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Kühlmittel Medizinische Kühlung funktioniert auch nachhaltig

Von Matin Khajooei*

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Kühl- und Gefrierschränke sind aus Haushalten und Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Auch in medizinischen Einrichtungen und Laboren sind sie unverzichtbar. Doch der enorme Stromverbrauch und viele Kühlmittel sind eine große Belastung für die Umwelt und das Budget. Daher lohnt sich ein Blick auf nachhaltige Optionen.

In Ultratiefkühlgeräten werden unter anderem Impfstoffe gelagert.
In Ultratiefkühlgeräten werden unter anderem Impfstoffe gelagert.
(Bild: B Medical Systems)

Der Bedarf nach Lösungen für die medizinische Kühlung ist pandemiebedingt explodiert. Der momentan verfügbare mRNA Impfstoff von Biontech/Pfizer erfordert Transport und Lagerung bei -70 °C. Dafür kommen nur Ultratiefkühlgeräte (ULTs) infrage. Damit stellt dieser Impfstoff die höchsten Anforderungen. Aber auch das Vakzin von Moderna muss noch bei -20 °C gelagert und transportiert werden. Und alle anderen Impfstoffe müssen – zwar nicht so stark – aber dennoch ebenfalls gekühlt werden.

Dabei ist die Kühlung von Impfstoffen nur ein Anwendungsbereich von medizinischen Kühlgeräten. Blutbanken, Apotheken, Labore und Krankenhäuser weltweit setzten bereits vor der Pandemie auf ULTs, Gefrierschränke und Kühlschränke und werden auch in Zukunft nicht darauf verzichten können. Doch die Geräte verbrauchen nicht nur viel Strom, was CO2-Emissionen nach sich zieht, sondern tragen auch durch die verwendeten Kühlmittel zur Erderwärmung bei.

Zeit für neue ULTs

Die größten Stromfresser sind die ULTs. Das ist logisch, sollen sie doch in ihrem Inneren Temperaturen bis unter -80 °C bieten. Im Neuzustand verbrauchen herkömmliche ULTs ca. 16 bis 22 kWh pro Tag. Das ist in etwa so viel Energie wie ein durchschnittlicher Familienhaushalt pro Tag verbraucht. Je nach Stromgewinnungsart sorgen ein ULT und das HVAC-System über die Lebensdauer des ULTs für 100 Tonnen CO2-Emissionen. Diese Emissionen lassen sich durch Investitionen in neue ULTs reduzieren. Durch Nutzung modernster Kältetechnik (bspw. Optimierung der Wärmetauscher und der Luftströmung), Innentüren, exzellenten Dichtungen und leistungsfähiger Isolierung bieten sie eine hervorragende Energieeffizienz. Die neuesten Modelle führender Hersteller verbrauchen daher nur noch 8 bis 12 kWh pro Tag. Da ULTs für die Lagerung wichtiger Proben, Impfstoffe, Eizellen und Embryos verwendet werden, sollte aber unbedingt auf die richtige Balance zwischen Zuverlässigkeit, Gesamtleistung und Energieeffizienz der Ultratiefkühlgeräte geachtet werden. Natürlich werden auch Gefrier- und Kühlschänke ständig weiterentwickelt, und die neuen Generationen sind deutlich energieeffizienter. ULTs bleiben aber weiterhin eine Kategorie für sich.

Anpassung der Temperatur an Forschungsergebnisse

Auch wenn die Anschaffung neuer ULTs keine Option ist oder bereits überall neueste ULTs im Einsatz sind, lässt sich dennoch der Stromverbrauch senken, indem die Temperatur etwas erhöht wird. Etliche Forschungsarbeiten zeigen, dass eine Reihe von Proben wie z. B. Proteine, Bakterien und Viren auch bei -70 °C anstelle von -80°C gelagert werden können, ohne beeinträchtigt zu werden. Espinel-Ingroff und andere wiesen zudem nach, dass auch die Langzeitkonservierung von Pilzisolaten bei einer Temperatur von -70 °C keinen negativen Einfluss auf die Lebensfähigkeit und Reinheit der gelagerten Proben hat.

Wird die Temperatur also um 10°C auf -70°C erhöht, nehmen die eingelagerten Proben keinen Schaden und es lassen sich beispielsweise – je nach ULT und Hersteller – 1,7 kWh pro Tag pro Gerät und die entsprechenden Stromkosten einsparen. Durch die weniger tiefe Temperatur steigt außerdem die Lebensdauer der Geräte, was ebenfalls die Kosten senkt.

Werden herkömmliche ULTs durch neueste Geräte ersetzt und wird bei diesen die Temperatur auf -70°C eingestellt, ließen sich pro Tag schon ganze 6,13 kWh pro Gerät einsparen. Auf zehn Geräte und zehn Jahre Laufzeit umgerechnet entspricht das ungefähr 223.765 kWh. Das schont den Geldbeutel und die Umwelt: 158 Megatonnen – also 158.000.000 Tonnen – CO2-Äquivalente (CO2e) lassen sich so einsparen.

Das Problem mit dem F-Gasen

Abgesehen vom Stromverbrauch gelten alle Kühlgeräte, also auch Gefrier- und Kühlschänke, wegen der verwendeten Kühlmittel als umweltschädlich. Früher war die Verwendung von Kältemitteln auf Basis von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (HFCKW) weltweit üblich. Diese Kältemittel haben allerdings ein beträchtliches Ozonabbaupotenzial (Ozone Depletion Potential, ODP) und ein hohes Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP). Daher gerieten sie in die Kritik und mit dem Montreal-Protokoll wurden die FCKW- und HFCKW-basierten Kältemittel allmählich aus dem Verkehr gezogen. Fluorkohlenwasserstoff-Kältemittel (FKW) und andere fluorierte Treibhausgase erschienen dann als Alternativen zu FCKW/HFCKW, da sie keinen messbaren Einfluss auf die Ozonschicht haben.

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Bald traten diese allgemein als F-Gase bezeichneten Gase ihren Siegeszug an und fanden schnell weite Verbreitung. F-Gase sind jedoch starke Treibhausgase mit einer bis zu 23.000-mal größeren globalen Erwärmungswirkung als Kohlendioxid (CO2). Leider haben sich die Emissionen von F-Gasen in der EU von 1990 bis 2014 fast verdoppelt, während die Emissionen aller anderen Treibhausgase gesenkt wurden. Auch in anderen Teilen der Welt stellen F-Gase die am schnellsten wachsende Quelle von Treibhausgasemissionen da. Daher hat die internationale Gemeinschaft mehrere Regelungen rund um F-Gase erlassen. Die F-Gas Regulation der Europäischen Union beispielsweise zielt auf den schrittweisen Abbau von HFKWs durch die Reduzierung ihrer Produktion und ihres Verbrauchs ab. Bis 2030 sollen so die F-Gas-Emissionen der EU um zwei Drittel gegenüber dem Stand von 2014 reduziert werden.

Natürliche Kühlmittel sind marktreife Alternative

Da immer mehr Vorschriften den Einsatz von F-Gasen begrenzen, wurden neue umweltfreundliche Kältemitteloptionen erforscht, die sowohl die Bedürfnisse der Kühlwelt als auch die globalen internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt erfüllen. Im Zuge dieser Forschungen kamen natürliche Kühlmittel einschließlich der Kohlenwasserstoff-Kältemittel ins Spiel. R290 (Propan) und R170 (Ethan) beispielsweise haben ein ODP von Null und ihr GWP geht ebenfalls gegen Null. Abgesehen von der guten Umweltverträglichkeit bieten natürliche Kältemittel eine ganze Reihe weiterer Vorteile. Sie sind energie- und kosteneffizienter im Betrieb, erfüllen die globalen Vorschriften, sind günstiger herzustellen und auch langfristig verfügbar. Auch das Problem der Entflammbarkeit wurde adressiert: Für die Kohlenwasserstoff-Kältemittel gibt es Füllmengenbegrenzungen, die im Vergleich zu HFCKW/FKW deutlich geringer sind.

Für eine grüne Zukunft

Die Verwendung „grüner Gase“ ist ein logischer Schritt, um Kühlgeräte auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Hier gibt es entsprechend viel Raum für Verbesserungen: Eine Reihe von Kühlgeräten auf dem Markt verwendet noch keine natürlichen Kältemittel. Leider können ältere Modelle, die mit F-Gasen kühlen, nicht einfach auf natürliche Kältemittel umgestellt werden, sondern erfordern Umbauten. Dann sind sie zwar weniger klimaschädlich, aber immer noch nicht so energieeffizient wie neueste Modelle. Insofern tragen Investitionen in neue Kühlgeräte gleich in zweierlei Hinsicht zu mehr Nachhaltigkeit bei. Sie sparen Strom und werden nicht mit Kühlmitteln betrieben, die beim Entweichen enormes Treibhauspotenzial entfalten.

Auch wenn die akute Phase der Corona-Pandemie abklingen wird, werden weltweit weiterhin Lösungen für die medizinische Kühlung benötigt. Sei es für Impfstoffe gegen Corona-Mutanten und andere Krankheiten oder für die Lagerung von Proben, Blut, Medikamenten und vieles weitere. Damit die medizinische Kühlung die Umwelt nicht weiter belastet als nötig, ist es höchste Zeit, flächendeckend Nachhaltigkeitsaspekte in Investitions- und Betriebsentscheidungen miteinzubeziehen. Sowohl die Umwelt als auch der Geldbeutel profitieren davon.

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* Der Autor: Matin Khajooei ist Chief Sales and Marketing Officer bei B Medical Systems.

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