Fertigungsindustrie Mensch-Roboter-Teams machen Produktion flexibel
Um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Fertigungsindustrie ihre Produktionsprozesse flexibel gestalten und die Prozesskosten senken. Die Robotik hat hier eine wichtige Unterstützungsfunktion. Auch in der Industrie ist dabei die Nachfrage nach Servicerobotern und MRK-Anwendungen gestiegen, wobei der Fokus zunehmend auf dem konkreten Arbeitsprozess liegt.
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Traditionelle Roboter werden zunehmend durch kooperierende, mobile und Doppelarmroboter ersetzt. Durch den Einsatz und die Integration von Sensorik und durch eine leistungsfähige Bildverarbeitung entstehen neue Funktionalitäten. Und durch die verstärkte Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten werden Prozesse neu gestaltet und optimiert, sodass eine intelligente Produktion möglich wird. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der kollaborierende Roboter. Während herkömmliche Roboter die menschliche Arbeitskraft beispielsweise bei schweren oder ergonomisch schwierigen Tätigkeiten ersetzen, haben kollaborative Roboter eine andere Funktion. Sie arbeiten Seite an Seite mit Menschen und ergänzen so die menschlichen Arbeitsplätze.
Ob Automobilindustrie, Luftfahrt oder industrielle Teilefertigung – Beispiele für die gelungene Kooperation von Mensch und Roboter gibt es viele. „Auf der Automatica werden wir einen LBRiiwa-Roboter mit einem Griff-in-die-Kiste-System vorstellen. Dieses System kann zum Beispiel zum einfachen Beladen von Werkzeugmaschinen oder zum Anreichen von Teilen eingesetzt werden. Es arbeitet ohne Schutzzaun und ist damit sehr schnell installierbar“, gibt Dr. Peter Heiligensetzer, Geschäftsführer der MRK-Systeme GmbH, einen Ausblick auf die Messe.
MRK gewährleistet Arbeitsschutz
Ganz bewusst wird das sogenannte Part4you-System auf dem Stand der Berufsgenossenschaft Holz und Metall präsentiert, denn es verdeutlicht, dass mit dieser MRK-Anwendung auch ohne Schutzzaun geltende Sicherheitsregeln und Arbeitsschutzrichtlinien umgesetzt wurden.
Mit YuMi, einem kollaborativen Zweiarmroboter, hat ABB beim Thema kollaborative Robotik bereits 2015 einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Der Roboter wurde speziell für die Kleinteilmontage in der Elektronikindustrie entwickelt. Heute zeigt eine Vielzahl von verschiedenen Anwendungen die Bedeutung dieses Themas für die Industrie. Neben verschiedenen Konzepten zur Zusammenarbeit von Mensch und Roboter und der nahtlosen Integration in das Gesamtökosystem, das Internet of Things, Services and People (IoTSP), wird ABB auf der Automatica eine Vielzahl von Entwicklungen für unterschiedlichste Anwendungen präsentieren.
Doch wie gelingt es, Anwendungen mit Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) so einfach wie möglich und branchenübergreifend in der Produktion zu integrieren? Rainer Benz, Lead Division Manager der Division Industrieautomation und Antriebe in Deutschland, beschreibt die Herangehensweise seines Unternehmens so: „Simplification oder auch Vereinfachung ist ein wichtiger Baustein, um Robotik und Automatisierung auch für kleine und mittelständische Betriebe attraktiv zu machen. Unser Unternehmen treibt weiterhin intensiv die Entwicklungen voran, um dies für die Robotik gelten zu lassen. Und zwar in allen Phasen des Produktlebenszyklus. Angefangen von der einfachen, intuitiven Programmierung, wie sie beispielsweise bereits bei YuMi oder in unserem Lackierportfolio Wirklichkeit ist, bis hin zu Programmierung, Bedienung und Überwachung des Roboters über ein frei wählbares Bediengerät, wie beispielsweise ein Smartphone, ein Tablet oder einen PC.“
Haupttreiber für das zukünftige Wachstum der roboterbasierten Automatisierung sind aus Sicht von Benz kollaborative Roboter. „Wachstumsprognosen zufolge wird sich der Markt für diese Roboter signifikant und schnell entwickeln. Hier sehen wir großes Potenzial, insbesondere in Asien. Weitere Branchen sind beispielsweise die Spielzeug-, Uhren- und Konsumgüterindustrie. Und zusätzlich bietet der Bereich der professionellen Servicerobotik, speziell in der Logistik, bereits heute viele neue Möglichkeiten“, blickt Benz voraus.
Mobile Roboter helfen flexibel
Fest steht: Die Automatisierungsanwendungen und Prozesse werden immer komplexer. Wegen der zunehmenden Notwendigkeit einer größeren Produkt- und Verpackungsflexibilität wird „Low-Volume High-Mix“ mehr und mehr zur Norm für immer vielfältigere und präzisere Marktsegmente. Auch kollaborative Roboter können dazu beitragen, diese Herausforderung anzunehmen, indem sie ein Maximum an Flexibilität sowohl für die Automatisierungsprozesse als auch für die Nutzung von Fabrikfläche bieten, und das ohne die Notwendigkeit von Sicherheitsbarrieren. Rainer Benz erwartet, dass die kollaborative Automatisierung einen großen Einfluss auf die gesamte Industrie haben wird.
Auch der mobile Roboter MiR100 von Mobile Industrial Robots aus dem dänischen Odense zeichnet sich durch eine hohe Flexibiltät aus. Entwickelt wurde er für Anwendungen in den Bereichen Logistik und Produktion, aber auch für das Gesundheitswesen. Gerade in Lager- und Produktionshallen oder in Krankenhäusern müssen Mitarbeiter oftmals sehr lange Wege zurücklegen, um einfache Arbeiten, wie den Transport von Waren auszuüben. „Das ist jedoch nicht die Zukunft. Mobile Roboter, die sich autark und unabhängig von bestimmten Leitlinien bewegen, unterstützen Mitarbeiter nun dort, wo sie wirklich gebraucht werden. Damit können MRK-Anwendungen auch mobil ausgeführt werden”, beschreibt Thomas Visti, CEO bei Mobile Industrial Robots, das Potenzial des MiR 100.
„Wir arbeiten daran, den Einsatz unserer Roboter für Unternehmen noch einfacher und benutzerfreundlicher zu gestalten. Auf der Automatica zeigen wir in diesem Jahr anhand verschiedener Anwendungen, wie intuitiv die Integration des Roboters mithilfe der Schnittstelle erfolgt. Damit gewinnen Flexibilität und eine anpassungsfähige Produktion eine neue Bedeutung. Zudem erwartet die Besucher ein neues Produkt-Feature, welches für unterschiedliche Branchen einen Mehrwert bringt”, macht Visti neugierig.
Auch Helmut Schmid, General Manager Western Europe beim dänischen Roboterhersteller Universal Robots, bestätigt diese Entwicklung: „Unser Messeauftritt ist eine Antwort auf die sich verändernde Produktionslandschaft und die unternehmerischen Herausforderungen von heute: Mensch und Maschine stehen nicht mehr nur unvermittelt nebeneinander, sondern der Roboter wird zum flexiblen und kollaborierenden Tool, das für unzählige Anwendungen eingesetzt werden kann. Eine Art Werkzeugkoffer der Zukunft. Unser Automatica-Highlight wird diesen Servicegedanken weiter vertiefen.“
Das Beste aus zwei Welten
MRK-Anwendungen sind für alle Branchen relevant und dieser Trend wird sich weiter verstärken. Auf die Frage, warum das so ist, hat Schmid eine einfache Antwort: „Mensch-Roboter-Kollaboration bedeutet nichts anderes, als das Beste aus zwei Welten zusammenzuführen. Im Ergebnis tun Mensch und Maschine jeweils das, was sie am besten können.“
Die Roboter von Universal Robots wurden ursprünglich für Industriebetriebe konzipiert. Aufgrund der einfachen Programmierung und kollaborierenden Fähigkeiten fassen sie jetzt zunehmend auch in der Servicerobotik Fuß, vor allem in den Bereichen Labor- und Medizintechnik. So werden die Roboterarme des Unternehmens beispielsweise zur körperlichen Entlastung der Mitarbeiter in Krankenhäusern oder zum Handling von toxischen Materialien in Laboren eingesetzt.
Aus Sicht von Helmut Schmid gehören Trends wie „Same-Day-Delivery“ oder die Forderung nach individualisierten Produkten zu den Topthemen, die ihre Spuren in den Produktionen hinterlassen. „Diese Entwicklungen führen dazu, dass starre Produktionsanlagen nicht zukunftsfähig sein werden. Die moderne Fertigung muss intelligent und effizient, vor allem aber flexibel und wandelbar sein“, betont er.
Bedürfnis nach Einfachheit
ABB-Manager Rainer Benz ergänzt: „Gleichzeitig wird die Wertschöpfungskette zunehmend integriert werden – durch die Verbindung von Lieferanten, Herstellern und Händlern bis hin zur Verbindung von Maschinensicherheit und Prozessautomatisierung mit Business-Planungssystemen. Diese Verbindung wird von einem deutlichen Anstieg der Daten aus Low-Cost-Sensoren und Cloud-basierten Anwendungen geprägt sein, die uns eine Fülle von Informationen auf Mobiltelefonen und Tablet-PCs sowie traditionellen Computern zur Verfügung stellen. Doch genau diese zunehmende Digitalisierung schafft auch ein Bedürfnis nach Einfachheit – einfach zu programmierenden Robotern, Dashboards und gemeinsamen Schnittstellen, die für die Bedürfnisse des Benutzers angepasst werden können, sowie auswertbaren Informationen für die Betreiber von Anlagen und die vorbeugende Instandhaltung.“
Neben den Entwicklungen, die sich aufgrund der Digitalisierung abzeichnen, sieht MRK-Manager Peter Heiligensetzer vor allem den verstärkten Einsatz von Leichtbaurobotern als Trend, aber auch konventionelle Industrieroboter mit funktionellen Zusatzsystemen, wie zum Beispiel einem System zum Handführen, also mit einem Joystick.
Und Thomas Visti von Mobile Industrial Robots unterstreicht: „Die Unternehmen können die Herausforderungen, die vor ihnen liegen, nur meistern, wenn sie auch ihre internen Strukturen neu denken und ihre Flexibilität auf das nächste Level bringen. Mobile Robotik kann hier den entscheidenden Unterschied machen.” MM
* Dipl.-Ing. Annedore Bose-Munde ist Fachredakteurin für Wirtschaft und Technik in 99094 Erfurt, Tel. (03 61) 78 94 46 95, info@bose-munde.de, www.bose-munde.de
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