Seleons Nähkästchen Wo sich Prozess und Papier treffen
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Im 17. Teil unserer Kolumne der Regulatory-Affairs-Experten von Seleon dreht sich alles das Qualitätsmanagementsystem von Medizintechnik-Unternehmen und was genau der Artikel 10 (9)a bzw. Artikel 10 (8)a der MDR bzw. IVDR dafür vorschreibt.

Es gibt viele Blickwinkel, aus denen man ein medizintechnisches Unternehmen betrachten kann: stur nach den Abteilungen, fließend nach den Prozessen, monetär nach Einnahmen und Ausgaben. Dies kann einem an manchen Tagen die Welt einfacher machen, an anderen jedoch im Weg stehen, wenn es an die konforme Umsetzung der Verordnung MDR 2017/745 oder IVDR 2017/746 geht. Für Hersteller von Medizinprodukten inklusive In-Vitro Diagnostika gibt es hier nämlich in beiden Verordnungen eine zentrale Anforderung, die gesamtheitlich betrachtet werden sollte: Artikel 10 (9)a bzw. Artikel 10 (8)a: „Das Qualitätsmanagementsystem umfasst mindestens […] ein Konzept zur Einhaltung der Regulierungsvorschriften, was die Einhaltung der Konformitätsbewertungsverfahren und der Verfahren für das Management von Änderungen an den von dem System erfassten Produkten mit einschließt.“
Es stellt sich Ihnen jetzt die Frage, was diese Anforderung mit Ihrem Personalwesen, Auftragsabwicklung oder After Sales Service zu tun hat? Sie sehen das als eine Aufgabe im Bereich Qualitätsmanagement (QM) und Regulatory Affairs, vielleicht noch Ihrer Entwicklungsabteilung? Nun, dies sind in jedem Fall zentrale Stellen, wenn es um die Einhaltung des Konzepts geht, jedoch wird im Zweifelsfall das gesamte Unternehmen hiervon erfasst.
Ein Beispiel: Ihre Entwicklungsabteilung definiert im Laufe des Entwicklungsprojektes die Anforderungen inklusive der geltenden Gesetze und Normen. Daraus leiten sich relevante Charakteristika, Grenzwerte und Spezifikationen ab – für Ihren Einkauf, die Qualitätssicherung, die Produktion und letztlich auch die Inhalte Ihrer technischen Dokumentation. Sie weisen den Anhang I nach, Ihre benannte Stelle stellt Ihnen das Zertifikat aus und Sie können das Produkt für konform erklären und in Verkehr bringen.
Und was geschieht nach der Konformitätserklärung?
Der definierte Produktlebenszyklus beginnt. Ihr Produkt etabliert sich im Markt und Sie pflegen Ihre relevante Dokumentation nach Anhang II und III der zutreffenden Verordnung. Also, alles gut? Nein! Nun kommt das Konzept zur Einhaltung der Regulierungsvorschriften zum Einsatz: Es bedarf auch der Überprüfung, ob die regulatorischen Anforderungen, die Teil des Entwicklungsprojektes waren, noch immer auf dem aktuellen Stand sind. Und außerdem die Überprüfung, ob es neue, zusätzliche Anforderungen gibt, die für Ihr Produkt relevant sind.
Hierbei geht es nicht um eine reine Normenrecherche, sondern auch um die Erfassung neuer oder geänderter Leitfäden sowie die Einhaltung neuer oder geänderter Gesetze. Dabei ist es wichtig, dass das Konzept nicht mit der reinen Recherche und ggf. dem Erwerben der Neuerungen endet, dies ist nur der erste Schritt. Nein, die Neuerungen sollten natürlich gelesen und bewertet werden, am besten von den Fachabteilungen. Bestehende Prozesse, die sich auf die Anforderung beziehen, müssen geprüft werden, z. B. ob Grenzwerte oder einzelne Schritte angepasst oder Tests neu durchgeführt werden müssen. Haben Sie Anhang VII Abschnitt 4.9 Änderungen und Modifikationen gelesen? Dann endet dieses Konzept ggf. sogar in einem Änderungsantrag an Ihre benannte Stelle. Hier kommen also Prozess und Papier zusammen.
Wer benötigt dieses Konzept und wofür?
Nun, jeder Hersteller, der auf dem Stand der Technik sein möchte, die Qualitätsmanagementsystem-Anforderungen der zutreffenden Verordnung erfüllen muss und jede Person Responsible for Regulatory Compliance (PRRC), die ruhig schlafen möchte, sollte hier aktiv werden. Gerade Hersteller von Klasse-I- bzw. Klasse-A-Produkten, die nur eine QM-Zertifizierung ohne Aktenprüfung durchlaufen, können hier gewinnen.
Durch ein solches Konzept werden sich künftig neue Anforderungen früher erkennen und die notwendigen Maßnahmen besser planen lassen. Technische Dokumentation bleibt so nicht auf einem alten Stand und kann jederzeit der Behörde aktuell vorgelegt werden. Und nicht zuletzt wird Ihr QM-System natürlich hiervon profitieren, wenn alle Abteilungen frühzeitig informiert und eingebunden sind.
Weitere Artikel zu regulatorischen Angelegenheiten finden Sie in unserem Themenkanal Regulatory Affairs.
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