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Renishaw 3D-Druck in der Veterinärchirurgie – die Rettung eines Familienmitglieds

Autor / Redakteur: / Kathrin Schäfer

Individuelle Implantate aus dem 3D-Drucker haben in der Humanmedizin bereits Bekanntheit erlangt. Doch bei Tieren? In Kanada konnte mittels 3D-Metalldruck jetzt der Hund einer kanadischen Familie gerettet werden.

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Ein siebenjähriger Berner Sennenhund mit einem Tumor auf der linken Seite des Oberkiefers hatte wenige Alternativen zu einer kompletten Entfernung des Tumors mit anschließender Rekonstruktion.
Ein siebenjähriger Berner Sennenhund mit einem Tumor auf der linken Seite des Oberkiefers hatte wenige Alternativen zu einer kompletten Entfernung des Tumors mit anschließender Rekonstruktion.
(Bild: gemeinfrei)
  • Individuelles 3D-gedrucktes Implantat aus Titan
  • Additive Fertigung in der Veterinärmedizin
  • Design und Herstellung des Implantats innerhalb von zwei Wochen

Ein siebenjähriger Berner Sennenhund mit einem Tumor auf der linken Seite des Oberkiefers hatte wenige Alternativen zu einer kompletten Entfernung des Tumors mit anschließender Rekonstruktion. Ein kundenspezifisches 3D-gedrucktes Implantat aus Titan, das die Knochenstruktur des Hundes unterstützt, war aufgrund der Komplexität dieses Bereichs die beste Möglichkeit. Denn dort war eine erhebliche Gestaltungs- und Herstellungsfreiheit notwendig.

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Bis dato wurden patientenindividuelle Implantate hauptsächlich bei Menschen eingesetzt. Unter internationaler Mitwirkung aus Deutschland, Kanada und Großbritannien konnte unter Einsatz von additiver Fertigung der Familienhund einer kanadischen Familie gerettet werden. Der Engineering-Spezialist Renishaw half bei der Realisierung des Implantats mit, das Hartgewebe ersetzt. Entwickelt wurde das Implantat in Deutschland vom 3D-Design-Experten Voxelmed.

Der behandelnde Chirurg ist am Fertigungsprozess des Implantats beteiligt

Behandelt wurde der Sennenhund von Dr. Julis Liptak, Veterinärmediziner im Alta Vista Animal Hospital im kanadischen Ottawa. Liptak hat letztendlich auch die Operation durchgeführt. Er setzte ein additiv gefertigtes maxillofaziales Implantat aus Titan ein. Dazu wurde unter Verwendung von DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine – zu Deutsch: Digitale Bildgebung und -kommunikation in der Medizin), einem Standard zur Integration medizinischer Bildverarbeitungsgeräte, ein digitales 3D-Modell der betroffenen Stelle des Hundes generiert. Dieses Modell wurde verwendet, um unter Mitwirkung des Veterinärmediziners ein patientenspezifisches Implantat zu konstruieren.

Während der Entwicklung des Implantats wurde dieses von Liptak mehrmals überprüft und mit 3D-Scans und Modellen des Hundeschädels verglichen. Hierdurch konnte im Fertigungs- und Platzierungsprozess berücksichtigt werden, wie das Implantat später platziert werden sollte. Zudem konnte Liptak die Operation so bereits planen, was beispielsweise half, die Zeit Narkosezeit für den Hund zu verkürzen.

Das Implantat wurde im Additive Design in Surgical Solutions (ADEISS) Centre in London, Ontario, Kanada gefertigt. ADEISS entstand aus einer Partnerschaft zwischen der Western University, des London Medical Networks und Renishaw. Dieses Zentrum konzentriert sich auf die Forschung, Entwicklung und Vermarktung von additiv gefertigten medizinischen Geräten und chirurgischen Instrumenten. Es unterstützt außerdem die Entwicklung additiv gefertigter Medizintechnologie, um Probleme im Gesundheitswesen weltweit anzusprechen.

Bei rasch wachsenden Tumoren zählt die Schnelligkeit des 3D-Drucks

„Während der Operation wurden die betroffenen Stellen sowie die Tumorränder entfernt“, erklärt Jan Klasen, selbst Veterinärmediziner, 3D-Designer und CEO von Voxelmed. „Da sich der Tumor in der Haut und nicht im Backenknochen befand, umfasste die Resektion eine Revisions-Maxillektomie mit Extrahierung der 45 x 50 mm Masse sowie 30 mm Randgewebe. Das Implantat wurde dann eingesetzt und mit chirurgischen Schrauben befestigt. Ein Hautlappen, der von einer definierten Arterie versorgt wird, wurde vorbereitet und zur Abdeckung des relevanten Bereichs sowie des Implantats verwendet. Von Vorteil war hierbei, dass die Nasenstruktur des Hundes trotz des fehlenden Gewebes nicht verändert werden musste.“

Design und Herstellung des Implantats waren innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen. Dies war umso wichtiger, als der Hund an einem kontinuierlich wachsenden Tumor litt: Hätte die Fertigung des Implantats also länger gedauert, dann wäre es nicht mehr einsetzbar gewesen, da die betroffene Stelle gewachsen wäre.

Additive Manufacturing meistert auch geometrisch komplexe Strukturen

„Ohne die additive Fertigung wäre es beinahe unmöglich gewesen, den Oberkiefer des Hundes nach der Tumorentfernung zu rekonstruieren, da es sich hier um eine geometrisch sehr komplexe Stelle handelt“, so ein Fazit von Klasen. „Das Implantat musste eine ähnliche Form und Funktion wie die bestehende Knochenstruktur des Hundes haben. Die Beibehaltung von Form und Funktion des Mund- und Nasenraums war nur durch die additive Fertigung möglich und gewährleistet nun, dass der Hund, dass der Hund ohne Probleme atmen und fressen kann. Soweit ich weiß, ist dies das erste Implantat dieser Art. Vor diesem Fall wussten die meisten Veterinärmediziner nicht einmal, dass diese Technologie zur Verfügung steht. Ähnliche Rekonstruktionen sind jetzt auch in Deutschland in Planung; die möglichen Vorteile für die Tiere werden dank kontinuierlicher Forschung ständig erfasst.“

Der siebenjährige Berner Sennenhund konnte das Krankenhaus einen Tag nach der OP schon wieder verlassen. Obwohl er schmerzstillende Medikamente und Antibiotika einnahm, konnte er normal durch die Nase atmen und erfreut sich inzwischen einer vollständigen Genesung.

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