Nürnberg Messe Fachpack 2018: Geopolitische Entwicklungen verhindern echte Euphorie
Mit neuen Bestmarken und einer Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“ ging vergangenen Donnerstag die Fachpack 2018 zu Ende. Technologisch verbreiten die Themen Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit Aufbruchsstimmung. Doch geopolitische Entwicklungen verhindern echte Euphorie.
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- Fast 1.650 Aussteller, über 44.000 Besucher
- Digitalisierung und Nachhaltigkeit beherrschten die Gespräche
- Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“
Als europäische Fachmesse für Verpackungen, Prozesse und Technik war die Fachpack in Nürnberg klassischerweise ein Treffpunkt für Verpacker aus dem Konsumbereich. Das ist auch heute noch zu spüren. Zwar bemüht sich der Veranstalter redlich auch um andere Branchen wie die Medizintechnik, aber längst nicht alle Aussteller gehen darauf ein. So gab es vergangene Woche eine ganze Reihe von Unternehmen, die grundsätzlich zwar auch Lösungen für die Medizintechnik im Portfolio führen, diese aber nicht auf der Messe präsentierten. Vor Ort in Nürnberg dominierten eindeutig Lösungen für die Verpackung von Lebensmitteln.
Healthcare und Life Sciences wachsen überproportional
Aber ein Besuch lohnt dennoch auch für Medizintechnikhersteller. Denn es gibt eine Reihe von Trends, die völlig unabhängig von der Branche für alle Verpacker von Bedeutung sind – allen voran Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt gab es eine Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“, auf der gut 20 der insgesamt fast 1.650 Aussteller Lösungen für diese Branchen zeigten. Mit mehr als 44.000 Fachbesuchern vermeldet der Veranstalter in seiner Abschlusspressemeldung eine neue Bestmarke für die Messe insgesamt.
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Nürnberg Messe
Fachpack 2018 größer denn je
Auch Hans-Joachim Boekstegers, CEO beim Fachpack-Aussteller Multivac, könnte eigentlich zufrieden sein. Mit 1,1 Mrd. Euro Umsatz erwartet er ein Plus von gut 10 Prozent gegenüber 2017 und ist auch für 2019 verhalten optimistisch. Vor allem die Geschäfte mit den Branchen Healthcare und Life Sciences wachsen überproportional.
Geopolitische Tendenzen bremsen die Geschäftsentwicklung
Doch es gibt geopolitische Tendenzen, die sich laut Boekstegers negativ auf die Geschäftsentwicklung auswirken: „Allen voran die Trump’sche Abschottungs- und Embargopolitik der USA. Niemand kann heute ausschließen, dass nach dem Iran auch wichtige Märkte wie Russland, China oder Korea betroffen sein werden.“ Eine Gefahr, die auch Medizinprodukteherstellern droht. Faktisch tot sei derweil schon das Geschäft mit der Türkei. „Eine Folge der wirtschaftlichen Destabilisierung“, so Boekstegers.
Das noch parallel zur Verpackungsmesse gestartete Werben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für seine ins Rutschen geratene Volkswirtschaft in Berlin gibt derweil wenig Hoffnung auf Besserung. „Allah ist groß und mächtig, aber nicht groß und mächtig genug, die türkische Volkswirtschaft zu beleben. Ein paar Investoren wären auch nicht schlecht“, kommentiert der Journalist (ehem. Chefredakteur Handelsblatt) und Buchautor Gabor Steingart die Intension des Staatsbesuchs. Doch nach Ende der Visite sind sich die Kommentatoren einig: Ziel verfehlt.
Der Brexit und die unabsehbaren Folgen
Doch damit nicht genug. „Der Brexit bremst“, benennt Boekstegers einen weiteren Brandherd. Betroffen hiervon seien neben britischen Unternehmen insbesondere auch solche aus Irland. Ein Standort, an dem sich in den vergangenen Jahren bekanntermaßen sehr viele Medizintechnikhersteller angesiedelt haben.
Der Brexit und seine unabsehbaren Folgen beschäftigt auch die Verantwortlichen der deutschen Niederlassung von Automated Packaging Systems Ltd. (APS) in Wolfenbüttel. Jens Pfeiffer, Geschäftsführer des Anbieters von Maschinen und Materialien für Beutel-Verpackungssysteme, kündigt daher vorsorglich die Gründung einer deutschen GmbH & Co. KG an. „So bleiben wir auch bei einem Austritt ohne Abkommen termintreu lieferfähig.“ Das umso mehr, da zudem eine eigene Fertigung in Deutschland aufgebaut werde.
CO2-neutral hergestellte und Verpackungen
Technologisch rückt Pfeiffer auf der Fachpack weniger die Maschinentechnik als ein weiteres Trendthema in den Fokus: nachhaltige Verpackungstechnik. „Hierfür bieten wir CO2-neutral hergestellte und kompostierbare Beutelverpackungen an“, so Pfeiffer. Letztere seien zwar nicht autoklavierbar, taugten aber durchaus als Staubverpackung für Medizinprodukte.
Damit liegt der APS-Manager bereits heute voll im Trend der kommenden Messe. Denn auch Cornelia Fehlner, Fachpack-Veranstaltungsleiterin bei der Nürnberg Messe, fragt sich, welche klugen Verpackungslösungen es für komplexe Anforderungen gibt, die gleichermaßen im Dienste von Umwelt wie Verbrauchern stehen und dabei den ganzen Kreislauf im Blick haben. Es gehe um Verpackungen von morgen für morgen. Mit dem Leitmotto „Umweltgerecht verpacken“ gibt sie schon einen Ausblick auf die Fachpack 2019.
Industrie 4.0 ist noch gewöhnungsbedürftig
Derweil ist Industrie 4.0 eines der weiteren Themen, die die Fachpack 2018 bestimmen. Auch hierzu hat Multivac als einer der Vorreiter der Branche einiges zu bieten. „Zehn selbsteinstellende und -lernende Maschinen haben wir bereits in den Markt gebracht. Diese verschaffen den Kunden Produktivitätssteigerungen von gut 10 Prozent“, berichtet Boekstegers. Damit wird klar: Industrie 4.0 funktioniert. „Doch die Anwender müssen sich noch an diese neue Technologie gewöhnen“, stellt der CEO fest. Dennoch gibt er sich zuversichtlich, dass schon in fünf Jahren 50 Prozent aller Multivac-Maschinen entsprechend ausgestattet seien.
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Multivac
Innovatives Verpackungskonzept für medizinische und pharmazeutische Produkte
Mit der Hololens rein in die virtuelle Realität
Voll auf Digitalisierung setzt auch der Aussteller Koch Pac-Systeme. Mit Hilfe der Microsoft-Datenbrille Hololens nimmt er die Messebesucher mit auf die Reise in virtuelle Welten. „Noch ist unsere Lösung vor allem vertriebsorientiert“, erklärt Simon Brehmer, Abteilungsleiter Softwareentwicklung beim Verpackungsmaschinenbauer den Einstieg in diese neue Technologie. „So können wir Kunden zum Beispiel eine geplante Verpackungsmaschine live ins reale Hallenlayout projizieren.“ Auch Innenansichten von Verpackungsmaschinen sind damit möglich, um zum Beispiel eine Roboterautomatisierung aus nächster Nähe virtuell zu verfolgen. Im nächsten Schritt soll Hololens Mitarbeitern im Service als „verlängertes Auge“ dienen. „All das gibt es übrigens auch auf der kommenden Compamed im November in Düsseldorf zu sehen“, verspricht Marketingleiter Jörg Schebetka.
Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“
Nur einen Katzensprung entfernt von den virtuellen Welten bei Koch Pac-Systeme finden die Fachpackbesucher die Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“. Als Systemlieferant stellt hier zum Beispiel die Medipack AG Gesamtlösungen für die Medizintechnikindustrie aus – von der Blister-Entwicklung über Reinraumproduktion und Siegeltechnologie bis zu umfassenden Leistungen im Verpackungsservice. Zu den Besonderheiten des Schweizer Verpackungsdienstleisters gehört unter anderem, dass Verpackungsfolien seit etwa fünf Jahren selbst extrudiert werden – und zwar unter einer Reinraumkabine. Dabei schützt der Verzicht auf Materialwechsel zusätzlich vor Verunreinigungen. „Gerade für Medizinproduktehersteller und -verpacker ein wichtiger Vorteil“, so Geschäftsführer Reto Artusi. Neben der Folie entwickelt und liefert Medipack auch die nötigen Blister, die ebenfalls unter Reinraumbedingungen gefertigt werden. Bei Bedarf gibt es bei Medipack auch die erforderlichen Siegelmaschinen.
Doch die Sonderschau – immerhin die fünfte ihrer Art – ist nicht (mehr) der ganz große Anziehungspunkt für Besucher aus den adressierten Branchen. „Der Gemeinschaftsstand als solcher ist zwar in seiner Zusammensetzung gut, könnte aber durchaus mehr Besucher vertragen“, gibt Medipack-Geschäftsführer Artusi zu Protokoll. Das sieht Philip Bittermann, Chefredakteur der Zeitschrift „Neue Verpackung“ und Organisator der Sonderschau, ganz ähnlich. „Mit dem Umzug in Halle 3A ist für die Anbieter von Verpackungslösungen für die Medizin- und Pharmaindustrie leider insgesamt ein Besucherrückgang zu verzeichnen.“ Mit dem Veranstalter liefen daher bereits Gespräche über ein verbessertes Leitsystem, das mehr Besucher in die branchenfokussierte Halle 3A führen soll. Von den Ausstellern der Sonderschau werde das begrüßt. Denn die sind laut Bittermann mit der Qualität der Gespräche zufrieden, sodass bereits die ersten Anfragen für die Sonderschau 2019 vorliegen.
Sacksysteme nach dem Zwiebelschalenmodell
Nicht auf der Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“, aber als Adressant derselben Zielgruppe präsentiert „Strubl Verpackungen“ mit ineinandergesteckten Sacksystemen auf der Fachpack eine besonders interessante Lösung für das Ein- und Ausschleusen in mehrstufigen Reinraumzonenkonzepten, das speziell für Medizinproduktehersteller interessant ist.
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Strubl Kunststoffverpackungen
Primärpackmittel im Reinraum: Anforderungen, Risiken und Lösungen für Kunststoffverpackungen
„Beim Kunden werden die Sacksysteme geöffnet und der innere Beutel mit den Produkten befüllt. Dann werden die verschiedenen Beutel einzeln verschweißt und können im logistischen Prozess später wie in einem Zwiebelschalenmodell in den einzelnen Reinraumzonen sukzessive entfernt werden“, erklärt Geschäftsführer Dr. Christoph Strubl. „Dadurch entfällt das komplizierte Handling beim Befüllen im Reinraum“, benennt Strubl den entscheidenden Vorteil.Hergestellt werden die Produkte im Rahmen einer GMP-gerechten Reinraumproduktion.
Tiefziehverpackungsmaschine mit Digitaldrucker lockt die Besucher
Sehr zufrieden mit der Resonanz aus der Medizintechnik ist indes Heinz Bucher, Sales Manger Medical Devices bei Ulma Packaging. Der Verpackungsmaschinenhersteller hatte in besagter Halle 3A – ebenfalls in unmittelbarer Nähe zur Sonderschau „Verpackung in der Medizintechnik und Pharmazie“ – unter anderem eine Tiefziehverpackungsmaschine mit Digitaldrucker ausgestellt. Dazu noch horizontale und vertikale Schlauchbeutelmaschinen, die nach den Gesprächen auf der Messe bereits diese Woche in die Angebotsphase kommen. Ob die Sonderschau zu diesem Messeerfolg beigetragen hat, kann Bucher zwar nicht genau sagen, aber er hofft zumindest, „dass sich doch auch einige Besucher aus der Sonderschau zu uns verirrt haben“. Für ihn als Aussteller war die Nähe auf jedenfalls gut, da er selbst Kontakte mit Zulieferern knüpfen konnte.
Auch auf der Compamed im November in Düsseldorf werde Ulma Packaging erneut eine Tiefziehverpackungsmaschine inklusive Digitaldrucker sowie eine horizontale Schlauchbeutelmaschine mit einer speziellen Anwendung für die Medizin ausstellen. Potenzial sei hier definitiv vorhanden.
Fazit zur Fachpack: Medizintechnik hat Potenzial
Fazit zur Fachpack: Auch hier ist insgesamt Potenzial für Medizintechnik vorhanden. Bei der bislang letzten Fachpack im Jahr 2016 kamen immerhin 7 Prozent der damals rund 41.000 Besucher aus dieser Branche. Im Jahr davor waren es noch 6 Prozent. Tendenz also leicht steigend. „Die Auswertung der aktuellen Fachpack-Besucher nach Branchen ist bereits voll im Gange. Bis die endgültigen Zahlen feststehen, können aber noch bis zu vier Wochen vergehen“, erklärt in diesem Zusammenhang Katja Feeß, Ansprechpartnerin für Presse und Medien bei der Nürnberg Messe.
Die nächste Fachpack findet vom 24. bis 26. September 2019 im Messezentrum Nürnberg statt.
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