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Branchen-Überblick Was bewegt die Medizintechnik-Branche?

Von Julia Engelke und Kristin Breunig

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Vergangene Woche wurde Bilanz gezogen für die Medtech-Branche: In einem Pressegespräch, initiiert von der GHA, ließen Medtech-Verbände und -Akteure das Jahr Revue passieren. Die Top-Themen: Krieg, Pandemie, MDR und Export.

Am 9. Dezember fand das von der GHA initiierte Branchen-Pressegespräch statt. Vertreter der GHA, Spectaris, ZVEI, GTAI und der Messe Düsseldorf waren vertreten.
Am 9. Dezember fand das von der GHA initiierte Branchen-Pressegespräch statt. Vertreter der GHA, Spectaris, ZVEI, GTAI und der Messe Düsseldorf waren vertreten.
(Bild: GHA)

Zu einem Branchen-Pressegespräch zum Jahresende 2022 lud die German Health Alliance (GHA) vergangene Woche ein. Beteiligt waren Vertreter von Spectaris, dem ZVEI, GTAI und der Messe Düsseldorf. Virtuell informierten sie die Fachpresse über die aktuelle Situation der KMUs sowie Herausforderungen für die Medizintechnik-Branche.

Die aktuelle Branchen-Situation ist schwierig

Den Anfang machte Erhard Fichtner, Vorstandsvorsitzender der GHA und Inhaber der Protec GmbH & Co. KG. Den Medtech-KMU gehe es schlecht und die aktuelle Lage sei schwierig, fasste Fichtner die aktuelle Situation zusammen. Die Gründe sind vielfältig: Die Branche spürt noch immer die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Bei Auslieferungen ist ein Rückgang von 50 bis 70 Prozent zu verzeichnen, Neuinvestitionen und Krankenhaus-Ausschreibungen wurden aufgehoben oder kurzfristig gecancelt. Ein weiterer Grund ist die Lieferkettenproblematik. Eine Planungssicherheit so gut wie nicht gegeben, trotzdem gehen die Prognosen leicht nach oben. In einigen Regionen weltweit (z. B. MENA, Osteuropa) ist die Lage unklar. Die normalerweise geltende Vorlaufzeit von zwei bis drei Monaten für Bestellungen wurde auf sechs bis zwölf Monate verlängert, zugesagte Liefertermine seien durch Probleme in der Lieferkette nicht einhaltbar, so Fichtner. Zudem gibt es Preissteigerungen von bis zu 15 bis 30 Prozent. Das Ausmaß lasse sich noch nicht beziffern. Und natürlich macht weiterhin die Umsetzung der Medical Device Regulation (MDR) den KMU zu schaffen. „Wir sind aber zuversichtlich“, schätzte Fichtner die Lage seines Unternehmens ein.

Weitere Einblicke in die Lage der Medtech-Branche in Deutschland lieferte Marcus Kuhlmann, Leiter Medizintechnik bei Spectaris. Er bemängelte, dass die Infrastruktur zur Umsetzung der MDR noch immer nicht stehe. Zu wenig benannte Stellen und ein Innovationsrückgang durch hohe Kosten und zu lange Zulassungsprozesse sind die Folgen. Neben den Problemen, die die Pandemie mit sich gebracht hat und immer noch bringt, gab es durch sie auch einige Profiteure in der Branche. Der Umsatz der deutschen Medtech-Unternehmen konnte von Januar bis August mit einem deutlichen Anstieg verzeichnet werden. Bis Ende des Jahres werde ein Plus von 3,5 Prozent erwartet, was einem Umsatz von 37,7 Milliarden Euro entspricht. Ein wichtiger Faktor ist hier auch der Export. Seit Jahren liegt die Exportquote bei etwa 67 teilweise sogar über 90 Prozent. „Allerdings haben wir festgestellt, dass die Ausfuhr nach China im ersten Halbjahr rückläufig war“, sagte Kuhlmann. „Dagegen konnte man beobachten, dass der Export nach Nordamerika zugenommen hat.“ Auch eine Steigerung der Beschäftigten auf 159.000 ( ein Plus von 3 %) ist ein positives Zeichen. Insgesamt, so Kuhlmann, seien die Zahlen nicht schlecht. Kleine Unternehmen hätten es in diesen Zeiten jedoch deutlich schwerer. Der Mangel an Fachkräften trübt die Stimmung über die gesamte Branche hinweg.

Absatzmärkte im Ausland

Pierre Nasser, Senior Vice President/Regional Head Hospital Care Region IV – MEA (Middle East & Africa) bei der B. Braun SE und Vorstandsmitglied der GHA, war live aus Kapstadt zugeschaltet und berichtete über die Situation und Probleme vor Ort. Medtech Made in Germany genieße in Afrika einen hervorragenden Ruf, so seine klare Botschaft. Allerdings kämpfen die Leute auch dort mit den Auswirkungen der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg. In der Logistikbranche geben sinkende Kosten, v. a. im Schiffsverkehr, wieder Hoffnung. Auf den Straßen, im LKW-Transportbereich, sei die Lage aber noch immer sehr angespannt. Zudem werde der Ruf nach lokaler Wertschöpfung immer lauter, so die Beobachtung von Nasser.

Einen Fokus auf das Thema China legte Jennifer Goldenstede, Leiterin Außenwirtschaft bei Spectaris. Sie berichtetet von einem deutlich kritischeren Blick auf China, als das vor ein paar Jahren noch der Fall gewesen sei. Ungeachtet dessen, liegt China, nach den USA, noch immer auf Platz 2 der wichtigsten deutschen Exportmärkte. Mit 2,34 Milliarden Euro nimmt China 8,55 Prozent am Gesamtexport ein. Neben dem Exportgeschäft spielt auch der Import eine wichtige Rolle. Mit 1,75 Milliarden Euro spiegeln sich die chinesischen Einfuhren in 9,6 Prozent des Gesamtimports in Deutschland wider. Die China-Strategie der Bundesregierung will die wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber China deutlich einschränken. Kürzungen der Außenwirtschaftsförderung und somit ein Rückgang bei Messen im Ausland sind die Folge. Goldenstede machte deutlich, dass der Dialog mit China wichtig sei. „Die Harmonisierung des Marktzugangs für Medizingeräte muss stattfinden“, appellierte sie.

Exportinitiativen müssen gestärkt werden. Die Regierung muss Förderungstöpfe öffnen!

Erhard Fichtner, Vorstandsvorsitzender der GHA und Inhaber der Protec GmbH & Co. KG

Geopolitische Verschiebungen sowie der Lokalisierungsdruck erschwere derzeit den Markteintritt für ausländische Unternehmen und mache es deutschen Unternehmen im Ausland nicht einfach, erklärte Judith Illerhaus, Managerin Medizintechnik und digitale Gesundheitswirtschaft bei der GTAI German Trade and Invest. Andere Länder, wie unsere europäischen Nachbarn sowie Afrika, Australien und Lateinamerika, rückten deshalb mehr in den Fokus deutscher Medtech-Unternehmen. „Die Diversifizierung hat einen hohen Stellenwert und ist für alle Unternehmen sinnvoll“, motivierte Illerhaus. „Die GTAI unterstützt Unternehmen bei Exportvorhaben und bietet Fact Sheets zu einzelnen Märkten an. Auch tiefere Analysen können angefordert werden.“

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Eine Nachfrage, ob der Handel in Großbritannien durch den Brexit und unterschiedliche Zertifizierungen leide, konnte Kuhlmann verneinend beantworten. Das UK-Geschäft habe nicht gelitten, alles liefe zufriedenstellend. UK-Firmen hätten es dahingehend schwieriger. Die Umsetzung der Kennzeichnung UK Conformity Assessed (UKCA) stehe in Großbritannien vor ähnlichen Herausforderungen wie die MDR in Deutschland. Auch Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer Fachverband Elektromedizinische Technik innerhalb des ZVEI, konnte beipflichten, dass ein Einbruch des UK-Geschäfts nicht erwartet werde. Die Sorge wäre eher, wie ein zukünftiges Zertifizierungssystem aussehe.

Digitalisierungsstrategie fordert Investitionen

Bursig berichtete über die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung. Die Gesundheitsversorgung der Zukunft will den Menschen mehr in den Mittelpunkt stellen. Der demographische Wandel sowie chronische Erkrankungen erheben höhere Anforderungen an das Gesundheitssystem. Dieses sei jedoch momentan nicht dafür ausgelegt, kritisierte Bursig. Der digitale Wandel gehe nicht von jetzt auf gleich. Investitionen in Medizintechnik und andere Teile der Industrie dürfen bei der Digitalisierung nicht vernachlässigt werden.

Wenn wichtige Teile der Dateninfrastruktur veraltet sind, werden sie zum Nadelöhr. Es muss investiert werden

Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer Fachverband Elektromedizinische Technik innerhalb des ZVEI

Stimmungsbarometer der Medica

Einen Einblick in das derzeitige Messegeschehen lieferte Michael Degen, Executive Director der Messe Düsseldorf. Auf der vergangenen Medica konnte er ein außerordentlich positives, enthemmtes und zu dreiviertel aus dem Ausland stammendes Publikum erleben. An vier Messetagen waren u. a. Aussteller aus Italien, Frankreich, Großbritannien, den USA, Korea und der Türkei vertreten. Auch chinesische Aussteller und Besucher traten trotz strenger chinesischer Quarantäne-Verordnungen den Weg nach Düsseldorf an. Dies zeige die Bedeutung der Medica und Deutschlands, war sich Degen sicher.

Appell an die Bundesregierung

Mit den Wünschen an die Bundesregierung endete das Pressegespräch. Dabei waren sich die versammelten Vertreter einig: Die MDR müsse deutlich geregelt sein, Rahmenbedingungen für die Gesundheitsdatennutzung müssten klar abgesteckt werden und es bedürfe einer ausgedehnten Förderung der Exportinitiativen.

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