Mergers & Acquisitions in der Medizintechnik Corona und zunächst kein Ende: M&A im 2. Halbjahr 2020
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Die Corona-Pandemie bestimmt weiterhin die M&A-Aktivitäten in der Medizintechnikbranche. Trotzdem kam es zu Mega-Deals im zweiten Halbjahr 2020 – die D/A/CH-Region reagierte allerdings verhalten.

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Die mit dem Frühjahrs-Lockdown verschobenen Operationen einerseits und auf breiter Front rückgängige Arztbesuche andererseits waren zunächst die entscheidenden Bremskräfte für die Medtech-Branche in der D/A/CH-Region. Reduzierte persönliche Kundenkontakte für den Außendienst und ausfallende Messen erschwerten den betroffenen Unternehmen proaktives Gegensteuern. Demgegenüber haben sich die Digitalisierung von Produkten und Lösungen sowie die Nutzung digitaler Kontaktoberflächen in nahezu allen Bereichen massiv beschleunigt und bisherige Versäumnisse in der Anpassung der Geschäftsmodelle unmittelbar ins Blickfeld gerückt. Der davon ausgehende starke Impuls zur Entwicklung und Umsetzung digitaler medizinischer Angebote hat das ausgehende Jahr zu einem weiteren Erfolgsjahr für Start-ups im Medtech- und Digital-Health-Sektor gemacht. Die Zusammenarbeit mit diesen Start-ups ist schließlich nicht nur für Vorreiter in diesen neuen Technologien Teil des Geschäftsmodells. Sie ist auch für Unternehmen, die auf kurzem Weg Rückstände im Digitalisierungsbereich aufholen wollen, eine attraktive Option.
Etwa die Hälfte der erfassten Transaktionen und Kapitalerhöhungen adressiert im weitesten Sinne Digital-Health- und KI-Themen. Im Softwaresegment setzt die Compugroup ihren Einkaufszug fort und übernimmt den texanischen Software-Spezialisten eMDs Inc. Auch die Bayer AG investiert in den USA und beteiligt sich mit bis zu 98 Mio. Dollar an der Informed Data Systems IDS, um mit ihr gemeinsam App-gestützte Plattformen für chronisch Kranke zu entwickeln.
Große Mittelständler investieren
Während sich in der Transaktionsstatistik die Beteiligung von kleineren oder mittleren Familienunternehmen an Start-ups oder gar deren Übernahme noch sehr überschaubar darstellt, sind es vereinzelt große Mittelständler wie Boehringer Ingelheim und Carl Zeiss, überwiegend aber Finanzinvestoren und Family Offices, die in diesem Segment systematisch neue Geschäftsmodelle identifizieren und fortentwickeln. Boehringer investiert über seine VC-Gesellschaft in das KI-Start-up Aignostics, Carl Zeiss übernimmt mit der Arivis einen Big-Data- und Imaging-Spezialisten. Unter den Finanzinvestoren beteiligt sich die MIG gemeinsam mit Samsung am Robotik-Start-up German Bionic und die stets aktive Tübinger SHS am finnischen KI-Spezialisten Neuro Event Labs.
Am oberen Ende der europäischen VC-Aktivitäten bewegt sich die neuerliche Finanzierungsrunde der Schweizer Sophia Genetics, die 110 Mio. Dollar für ihre KI-basierte Big-Data-Analyse-Plattform einwerben konnte.
Mega-Deals trotz und wegen Covid-19
Während das erste Halbjahr 2020 bis auf die geplante Übernahme der Qiagen durch Thermo Fisher weltweit durch die Abwesenheit von Mega-Deals auffiel, bestimmten das finale Scheitern dieser Transaktion und zwei neue Großtransaktionen die Szenerie der letzten Monate. Die 18,5 Mrd. Dollar schwere Akquisition von Livongo Health durch Teladoc Health (zuletzt 0,7 Mrd. Dollar Umsatz mit telemedizinischen Services via Smartphone/Web/Video) kann dabei als größte pandemiegetriebene Transaktion schlechthin gelten. Die Aktienkurse beider Parteien hatten zuvor bereits erheblich vom beschleunigten Trend zu Telemedizin und App-basierter Versorgung profitiert und erhebliche Wachstumserwartungen vorweggenommen. Der nun angesteuerte Deal ist angesichts dieser Eingangsbewertungen und der Transaktionsbewertung eine hohe Wette auf fulminantes Wachstum, das Livongos Umsätze mit Online-Lösungen für die Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht von rund 0,6 Mrd. Dollar 2021 in zehn Jahren auf 11,4 Mrd. tragen soll.
Siemens spielt in der ersten Medtech-Liga
Trotz durchwachsener Perspektiven für das laufende Geschäftsjahr auf beiden Seiten wagt sich Siemens Healthineers mit der geplanten Übernahme von Varian Inc. an die schon länger erwartete Großakquisition. Die Aktionäre des Targets haben der Übernahme im Oktober bereits zugestimmt, auch die US-Regierung (CFIUS) hat im November die Freigabe erteilt, das grüne Licht der Kartellbehörden steht allerdings noch aus. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete Varian mit seinem Produktportfolio rund um die Krebsdiagnostik und die Strahlentherapie einen Umsatz von 3,2 Mrd. Dollar und hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Volumen innerhalb der nächsten zehn Jahre zu verdoppeln. Mit Varian sichert sich Siemens neben seiner Spitzenstellung in der medizinischen Bildgebung nun auch eine führende Position in der Strahlentherapie, in der die Zielgesellschaft einen Marktanteil von 57 Prozent innehat. Den Healthineers ist diese strategische Übernahme einen Kaufpreis von rund 16,4 Mrd. Dollar und damit etwas mehr als das 30-fache EBITDA Varians wert. Die Erlanger wollen den Deal zur Hälfte mit neuen Aktien bezahlen, wodurch sich der Anteil der Muttergesellschaft Siemens auf knapp über 70 Prozent reduzieren dürfte. Neben der Realisierung ihrer strategischen Ziele erhoffen sich die Healthineers nach der Übernahme auch eine Aufnahme in den Kreis der DAX-Unternehmen.
Siemens spielt damit als eine der wenigen europäischen Medizintechnik-Adressen auch weltweit in der ersten Liga. Die wird auch weiterhin im Wesentlichen von US-Gruppen geprägt, umso mehr, wenn man den rapide wachsenden Digital-Health-Sektor in die Betrachtung einbezieht.
Im 2. Halbjahr 2020 weisen allerdings auch die nach Volumen nächstgrößeren internationalen Transaktionen bereits großen Abstand zu beiden Megamergern auf. Im Dezember meldete sich auch Philips mit einer 2,8 Mrd. Dollar schweren Akquisition. Zu diesem Preis übernehmen die Eindhovener die amerikanische Biotelemetry, einen Spezialisten für Patienten-Monitoring und weiten damit ihren Einkaufszug im Digital-Health- und Telemedizin-Sektor aus. Erst im August hatte sich Philips für insgesamt bis zu 360 Mio. Dollar im eher klassischen Medizintechnik-Geschäft den US-Kardiologie-Anbieter Intact Vascular gesichert.
In einer weiteren interessanten Transaktion übernimmt der irisch-amerikanische Sterilisationsspezialist Steris für 850 Mio. Dollar die in komplementären Bereichen aktive Key Surgical und ihr Portfolio mit PPE- (persönliche Schutzausstattung), OP- und Endoskopieprodukten, mit dem im laufenden Jahr ein Umsatz von rund 170 Mio. Dollar und ein EBIT von 50 Mio. Dollar erwartet wird.
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