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Medizin 4.0 Digitale Revolution im Gesundheitswesen: Status quo und Ausblick

Autor Peter Reinhardt |

Die digitale Revolution hat auch die Medizintechnik voll erfasst. Doch dort, wo Digitalisierung die Gesundheit oder gar das Leben von Menschen betrifft, gelten besondere Rahmenbedingungen. Ein Überblick und Ausblick.

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Die Digitalisierung verändert die Medizintechnik in rasendem Tempo. Doch bei der sogenannten Medizin 4.0 gibt es viele branchenspezifische Besonderheiten im Auge zu behalten.
Die Digitalisierung verändert die Medizintechnik in rasendem Tempo. Doch bei der sogenannten Medizin 4.0 gibt es viele branchenspezifische Besonderheiten im Auge zu behalten.
(Bild: © kentoh/Fotolia.com, © Sergey Nivens/Fotolia.com [M] Herkersdorf)
  • In einer digital vernetzten Produktion entstehen ihrerseits digitalisierte Produkte
  • Die Transformation zur „Medizin 4.0“ erfordert ganzheitliche Sicherheitskonzepte
  • Bundesbürger schätzen digitale Angebote wie Fitness-Tracker, Online-Sprechstunde oder die elektronische Patientenakte
  • Telemedizin bahnt sich unaufhaltsam ihren Weg

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Aesculap AG Prof. Dr. Hanns-Peter Knaebel gehörte bis zu seinem überraschenden Rücktritt (Devicemed berichtete) Mitte April zu den Wegbereitern der Medizintechnikbranche. Im Interview mit Devicemed erklärte er schon im vergangenen Jahr: „Wie in anderen Branchen wird auch in der Medizintechnik alles, was digitalisierbar ist, digitalisiert werden.“ Im 150. Jubiläumsjahr obliegt es nun dem neuen Vorstandsvorsitzenden Dr. Joachim Schulz das Traditionsunternehmen fit für die Zukunft zu machen. Fit für eine Zukunft, die längst schon begonnen hat und von vielen als Medizin 4.0 bezeichnet wird.

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„Beyond the product“ lautet die Parole für ,Medizin 4.0

Neben digitalisierten Produkten, die ihrerseits in einer digital vernetzten Produktion entstehen, kommen bei Aesculap digitale Servicelösungen und natürlich auch verschiedene telemedizinische Lösungen hinzu. „Beyond the product“ lautet die Parole. Im Zeitalter von Medizin 4.0 werden Neuerungen schneller entwickelt als je zuvor. Denn im internationalen Wettbewerb ist es unverzichtbar, Leistungen stetig zu optimieren – und zwar auch über die eigentlichen Produkte hinaus. Also werden traditionell analoge Produkte, wie Instrumente, Implantate und Containersysteme, mit digitaler Technologie ausgestattet.

„Es geht zum Beispiel darum, klinische Prozesse durch digitale Lösungen zu verbessern oder den Kunden Zusatznutzen durch neue Geschäftsmodelle anzubieten“, erklärte Knaebel, der nicht nur bei Aesculap, sondern auch im Mutterkonzern B. Braun Melsungen AG als Vorstand für das Thema Innovationen zuständig war, noch kurz vor seinem Rücktritt. Deshalb arbeite man jetzt verstärkt an Neuerungen im Bereich der Dienstleistungen. Lösungen, Geschäftsmodelle und Vertriebswege sollen möglichst passgenau auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten sein. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist das sogenannte Werk 39, das dieser Tage als Innovationslabor in Tuttlingen seine Arbeit aufnimmt.

Willkommen, Google & Co., im regulierten Markt der Medizintechnik

Längst sind es nicht nur die Big Player wie Branchenprimus Aesculap, die das Thema Digitalisierung in der Medizintechnik und der Gesundheitswirtschaft voranbringen. Das Thema beschäftigt die ganze Branche und ruft dank der glänzenden Marktaussichten auch artfremde Akteure auf den Plan. Willkommen, Google & Co., im regulierten Markt der Medizintechnik.

Auch die digitale Revolution braucht Kontrolle und Steuerung

Aber Deutschland wäre nicht Deutschland, meldeten sich nicht auch Bewahrer, Mahner und Skeptiker zu Wort. Die Digitalisierung der Medizin berge große Gefahren – vor allem in Sachen Sicherheit. Und damit ist längst nicht nur Datensicherheit gemeint, sondern auch die Sicherheit einzelner Geräte und ganzer Gesundheitseinrichtungen. Stimmen dieser Art verschaffen sich immer mehr Gehör – und das ist auch gut so. Denn jede Revolution braucht Kontrolle und Steuerung, auch die digitale Revolution. Andernfalls droht Chaos.

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Medizin 4.0: die größten Gefahren für Healthcare-IT
  • 1. Gesundheitswesen weiterhin im Visier von Ransomware-Angriffen: Viele Krankenhäuser waren im vergangenen Jahr von Ransomware betroffen. Cyberkriminelle haben Ransomware als Mittel der Wahl entdeckt, weil die Bitcoin-Zahlungen anonym sind, um der Strafverfolgung zu entgehen. Sie zielen auf die Gesundheitsversorgung ab, weil sie dort häufig einen Angriffsvektor für die hochwirksame Ransomware-Variante SAMSA vorfinden: ungepatchte Jboss-Applikationsserver in der DMZ, also in dem Bereich eines Netzwerks, das mit dem Internet verbunden ist. So werden in Kliniken, die Jboss als Open-Source-Software für Kommunikationsserver einsetzen, Sicherheitslücken in zunehmendem Maße erfolgreich ausgenutzt. Da deren Existenz mittlerweile immer mehr bekannt ist, werden Jboss-Schwachstellen vielerorts bereits gepatcht. Ransomware wird aber auch im Jahr 2017 weiterhin auf die Gesundheitsversorgung abzielen: Web-basierte Drive-by-Downloads, böswillige E-Mail-Anhänge oder Links und ungepatchte Server in der DMZ werden nach wie vor zu den gängigsten Einfallstoren zählen.
  • 2. Datenverlust durch versehentliches Oversharing in SaaS-Anwendungen: Medizinisches Personal liebt die Nutzung von Cloud-basierten SaaS-Anwendungen (Software as a Service) wie Box, Dropbox und Google Drive, weil sie eine Lücke in vielen Gesundheitseinrichtungen füllen: eine einfache Dateifreigabe. Das Problem mit den öffentlichen Versionen dieser Dienste ist, dass es am Benutzer liegt, wer Zugriff auf die Dateien hat. Es ist ganz einfach, eine Datei mit vertraulichen Gesundheitsdaten versehentlich so zu konfigurieren, dass sie mit dem gesamten Internetpublikum geteilt wird. Enterprise-Versionen von Box, zum Beispiel, bieten Administratoren die Möglichkeit, den öffentlichen Zugriff zu beschränken, aber viele Organisationen des Gesundheitswesens blockieren nicht die kostenfreien Versionen. Bis Gesundheitseinrichtungen eine sanktionierte Methode für File-Sharing, sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Organisation, einführen und proaktiv nicht-sanktionierte File-Sharing-Websites blockieren, wird es sehr wahrscheinlich zu weiteren Verlusten von Patientendaten kommen.
  • 3. Patient kommt zu Schaden durch Cyberangriff auf ein medizinisches Gerät: Viele medizinische Geräte, die in medizinischen Einrichtungen verwendet werden, haben heute keine grundlegende Sicherheit. Oft fehlen bei medizinischen Geräten Endpunktschutz und regelmäßige Patches. Die Geräte basieren zudem oftmals auf veralteten Betriebssystemen wie Windows XP, die herstellerseitig nicht mehr aktualisiert werden. Aus diesen Gründen werden sie immer mehr zu Hauptzielen für Malware und Cyberangriffe. Zwar gibt es bislang nur eine bestätigte Anweisung der normalerweise sehr strengen US-Aufsichtsbehörde FDA, ein bestimmtes medizinisches Gerät aus den Krankenhäusern abzuziehen. Dies dürfte jedoch zumindst zum Teil auf unzureichende Nachforschungen und fehlendes Bewusstsein für dieses Problem zurückzuführen sein. Es gibt nicht viel Forschung auf diesem Gebiet, weil medizinische Geräte ohnehin teuer sind und es für die Hersteller keinen finanziellen Anreiz gibt für zusätzliche Sicherheitsforschung, um Schwachstellen zu finden und zu beheben.

Fazit: Angreifer, die es auf Geld abgesehen haben, greifen zu Ransomware aufgrund der schnellen Abwicklung und des geringen Risikos dank Anonymität. Es gibt aber auch Angreifer, die nach dem Motto „Ich mache es, weil ich es kann“ vorgehen. Diese Gegner hacken zum Spaß. Bisher gab es keine bestätigten Fälle von körperlichen Schäden an Patienten aufgrund eines Cyberangriffs auf ein medizinisches Gerät, aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis ein böswilliger Akteur den am stärksten gefährdeten Bereich der Krankenhaus-Netzwerke ausnutzt, die medizinischen Geräte, und es dadurch zu Schaden am Patienten kommt.

Für die Transformation der Branche hin zu einer Medizin 4.0 bedarf es also neben neuen Geschäftsmodellen und ganzheitlichen Sicherheitskonzepten auch Anpassungen in den Vertriebsstrukturen. Auf dem Weg von reinen Produkt- zu umfassenden Lösungsanbietern ist es für Medtech-Unternehmen wichtig, bestehende Prozesse, Konzernstrukturen und Geschäftsmodelle zu überdenken und kontinuierlich zu verändern, richtet der Bundesverband Medizintechnologien BV-Med den Blick aufs Ganze. Klar ist: Die Branche ist im Umbruch. Treiber für die Digitalisierung der Medizin sind der zunehmende Kostendruck, neue regulatorische Anforderungen, aber auch die steigende Nachfrage nach patientenorientierten Komplettlösungen.

Siemens präsentiert digitales Ökosystem für die Gesundheitsversorgung

Es überrascht nicht, dass sich bei einem solch komplexen Thema wie der digitalen Revolution Siemens Healthineers als selbsternannter Technologieführer in Stellung bringt. Auf der Health IT Conference 2017 HIMSS im Februar in Orlando wurde kein geringerer Anspruch formuliert, als mit einem digitalen Ökosystem die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung voranbringen zu wollen. Im Zentrum steht eine digitale Plattform für Gesundheitsversorger sowie Anbieter von Lösungen und Services, die das gesamte Spektrum der Gesundheitsversorgung abdecken soll. Auf dieser Plattform soll ein digitales Ökosystem entstehen, das sowohl Gesundheitsversorger und Lösungsanbieter im Gesundheitswesen vernetzt als auch deren Daten, Anwendungen und Services miteinander verknüpft.

Im Digital Ecosystem von Siemens Healthineers sollen sich unter anderem Daten aus Bildgebung, In-vitro-Diagnostik und medizinischer Dokumentation kombinieren und auswerten lassen. Die Daten werden in einer der größten installierten Basen der Gesundheitsindustrie erzeugt: bei den Kunden von Siemens Healthineers, die bereit sind, am Ökosystem teilzunehmen. Zusätzlich soll das System seinen Nutzern ermöglichen, auch außerhalb der Grenzen der eigenen Institution mit anderen Experten Daten und Know-how auszutauschen.

Datenbrille für Industrie und Gesundheitswesen

Gleiches Thema, andere Technik. Mit Xpert Eye hat jüngst eine einfache „See what I see“-Datenbrille für Industrie und Gesundheitswesen den Weg nach Deutschland gefunden. Diese ermöglicht Industrie- und Medizinexperten, ihr Wissen weltweit per Datenbrille mit Mitarbeitern an anderen Standorten in Echtzeit zu teilen. Damit eignet sich die Brille gleichermaßen für die Fernwartung medizinischer Geräte wie für Ferndiagnosen in der Medizin oder beim Training von Mitarbeitern und medizinischem Fachpersonal. Echtzeitfähigkeit ist dabei insbesondere beim Einsatz von Rettungssanitätern oder bei Notfallsituationen von Ärzten von großer Wichtigkeit. Als Übertragungsgeräte von Datenbrille zum Experten sind speziell hierfür eingerichtete Android-Smartphones oder Laptops erforderlich.

Ohne Smartphones gibt es keine digitale Revolution

Ohnehin gibt es auch in der Medizin keine digitale Revolution ohne Smartphone. Mit der richtigen App kann heute jenseits professioneller Anwendungen jeder mit dem Smartphone in der Hand zum Lebensretter werden. Wie Notfall-Apps die Rettungskette in Deutschland ergänzen, darauf hat jüngst der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) hingewiesen. Er ruft alle ausgebildeten Ersthelfer auf, sich bei einer sogenannten Notfall-App (www.einlebenretten.de) zu registrieren. Im Notfall könnten so die oft lebensentscheidenden Minuten zwischen dem Auftreten eines Herzstillstandes und dem Eintreffen des professionellen Rettungsdienstes durch den Einsatz ausgebildeter Laienhelfer geschlossen werden, erklärt Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Mitglied des BDA-Präsidiums und Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel.

Auch für Hörgerätehersteller sind Apps ein großes Thema. Sie fördern mit digitaler Kommunikation vor allem den Zugang zu jüngeren Menschen. Branchenprimus Sivantos geht mit seinen Signia-Hörgeräten als erster Hersteller mit Tele Care neue Wege in der Hörgeräteanpassung während der Testphase. Akustiker können über die Smartphone-App „my Hearing“ direkt Kontakt mit den Trägern aufnehmen – und umgekehrt. Dank der Nutzung von iPhone-Bewegungssensoren lassen sich moderne Lösungen noch flexibler an die verschiedenen Hörsituationen des täglichen Lebens anpassen. Insgesamt gibt es derzeit rund 500.000 Medical Apps, von denen jedoch nur ein Bruchteil als Medizinprodukt zugelassen ist.

Deutschland ist reif für ein digitales Gesundheitswesen

Erst kürzlich hat der Digitalverband Bitkom zusammen mit der Bayerischen Telemed-Allianz (BTA) eine Umfrage durchgeführt, der zufolge die Bundesbürger die digitalen Angebote des Gesundheitswesens wie Fitness-Tracker, Online-Sprechstunde oder elektronische Patientenakte gerne in Anspruch nehmen. Demnach werden Gesundheits-Apps, die Fitness- und Körperdaten aufzeichnen, bereits von 45 Prozent der Smartphone-Besitzer genutzt, weitere 45 Prozent könnten sich das vorstellen. Damit die eigene Gesundheit zu verbessern, ist das Ziel.

Digitalisierte Patientendaten wie zum Beispiel MRT-Befunde auf CD hat immerhin schon rund ein Drittel der Befragten einmal vom Arzt bekommen. Zusätzliche 43 Prozent würden entsprechende Resultate künftig ebenfalls gerne in digitaler Form erhalten. „Die digitale Übertragung von Unterlagen erleichtert die Kommunikation zwischen Versicherten, Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus und erspart Patienten viele Wege“, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder diesen Trend und fährt fort: „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens birgt ein riesiges Potenzial für eine bessere und effizientere Versorgung. Eine leistungsfähige Patientenversorgung funktioniert künftig nur noch mit digitaler Unterstützung.“

Conh-IT verbindet Gesundheit mit innovativer IT

Eine gute Gelegenheit, den aktuellen Stand zu erleben, bietet vom 25. bis 27. April die 10. Conh-IT. Der Veranstaltungs-Mix aus Messe, Kongress, Akademie und Networking-Events hat sich zum Ziel gesetzt, zu zeigen, wie IT die Versorgung im Gesundheitswesen qualitativ verbessern und Institutionen im Wettbewerb unterstützen kann. Unter dem Motto „Wir verbinden Gesundheit mit innovativer IT“ stehen unter anderem die Themen Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft und in Krankenhäusern, Informations- und IT-Sicherheit, intersektorale Vernetzung sowie der Nutzen des Internet of Things (IoT) im Fokus. „Ohne IT ist das deutsche Gesundheitswesen in Zukunft einfach nicht mehr vorstellbar“, betont Ekkehard Mittelstaedt, Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT (BVITG) und Veranstalter der Conh-IT.

Doch bessere Patientenversorgung und Arbeitserleichterungen für das medizinische Fachpersonal sind nur ein treibender Faktor, die IT besser in den Healthcare-Markt zu integrieren. „Der deutsche E-Health-Markt dürfte dieses Jahr Schätzungen zufolge einen Umsatz von fast 400 Mio. Euro generieren. Hier steckt enormes Potenzial, auch für ausländische Investoren“, lenkt Julia Rühle als E-Health-Expertin bei Germany Trade & Invest den Blick auf das Marktpotenzial.

BVITG-Positionen zur Bundestagswahl 2017

Nicht zuletzt, um hieran zu partizipieren, hat der BVITG auf seiner Mitgliederversammlung im März Positionen zur Bundestagswahl 2017 vorgestellt. Darin fordert der Verband von der kommenden Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur konsequenten Digitalisierung des Gesundheitswesens. Als wichtiges Handlungsfeld wird insbesondere die Entwicklung eines nationalen E-Health-Zielbildes identifiziert. „Die Gesundheitswirtschaft ist eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft und die Gesundheits-IT eine Branche mit enormen Potenzialen. Fairer Wettbewerb ist dabei der Treiber, den es zu schützen gilt“, betont Mittelstaedt. „Zusätzlich brauchen die Anbieter und Anwender Planungssicherheit und Klarheit über die anstehenden Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung. Gemeinsam mit allen Akteuren benötigen wir eine Vision, aus der sich konkrete und messbare strategische Ziele für die Versorgungslandschaft und Gesundheitswirtschaft ableiten lassen.“

Die aktuelle Bundesregierung habe sich intensiv mit der Digitalisierung des Gesundheitssystems auseinandergesetzt und dahingehend wichtige, längst überfällige Impulse gesetzt, heißt es seitens des Verbandes. Im Hinblick auf die nächste Legislaturperiode gehe es nun darum, diese Impulse aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat derweil schon erklärt, bei einer Wiederwahl im Herbst die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Bildung stärker als bisher vorantreiben zu wollen. In den nächsten vier Jahren müsse den Menschen „möglichst schnell Zugang zur digitalen Erledigung all ihrer Kontakte mit dem Staat gegeben werden“. Das kündigte die Kanzlerin Ende März bei einem Treffen mit Start-up-Unternehmern aus dem Digitalbereich und Netzpolitikern in Berlin an.

Plattform für Deutschlands größtes Telemedizin-Projekt

Doch die digitale Revolution ist auch eine Frage der Infrastruktur. Für die sorgt unter anderem die Deutsche Telekom. Als Projekt mit Modellcharakter hat deren Tochter Telekom Healthcare Solutions (THS) schon vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Carus Consilium Sachsen (CCS) eine Plattform für Deutschlands größtes Telemedizin-Projekt entwickelt. Darauf aufbauend soll nun am Klinikum St. Georg in Leipzig ein Antibiotikanetzwerk und -register als zentrale Befundungs-, Beratungs- und Registerstelle mit höchsten Standards für Patienten mit Infektionskrankheiten entstehen. „Nur durch eine Vernetzung und Zusammenarbeit von Experten auf dem Gebiet von Infektionskrankheiten mit Kliniken, Ärzten und Pflegeheimen ist es möglich, Antibiotika verantwortungsbewusst und zurückhaltend einzusetzen und damit Resistenzen vorzubeugen“, erklärte dazu Staatsministerin Barbara Klepsch bei der Übergabe eines Förderbescheids über 1,2 Mio. Euro im Januar.

Auch THS-Leiter Dr. Axel Wehmeier begrüßt den Zuwachs auf der Plattform Telehealth Ostsachsen. „Eine solche Vernetzung von Ärzten und Kliniken, wie sie hier geplant ist, deckt sich voll mit unseren Zielsetzungen. Mehr als ein Jahr schon zeigen wir mit Anwendungen zu Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Pathologie, dass der Betrieb reibungslos funktioniert. Wir hatten keinen einzigen Ausfall, nicht eine einzige Minute.“

Mehr als 50.000 Patienten pro Monat konsultieren telemedizinisch Dr. Ed

Stichwort Telemedizin: Frei nach dem Motto „lange Wege kurz gemacht“ nutzen europaweit bereits 50.000 Patienten monatlich das telemedizinische Angebot der Online-Praxis Dr Ed und sparen beim virtuellen Arztbesuch Zeit. „Mit Dr Ed richten wir unser Angebot auch an die Menschen, denen der Zugang zur ärztlichen Versorgung erschwert ist“, erklärt Geschäftsführer David Meinertz, der Dr Ed vor sechs Jahren in London gründete. Voll im Trend liegt auch die Nutzung medizinischer Geräte direkt durch die Patienten zu Hause. Tragbare Glukosemessgeräte, mobile Herzfrequenzmesser oder Dialyse in den eigenen vier Wänden und nicht zu vergessen der Trend zu Wearables – der Markt boomt.

Wahl der richtigen Wireless-Technologie für Medizingeräte

Das stellt die Hersteller vor neue Herausforderungen bei der Wahl der richtigen Wireless-Technologie. „Zu den größten Herausforderungen für Entwickler und Projektmanager zählt dabei neben Sicherheitsstandards und Datenschutz die Wahl der richtigen WiFi-Technologie“, erklärt Robert Frodl, Director D/A/CH Customer Development bei Plexus, einem EMS-Dienstleister (Electronic Manufacturing Service). Denn Jahr für Jahr werden neue, verbesserte Wireless-Lösungen auf den Markt gebracht. Im Gegensatz zu klassischen Consumer-Produkten wie Smartphone oder Tablet liegt jedoch der Produktlebenszyklus von medizinischen Geräten bei durchschnittlich sieben Jahre. Hier besteht also ebenso Handlungsbedarf wie bei der Sicherheit und Zertifizierung sowie den flankierenden politischen Maßnahmen. Fazit: Trotz aller ihr innewohnender Dynamik erfolgt die digitale Revolution des Gesundheitswesens nicht im Handstreich.

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