt – auch in der Medizin und Medizintechnik.
Das war nicht immer so. Der Siegeszug der additiven Fertigung seit der Erfindung der Stereolithographie durch den 3D-Systems-Mitgründer Charles W. („Chuck“) Hull 1984 ließ erstaunlich lange auf sich warten. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Die wichtigsten sind:
- Gestaltungsfreiheit: Mit nahezu allen additiven Verfahren können komplexe Geometrien gefertigt werden. Eine Vielzahl von Restriktionen, denen Designer bei klassischen Fertigungsverfahren unterliegen, wird aufgehoben. So sind zum Beispiel Hinterschnitte, Hohlräume und große Überhänge ohne Probleme möglich. Auch Kanäle, die mehrfach ihre Richtung ändern, lassen sich additiv fertigen.
- Individualisierung: Additive Fertigungsverfahren machen Schluss mit uniformen Einheitsprodukten aus der Massenfertigung. Patientenspezifische Lösungen oder individuell nach den Wünschen von Chirurgen hergestellte Instrumente sind mit wenig Aufwand realisierbar.
- Geschwindigkeit: Ganz gleich, ob es um die Herstellung von Objekten mit komplexen Geometrien oder um relativ einfache Produkte geht – additive Fertigungsprozesse sind innerhalb von wenigen Stunden abgeschlossen. Eine Vielzahl von Prozessschritten klassischer Fertigungsverfahren, die nicht selten Tage oder Wochen in Anspruch nehmen, wird schlichtweg nicht mehr benötigt. Auch Korrekturen oder kurzfristige Designänderungen sind unschlagbar schnell möglich.
- Kostenersparnis: Schon die kürzere Produktionszeit additiver Fertigungsverfahren verringert in der Regel spürbar die Entwicklungs- und Produktionskosten. Hinzu kommt, dass weder Werkzeuge (beim Druck- und Spritzguss) noch CAM-Programme (bei der Zerspanung) erforderlich sind.
Zukunftsforscher erklärt, warum der 3D-Druck die Märkte erobert
3D-Druck ist nicht gleich additive Fertigung
Waren es die mitunter sperrigen Begriffe, die eine frühere Verbreitung verhindert haben? Erst Stereolithografie, dann häufig generative Fertigung und heute additive Fertigung sind nun mal weitaus weniger populär als 3D-Druck. Insofern überrascht es nicht, dass der Siegeszug der additiven Fertigung auch mit der Verbreitung des 3D-Drucks zusammenfällt. Aber: 3D-Druck ist kein Synonym für additive Fertigung. Er ist lediglich eines von über 20 verschiedenen additiven Fertigungsverfahren. Oder anders gesagt: Additive Manufacturing ist mehr als 3D-Druck. Die vielen Verfahren lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen.
Lange Zeit war von Rapid-Technologien die Rede, diese werden unterschieden nach der Art der Anwendung:
- Rapid Prototyping: Übersetzt ins Deutsche bedeutet Rapid Prototyping so viel wie „schneller Bau eines Modells“. Ziel ist es, schon in einer frühen Entwicklungsphase physikalische Anschauungsobjekte herzustellen, um Bauteile im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Fehler und Schwächen können so erkannt und behoben, die Haptik überprüft werden, bevor teure Serienprozesse in Gang gesetzt sind.
- Rapid Tooling: Übersetzt ins Deutsche bedeutet Rapid Tooling so viel wie „schneller Werkzeugbau“. Als indirektes Produktionsverfahren werden additiv Kleinserienwerkzeuge für den Spritzguss und Metallguss hergestellt. Dabei zählen neben enormer Zeitersparnis vor allem verfahrenstechnische Vorteile wie das Anbringen konturnaher Kühlkanäle als Vorteile.
- Rapid Manufacturing: Übersetzt ins Deutsche bedeutet Rapid Manufacturing so viel wie „schnelle Fertigung“. Anders als beim Rapid Prototyping geht es dabei um die additive Fertigung von Endprodukten oder Komponenten als Unikate oder Kleinserien. In der Medizintechnik entstehen so beispielsweise Dentalbrücken oder Knochenimplantate
Doch mit Aufkommen des schlagzeilenträchtigen Begriffes 3D-Druck werden diese Rapid-Begrifflichkeiten immer seltener gebraucht. Das führt zu der Frage: Was ist 3D-Druck? Wikipedia schreibt dazu: „Der 3D-Druck (auch 3-D-Druck) ist ein Verfahren, bei dem Material Schicht für Schicht aufgetragen wird und so dreidimensionale Gegenstände (Werkstücke) erzeugt werden. Dabei erfolgt der schichtweise Aufbau computergesteuert aus einem oder mehreren flüssigen oder festen Werkstoffen nach vorgegebenen Maßen und Formen. Beim Aufbau finden physikalische oder chemische Härtungs- oder Schmelzprozesse statt. Typische Werkstoffe für das 3D-Drucken sind Kunststoffe, Kunstharze, Keramiken und Metalle. Inzwischen wurden auch Carbon- und Graphitmaterialien für den 3D-Druck von Teilen aus Kohlenstoff entwickelt.“
Verfahren und Werkstoffe
Weit verbreitet ist die Einteilung additiver Fertigungsverfahren nach dem Zustand des zugeführten Materials. Die wichtigsten Verfahren sind:
- Pulver: Bei Pulverbettverfahren wird das Rohmaterial in Form von Pulver zugeführt und Schicht für Schicht ausgehärtet. Bevorzugte Verfahren sind das selektive Lasersintern (Selective Laser Sintering, SLS), das selektive Laserschmelzen (Selective Laser Melting, SLM) und das Selective Electron Beam Melting (SEBM). Pulverbettverfahren werden vor allem dann eingesetzt, wenn es auf höchste Freiheit bei der Bauteilgeometrie ankommt. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden beziffert die Formgenauigkeit der Rohbauteile abhängig vom verwendeten Prozess auf 0,1 bis 1,0 mm. Das Werkstoffspektrum reicht von Stählen über Nickel- und Kobalt-Legierungen über Titan-Leichtbauwerkstoffe bis zu Hartmetallen und Keramik
- Draht: Als Alternative zu Pulverbettverfahren hat sich seit etwa 2015 das drahtbasierte Laserauftragschweißen als materialeffiziente Alternative der additiven Fertigung etabliert. Bei Wire-based Laser Metal Deposition (LMD-W) wird Draht mittels Laser aufgeschmolzen und schichtweise gezielt aufgebaut. Da das zugeführte Material zu 100 Prozent genutzt wird, ist diese Variante besonders kostengünstig.
- Flüssig / pastös: Bei der Stereolithografie (SLA) befindet sich das Werkstück in einem Flüssigbad aus Photopolymer, in das es nach und nach tiefer abgesenkt wird. Ein Laser fährt bei jedem Schritt über den Ausgangsstoff, um die gewünschte Form zu schaffen. Die Stereolithografie wurde bereits 1983 erfunden und ist damit das Verfahren, für das es die größte Erfahrung gibt. Die Stereolithografie erzeugt sehr filigrane Strukturen mit glatten Oberflächen und ist als äußerst präzises Verfahren bekannt. Seit einigen Jahren wird die Stereolithografie durch das Schmelzschichtungsverfahren (Fused Deposition Modeling, FDM) ergänzt, bei dem aus schmelzfähigen Kunststoffen schichtweise Bauteile hergestellt werden. Besonderer Vorteil für die Anwender ist hierbei, dass sie ihre etablierten – und im Falle von Medizinprodukten zertifizierten und zugelassenen – Werkstoffe einsetzen können, die sie auch für das Kunststoffspritzgießen verwenden. Mittels Polygrafie sind auch Materialkombinationen möglich, zum Beispiel aus hartem Elastomer und weichem Silikon.
Für viele Anwender ist indes eine Einteilung nach den verarbeiteten Werkstoffen hilfreich. Die am meisten verarbeiteten Materialien sind Kunststoffe und Keramik.
- Kunststoffe, z. B. gewöhnliche Thermoplaste (vor allem ABS, PA und PLA), aber auch Hochleistungskunststoffe wie PEEK und transparente Kunststoffe wie PMMA und in jüngster Zeit auch vermehrt Silikone sowie verschiedene Materialkombinationen
- Metalle, z. B. Aluminium AlSi10Mg für Leichtbauteile, Stahl 1.2709 und 1.4404 für Werkzeuge, Titan Ti6Al4V für biokompatible Medizinprodukte
Die Materialeigenschaften von Glas und Keramik bringen besondere Vorteile, die sich beispielsweise im Falle von Glas Unternehmen der optischen Industrie und Biotechnologie sowie im Falle von Keramik die Hersteller von bionischen Präzisionsbauteilen zu Nutze machen. „Deutschlandweit einzigartig – Keramik aus dem 3D-Drucker“
Hinzu kommen Verfahren, wie die „Bound Metal Deposition“-Technologie (BMD) als neues Verfahren für 3D-Metalldruck. Entwickelt in den USA, aber in Europa noch weitestgehend unbekannt, versprechen die Anbieter komplexe Bauteile aus Stahl, Edelstahl, Kupfer und weiteren Legierungen noch schneller und kostengünstiger herzustellen als mit anderen additiven Technologien.
Nicht minder interessant ist die Kombination verschiedener Werkstoffe. So ist es mit Polyjet-3D-Druckern beispielsweise möglich, Prototypen herzustellen, die grundsätzlich hart, aber in bestimmten Bereichen weich sind. Die Kombination elastomerer Eigenschaften mit denen von Silikon ist insbesondere für Hersteller von Medizinprodukten eine ideale Ergänzung. Entwickler entsprechender 2K-Spritzgussteile können sich so von den haptischen Eigenschaften ihrer Produkte überzeugen, ohne in teure Werkzeuge investieren zu müssen.
Bereits weit verbreitet sind unterdessen hybride Verfahren, die additive Verfahren mit klassischen Fertigungsverfahren kombinieren. Der Schichtaufbau und die spanende Bearbeitung in einer Aufspannung und auf einer Maschine vereint die Vorteile beider Verfahren: die Gestaltungsfreiheit additiv gefertigter Bauteile und die Präzision des Drehens und Fräsens oder anderer abtragender – also subtraktiver – Fertigungsverfahren, um Funktionsflächen mit der geforderten Genauigkeit und Oberflächengüte zu erzeugen.
Etabliert und als Innovationstreiber weit verbreitet ist inzwischen auch die Herstellung gedruckter Elektronik – gerade in medizinischen Produkten wie Wearables. „Die Kommerzialisierung von gedruckter Elektronik erfasst den Healthcare-Sektor“, konstatierte dazu Dr. Ton van Mol, Technical Chair des Lopec-Kongresses 2017 für gedruckte Elektronik. Entscheidend hierfür war sicher die Entwicklung von elektrisch leitfähigen und zugleich dehnbaren Materialien.
Additive Fertigung in der Medizin und Medizintechnik
Ohnehin ist die Medizin bzw. die additive Fertigung von Medizintechnik und Medizinprodukten eines der spektakulärsten Einsatzgebiete für die additive Fertigung. Unter dem Stichwort personalisierte Medizin werden immer häufiger Knochen- und Gelenkimplantate sowie Prothesen nach der individuellen Anatomie von Patienten additiv gefertigt. Schon 2013 startete beispielsweise Siemens mit „Image to Implant“ ein Projekt, das die gesamte Prozesskette der additiven Fertigung von der Computertomographie über die CAD/CAM-gerechte Datenaufbereitung und Erzeugung von STL-Daten bis zum individuellen Implantat mit einer durchgängigen Datenkette beschreibt. Denn die ununterbrochene Datenkette erlaubt Quantensprünge in der Durchlaufzeit. In dem Projekt wurde die Fertigungszeit für patientenspezifische Schnittblöcke von vier Tagen auf gerade mal eine Stunde reduziert.
Für Schlagzeilen sorgen immer wieder auch Meldungen über Bastler, die mit einfachsten Mitteln Prothesen drucken, um einzelne Gliedmaßen oder auch ganze Hände zu ersetzen. Daran zeigt sich, was technologisch heute alles möglich ist. Allerdings setzen die strengen Regularien für Medizinprodukte diesem Treiben Grenzen, wenn es darum geht, Prothesen kommerziell zu drucken statt für den Eigenbedarf.
Große Aufmerksamkeit erfährt unterdessen der 3D-Druck von Organen. Nicht nur in der einschlägigen Fachliteratur, sondern v. a. auch in der überregionalen Publikumspresse gerne als Bioprinting betitelt. Das Schlagwort vom gedruckten Menschen macht seit Jahren die Runde. Dabei ist festzustellen: Grundsätzlich ist es heute bereits möglich, beispielsweise Haut mittels 3D-Drucker herzustellen, aber viele dieser Prozesse befinden sich noch im Versuchsstadium. Bis die Probleme für den Einsatz in der Praxis gelöst sind, dürften noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vergehen.
Doch nicht immer kommen additiv gefertigte Medizinprodukte auch tatsächlich im oder am Menschen zum Einsatz. Mindestens ebenso weit verbreitet ist die Herstellung von Schnittschablonen und Übungsmodellen. Mit deren Hilfe können Chirurgen die Präzision ihrer Eingriffe steigern bzw. vor der eigentlichen Operation an lebensechten Kopien den Ablauf der Intervention trainieren – und das bei Bedarf immer wieder, bis die beste Strategie gefunden ist, ohne Patienten damit zu belasten. Die Operationsplanung wird so entscheidend verbessert.
Neben der Humanmedizin ist die additive Fertigung auch längst in der Veterinärmedizin angekommen. Ende des vergangenen Jahres machte die Rettung eines Hundes in Kanada mittels 3D-Metalldruck Schlagzeilen. „3D-Druck in der Veterinärchirurgie – die Rettung eines Familienmitglieds“ titelte seinerzeit Devicemed.
Als Vorreiter in Sachen additive Fertigung von Medizinprodukten darf zweifelsfrei die Dentaltechnik bezeichnet werden. Unabhängig davon, ob es um die Herstellung von Brücken, Kronen oder auch ganzer Prothesen geht, steigern Zahnlabore und andere Fertigungsdienstleister damit schon seit Jahren ihre Effizienz. Weit verbreitet für die additive Fertigung von Dentalprodukten ist das Metall-Laserschmelzverfahren. Vor allem Kobalt-Chrom- sowie Titan- und Edelmetalllegierungen werden hier verarbeitet.
Immer häufiger stehen entsprechende Anlagen inzwischen direkt in den Laboren der Zahnärzte. Aufgrund der Usability sind diese inzwischen in der Lage, Unikate von hoher Qualität selbst zu fertigen. Über Nacht entsteht so absolut passgenauer Zahnersatz. Quasi über Nacht wird aber auch das Geschäftsmodell klassischer Zahnlabore infrage gestellt. Das ist ein Beispiel dafür, wie die additive Fertigung etablierte Strukturen signifikant verändert.
Fachmessen und Kongresse
Wer sich über das aktuelle Angebot an Anlagen, Materialien und Dienstleistern zur additiven Fertigung informieren möchte, der kann heute zwischen vielen verschiedenen Fachmessen und Kongressen wählen. Deren Anzahl wächst fast genauso schnell wie ein Bauteil im 3D-Drucker. Die wichtigsten Events im deutschsprachigen Raum sind:
- Rapid.Tech 3D: Die erste Fachmesse findet schon seit 2004 jährlich in Erfurt statt. Besonderes Merkmal sind ein starker begleitender Kongress und viele spezielle Fachforen für unterschiedlichste Zielgruppen, so z. B. das Forum Medizin-, Zahn- und Orthopädietechnik.
- Experience Additive Manufacturing (EAM): Bei der EAM in Augsburg verspricht der Veranstalter mit einem so genannten Multi-Location-Konzept ein neues Event-Format mit additiver Fertigung als zentraler Produktionstechnologie zu inszenieren. Unterstützung erfährt die Messe Augsburg dabei durch das Fraunhofer-Institut und die Technische Universität München.
- Formnext: Die internationale Fachmesse für additive Fertigungstechnologien in Frankfurt ist der Shootingstar unter den Fachmessen. Besonderes Kennzeichen ist die Einbindung innovativer additiver Fertigungsverfahren in bestehende industrielle Prozessketten.
- Additive Manufacturing Expo (AMX): Einzige Fachmesse für professionellen 3D-Druck in der Schweiz ist die AMX. Mit rund 100 nationalen und internationalen Ausstellern aus den Bereichen Auftragsfertigung, Engineering, Software, Maschinen und Materialien ist die gesamte Wertschöpfungskette vertreten.
Hier treffen Messebesucher und Kongressteilnehmer auf eine wachsende Schar von Anbietern und Dienstleistern additiver Technologien. Pioniere wie 3D-Systems, dessen Mitgründer Charles W. („Chuck“) Hull als Erfinder der Stereolithografie gilt und der heute mehr als 100 US-, Europa- und Japan-Patente hält, oder Stratasys, dessen Gründer Scott Crump als Erfinder der Fused Deposition Modelings (FDM) gilt, einem Schmelzschichtungsverfahrens, das heute in 90 Prozent der 3D-Drucker weltweit zum Einsatz kommt, sind hier ebenso anzutreffen wie innovative Start-ups und Quereinsteiger aus anderen Branchen.
Hersteller und Anbieter additiver Fertigung
Die wichtigsten Hersteller von 3D-Druckern weltweit nach ihrem Umsatz im Jahr 2016 sind laut Statista:
- 1. Stratasys (USA), 427 Mio. US-Dollar
- 2. EOS (D), 210 Mio. US-Dollar
- 3. 3D-Systems (USA), 144 Mio. US-Dollar
- 4. SLM Solutions (D), 76 Mio. US-Dollar
- 5. Concept Laser (D) / GE (USA), 44 Mio. US-Dollar
Als Zukunftstechnologie für nahezu alle Branchen von A wie Automotive bis Z wie Zahnmedizin hat die additive Fertigung neben ihren Pionieren längst auch zahlreiche Akteure anderer Branchen auf den Plan gerufen, darunter auffallend viele Marktführer. Quasi als Quereinsteiger sind sie heute mit eigenen Angeboten und Lösungen auf dem Markt vertreten:
- Arburg, Spritzgießmaschinenhersteller: Freeformer zum Kunststoff-Freiformen (AKF) mit kleinsten Kunststofftropfen als Grundlage für flexible Einstellmöglichkeiten
- DMG,Werkzeugmaschinenhersteller (Zerspanung): Lasertec-Serie zur hybriden Komplettbearbeitung aus Laserauftragschweißen mittels Pulverdüse (Laser Metal Deposition) bzw. zum selektiven Laserschmelzen im Pulverbett Selective Laser Melting (SLM) und Fräsen auf einer Maschine
- GE, Multi-Technologie-Konzern: spektakuläre 75-Prozent-Übernahme der deutschen Concept Laser AG, Lichtenfels, für rund 550 Mio. Euro und damit Einstieg in den 3D-Druck von Metallbauteilen
- Hermle, Werkzeugmaschinenhersteller (Zerspanung): MPA-Technologie (Metall-Pulver-Auftrag) als thermisches Spritzverfahren, bei dem Metallpulver schichtweise zu soliden Festkörpern kompaktiert werden
- HP, Drucker: Jet Fusion als Industriegerät für Kleinserien und mehr, nicht für Prototypen
- Matsuura, Werkzeugmaschinenhersteller (Zerspanung): Lumex-Hybridanlagen vereinen das selektive Lasersintern (SLS) und das High Speed Milling (HSM).
- Trumpf, Werkzeugmaschinenhersteller (Blechbearbeitung): Baureihe Tru Print zum pulverbettbasierten Laserschmelzen (Laser Metal Fusion, LMF) und Baureihe Tru Laser Cell bzw. Tru Laser Weld zum Laserauftragschweißen (Laser Metal Deposition, LMD)
Darüber hinaus treiben weitere Handlungsfelder die Anbieter und Anwender additiver Technologien an. Davon betroffen sind sowohl Prä- wie Postprozesse:
- 3D-Druck-gerechte Konstruktion
- Nachbearbeitung
- Qualitätssicherung
- Qualifikation, Ausbildung
Es entstehen gerade zuhauf neue Jobs in der Konstruktion und Fertigung. Doch es mangelt an einer qualifizierten Ausbildung. Für viele Pioniere auf dem Gebiet der additiven Fertigung heißt das „learning by doing“. So müssen sich beispielsweise Konstrukteure von Spritzgießteilen oder spanend hergestellten Metallteilen von jahrzehntelang zu beachtenden Restriktionen hinsichtlich der Fertigung lösen und rein funktionsorientiert konstruieren. Und an additiven Fertigungsanlagen versuchen sich Zerspanungstechniker, Verfahrensmechaniker etc., in die Besonderheiten des schichtweisen Materialaufbaus einzuarbeiten.
Studiengänge und Weiterbildungsmöglichkeiten
Immerhin: Seitens der Hochschulen ist der Bedarf an qualifizierten Ingenieuren inzwischen erkannt:
- Die Hochschule Schmalkalden bietet seit dem Sommersemester 2017 in Kooperation mit dem VDWF, dem Institut für werkzeuglose Fertigung (IwF) der FH Aachen und dem Lehrstuhl für Fertigungstechnik der Universität Duisburg-Essen ein Studium für Additive Verfahren/Rapid-Technologien an.
- Das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Fakultät für Maschinenwesen an der Technischen Universität München (TUM) betreibt schon seit einigen Jahren eine Abteilung Additive Fertigung.
- Seit dem Wintersemester 2015/16 bietet die Technische Universität Darmstadt eine Ringvorlesung „Einführung 3D-Druck und Additive Fertigung“.
- An der Universität Kassel vermittelt der FB 15 – Institut für Werkstofftechnik / Metallische Werkstoffe in einer Lehrveranstaltung die Grundlagen der additiven Fertigung.
Außerdem gibt es seit 2017 einen Zertifikatslehrgang „Fachingenieur Additive Fertigung VDI“. Die Pflichtmodule dieser Zusatzqualifikation legen die Basis für Tätigkeiten im Bereich der additiven Fertigung. Teilnehmer lernen die verschiedenen Verfahren, Materialien und Prozessketten kennen. Dabei sind neben technischen auch wirtschaftliche, rechtliche und soziale Aspekte Teil dieser Weiterbildung.
Rechtlicher Rahmen
Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld betrifft die rechtlichen Aspekte: Wer haftet beispielsweise, wenn Anwender Ersatzteile mit den Daten der Originalhersteller selbst nachdrucken? Weiterer rechtlicher Aspekt: Wie sieht die rechtliche Situation in Bezug auf 3D-Daten bei der Auslagerung der additiven Fertigung an Dienstleister aus? Entscheidend ist, zu klären, wem, wann, welche Daten beim 3D-Druck gehören. Immerhin hat der DIN-Normenausschuss Werkstofftechnologie (NWT) mit der DIN EN ISO/ASTM 52900 „Additive Fertigung – Grundlagen – Terminologie“ „Begriffe, die bei den additiven Fertigungstechnologien (AM, englisch: Additive Manufacturing) verwendet werden, welche das additive Formgebungsprinzip anwenden und dadurch, mittels sukzessiver Materialzugabe, physische dreidimensionale (3-D-)Geometrien aufbauen.“, veröffentlicht. Als Leitfaden versteht sich die DIN SPEC 17071 „Additive Fertigung – Anforderungen an qualitätsgesicherte Prozesse für additive Fertigungszentren“. Diese „legt Anforderungen fest an Fertigungszentren, in denen additive Fertigungsverfahren zum Einsatz kommen (im Folgenden als additive Fertigungszentren bezeichnet), die unabhängig vom eingesetzten Werkstoff und Fertigungsverfahren sind.“
Auch im größten Ingenieurs-Netzwerk der Welt ist die additive Fertigung natürlich schon seit vielen Jahren ein Thema, an dem eifrig gearbeitet wird. Regelmäßig erarbeitet der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hierzu Richtlinien: VDI veröffentlicht neue Richtlinien für Additive Fertigung. Herausgeber der VDI- Richtlinien 3405 ist die VDI-Gesellschaft Produktion und Logistik (GPL).
Fazit: Der Wandel additiver Technologien vom Tool fürs Rapid Prototyping hin zur industriellen Kleinserien- und Einzelteilfertigung ist in vollem Gange, doch es gibt noch einige Handlungsfelder abzuarbeiten.
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Grundlagenwissen
3D-Druck in der Medizin: Definitionen, Anwendungen, Materialien und Maschinen
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