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IVAM/Messe Düsseldorf Compamed Innovationsforum: neues Format begeistert

Autor / Redakteur: Peter Reinhardt / Julia Engelke

Rechtzeitig vor der Compamed gibt es traditionell ein Forum, um schon vor der Messe über aktuelle Themen zu informieren. Doch in diesem Jahr war fast alles anders.

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Horst Giesen, Global Portfolio Director Health & Medical Technologies der Messe Düsseldorf: „Mit dem neuen Konzept unseres Forums zeigen wir Hightech in der klinischen Anwendung.“
Horst Giesen, Global Portfolio Director Health & Medical Technologies der Messe Düsseldorf: „Mit dem neuen Konzept unseres Forums zeigen wir Hightech in der klinischen Anwendung.“
(Bild: Reinhardt / Devicemed)
  • Anwender reden Tacheles mit den Herstellern
  • Sensoren sind Schlüssel zur digitalen Krankenhauswelt von morgen
  • Gedruckte Medizinelektronik als Eintrittskarte zu Digitalisierung und KI

Das Compamed Frühjahrsforum ist Geschichte, es lebe das Compamed Innovationsforum. Am 10. Juli 2019 haben die Messe Düsseldorf und der IVAM Fachverband für Mikrotechnik gemeinsam ins Helios Klinikum Krefeld eingeladen. Neben Namen, Termin und Ort ist vor allem das Konzept neu. Das diesjährige Forum bringt die Hersteller und Entwickler medizintechnischer Lösungen direkt in den Dialog mit den Anwendern der Endprodukte. Dabei im Fokus – wie sollte es anders sein – das Thema Digitalisierung.

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Helios Klinikum Krefeld ist der perfekte Ort

Das ist sehr interessant, muss sich aber offensichtlich noch in der Branche herumsprechen. Mit rund 40 Teilnehmern hätte die Veranstaltung deutlich mehr Zuspruch verdient gehabt. Denn es geht nicht mehr nur um sehr spezielle Fragen der Mikrotechnik und Medizinelektronik, sondern um deren zielgerichtete Entwicklung – und das zudem nicht mehr auf Englisch, sondern Deutsch.

Das Klinikum Krefeld ist der perfekte Ort, das neue Konzept des Forums umzusetzen. Als Krankenhaus der Maximalversorgung ist es schon aufgrund seiner Größe mit über 30 Fachabteilungen, 1.100 Betten und 2.350 Mitarbeitern gezwungen, auf innovative Produkte, digitale Prozesse und vernetzte Medizinprodukte zu setzen, um seine 60.000 stationären und 120.000 ambulanten Patienten pro Jahr optimal zu versorgen.

Medizintechnik muss für den realen Bedarf des Fachpersonals konzipiert sein

Vor Ort im Klinikum Krefeld wird schnell klar: Medizinproduktehersteller müssen besser werden. Nicht ausreichend kompakt, nicht flexibel genug, zu wertvoll, nicht sinnvoll in den Betriebsablauf auf den Stationen zu integrieren – die Mängelliste der Anwender hinsichtlich Medizintechnikprodukten ist lang. Die Einführungsvorträge der Anwender zeigen, dass Medizintechnik viel zu oft am realen Bedarf des Fachpersonals vorbeientwickelt wird.

Einer, der hier den Finger in die Wunde legt, ist Dr. Jens Ebnet. Der Facharzt für Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen „Intensivmedizin“ und „Notfallmedizin“ ist zugleich auch Vorsitzender der IVAM-Fachgruppe Medizintechnik. Was muss Medizintechnik leisten, fragt er am Ende einer Schicht auf dem Notarztwagen gerne mal die beteiligten Notfallsanitäter. „Sie muss funktionieren“, so in der Regel deren fast schon banale Antwort. Was in der Branche wie ein Affront klingen muss, wird nicht besser, wenn Ebnet ergänzt: „Sie muss auch einfach in der Handhabung sein.“

Dass genau das nicht immer der Fall ist, macht Ebnet am Beispiel der Kathetereinführung in große Blutgefäße deutlich. Weit verbreitet ist hier noch immer die Seldinger-Technik. Die Prozedur aus dem Jahr 1953 erfolgt in fünf Schritten und erfordert viele Komponenten. „Wenn vor allem jungen Kollegen hierbei technische Fehler unterlaufen, ist das nicht verwunderlich. Die komplexe Prozedur passt einfach nicht zur Hektik einer Notfallsituation“, so Ebnet.

Damit wollte sich Ebnet nicht mehr länger zufrieden geben, sodass er vor gut einem Jahr die Ebnet Medical GmbH gegründet hat. Deren Ziel ist, in Kooperation mit anderen Unternehmen Medizinprodukte aus der Praxis für die Praxis zu entwickeln, wobei der Schwerpunkt auf einfachen, sicheren und effizienten Kathetersystemen liege. Leitprojekt ist die Entwicklung des Swordcath, eines Kathetersystems, welches bereits alle notwendigen Komponenten vereint und praktikabel verpackt sein wird. „Es nutzt eine neu intuitiv erlernbare Punktionstechnik und kombiniert eine kleine Punktionsnadel mit einem größeren Katheter“, erklärt Ebnet. Doch gute Technik alleine genügt nicht. Wie viele andere Hersteller beklagt auch Ebnet die hohen regulatorischen Hürden und mangelnde politische Unterstützung für KMU bei der Zulassung innovativer Medizinprodukte.

Rein in die Denk-Maschinerie der Anwender

Dass es durchaus Möglichkeiten zur Unterstützung und finanzieller Förderung innovativer Konzepte und Ideen gibt, stellte Maren Geissler vom Helios Center for Research and Innovation (HCRI) aus Wuppertal den Forumsteilnehmern vor.

Ziel des HCRI ist es, ausgehend von den Ideen der Helios-Mediziner neue Lösungen zu entwickeln – mit oder ohne Industriepartner. Dabei werden sehr gerne auch externe Anregungen berücksichtigt. „Uns interessiert zunächst alles. Technologieoffen steht dabei die Lösung im Fokus“, so Geissler. Jederzeit offen für neue Ideen finden am Standort Wuppertal interdisziplinäre Treffen für sektorenübergreifende Innovationen statt. „Alles, was dort besprochen wird, kommt in unsere Denk-Maschinerie“, ermuntert Geissler die Teilnehmer, mit Ideen für neue Produkte und Prozesse auf das HCRI zuzugehen. Zuvor hatte schon Gastgeberin Franziska Niederschelp vom Helios Klinikum betont, wie wichtig es ist, dass Patientendaten aus Medizingeräten, Laboren und von der Station künftig automatisiert und gebündelt digital zusammengeführt werden müssen.

Sensoren ermöglichen Anwendungen für verbesserte Patientenversorgung

Die zweite Session des Compamed Innovationsforums thematisierte in guter alter Tradition wieder Technologien, die innovative Möglichkeiten für Anwendungen in Diagnose und Therapie bieten. So hat beispielsweise das CSEM aus der Schweiz ein optisches Verfahren entwickelt, um Blutdruck zuverlässig zu kontrollieren. Die Anwendung ist mittels des Lichts der Kamera jedes handelsüblichen Smartphones per App möglich. Eike Kottkamp von InnoME erläuterte indes die Vorteile von Einweg-Sensorik-Produkten: Bei Einsatzgebieten, in denen nicht im Hochpräzisionsbereich gemessen werden muss, können Einweg-Sensoren attraktive Alternativen zu aufwändigen und teuren Sterilisationsprozessen sein und neue Anwendungsfelder ermöglichen, beispielsweise unter Wundverbänden. Dafür setzt Kottkamp auf eine druckbare Polymermatrix mit leitfähigen Partikeln. Denn verfügbare Sensoren klassischer Art seien als „starre Volumenfresser“ einfach zu groß. „Gedruckte Elektronik erlaubt dagegen kleine, flexible Lösungen mit geometrischer Designfreiheit“, zählt Kottkamp gleich drei Vorteile auf, die auch bisher rein analogen Produkten wie Wundverbänden die Eintrittskarte zu Digitalisierung und KI gäben.

Dr. Dirk Janasek vom ISAS e.V. stellte ein innovatives Verfahren für einen zuverlässigen Test auf die Bluterkrankheit vor. Michael Görtz vom Fraunhofer IMS erläuterte, wie Sensor-Implantate in der Lage sind, z.B. Blutdruck, Augen-Innendruck und Hirndruck kontinuierlich zu überwachen sowie Therapiemaßnahmen zu unterstützen. Dr. Heike Kreher von Micronit erläuterte unter anderem, wie ein mikrofluidischer Chip zum Beispiel einen Subtyp von Leukämie mittels Schnelltest ermitteln kann und eine zeitnahe Therapiemaßnahme für den Patienten möglich macht.

Regelmäßige Kommunikation zwischen Anwendern und Herstellern ist essentiell

Ein letzter großer Themenaspekt auf dem Innovationsforum war die Vorstellung und Diskussion von Weiterentwicklungen bereits marktfähiger und – auch im Klinikum Krefeld vor Ort – erfolgreich eingesetzter Produkte. Die Bandbreite umfasst smarte Hausnotrufsysteme der Easier Life GmbH, die WLAN-Anbindung von medizintechnischen Geräten, ein hausinternes Logistik-System für die automatische Vorbereitung der Medikamentendosen für stationäre Patienten, ein Infrarot-basiertes System zur diskreten Raumüberwachung in Hinblick auf sturzgefährdete Patienten, innovative Visitenwagen für Krankenhauspersonal und Robotik-Systeme zur Unterstützung von Querschnittsgelähmten, aber auch von Pflegepersonal beim Tragen von schweren Lasten.

Fazit: Die regen und produktiven Diskussionen zwischen den Vorträgen und zum Abschluss verdeutlichen den enormen Bedarf an Kommunikation zwischen Anwendern und Herstellern. Der Autor dieses Artikels jedenfalls ist davon begeistert.

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