Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik Vorsicht vor Verkeimung
Ob in der Unfallchirurgie oder der Orthopädie – medizinische Implantate sind aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Seit einigen Jahren werden verstärkt auch solche eingesetzt, die sich im Körper von selbst wieder abbauen. Eine Verkeimung gilt es zwingend zu verhindern – z.B. durch eine intrinsische Infektionsprophylaxe des Materials.
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- Medizinische Implantate aus Magnesiumlegierungen mit Silberanteil
- Elektrochemische Methode zur vergleichenden Betrachtung metallischer Werkstoffe
- Untersuchung führt zu einem zufriedenstellenden Ergebnis
Wer sich schon einmal Schulter, Knöchel oder Handgelenk kompliziert gebrochen hat – beispielsweise bei einem Sturz mit dem Fahrrad – der weiß die Erfindung medizinischer Implantate zu schätzen. Geben sie doch dem lädierten Knochen wieder Stabilität und ermöglichen so erst die Heilung. Manche Implantate verbleiben dauerhaft im Körper, andere werden nach Abschluss des Heilungsprozesses wieder entfernt.
Letzteres macht eine zweite Operation notwendig. Jede OP ist für den Patienten jedoch ein potenzielles Risiko, weshalb – wo möglich – verstärkt auf solche Implantate gesetzt wird, die sich im Körper nach definierter Zeit von selbst wieder abbauen. Allen Implantaten gemein ist: Eine Verkeimung stellt für den Patienten eine große Gefahr dar und muss zwingend vermieden werden. Über den Einsatz bestimmter Werkstoffe kann eine intrinsische Infektionsprophylaxe betrieben werden, doch müssen natürlich auch alle anderen Materialeigenschaften im Sinne der medizinischen Anwendung stimmen.
Medizinische Implantate aus Magnesiumlegierungen
Magnesiumlegierungen sind aufgrund ihrer hervorragenden mechanischen Eigenschaften und der guten Biokompatibilität vielversprechende Materialien für einen Einsatz in der Medizin. Ihre Degradation in physiologischer Umgebung ermöglicht die Entwicklung bioresorbierbarer Implantate. Demgegenüber geben die Steuerung der Korrosionsprozesse und die Darstellung antiinfektiver bzw. antibakterieller Oberflächen aktuelle Anforderungen vor. Diesem Ziel ordnet sich die Entwicklung von antibakteriellen Magnesium-Silber-Legierungen unter. In Zusammenarbeit mit den Universitätskliniken in Hamburg, Hannover und Graz, dem Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik Heiligenstadt e.V. (Iba) sowie weiteren Partnern hat das Helmholtz-Zentrum Geesthacht unter der Federführung von Prof. Dr. Regine Willumeit-Römer eine Forschungsinitiative zu Magnesium-Implantaten initiiert. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der antimikrobiellen Modifizierung des Magnesiums durch Silber.
Intrinsische Infektionsprophylaxe des Materials
Silber kann die Besiedelung und Vitalität von Bakterien reduzieren und so die Infektionsgefahr senken. Allerdings wird auch die Korrosionsgeschwindigkeit von Magnesium durch den Silberanteil erhöht. Durch Gadolinium als weiteres Legierungselement lässt sich jedoch die Geschwindigkeit der Korrosion beeinflussen. Damit ist es möglich, die Korrosion und Bioresorption von Magnesium an die erforderliche Zeit der Implantatbeständigkeit anzupassen, ohne auf den infektionshemmenden Effekt von Silber verzichten zu müssen.
Degradationsanalyse mittels Impedanzspektroskopie
Die Erfassung der Korrosionsmechanismen ist das Ziel elektrochemischer Methoden zur vergleichenden Betrachtung metallischer Werkstoffe. Hierbei ist der wesentliche Vorteil der Impedanzspektroskopie gegenüber der potenziodynamischen Polarisation die deutlich geringere Einflussnahme auf das Werkstoff-Elektrolyt-System durch eine nur geringe Polarisation relativ zum freien Korrosionspotenzial (Kleinsignalbereich). Es können mittels dieser Methode Aussagen zum dynamischen Verhalten eines Werkstoffs unter korrosiven Bedingungen getroffen werden. Zudem erlaubt eine angepasste Methodik eine Aussage zum zeitabhängigen Systemverhalten von dynamischen Systemen.
Dem Metall wird dabei eine Wechselspannung als periodisches Anregungssignal aufgeprägt. Die Messung des Wechselstroms als ebenfalls periodisches Antwortsignal erfolgt frequenzabhängig. In Abhängigkeit der Einflussgrößen z.B. Korrosionsmedium, Amplitude und Frequenzbereich sind Aussagen über den Korrosionsprozess an der Phasengrenze, die Ausbildung von Deckschichten und die Reaktionsmechanismen möglich. Die Entwicklung von Magnesium-Silber-Legierungen zielt auf die Nutzung der antibakteriellen Eigenschaften des Silbers ab. Gleichzeitig ist bekannt, dass Silber als Legierungselement die Degradation des Magnesiums fördert. In Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht (Institut für Werkstoffforschung) wurden Magnesium-Silber-Legierungen mit steigendem Silbergehalt – Mg1Ag, Mg2Ag, Mg6Ag, und Mg8Ag – bezüglich des Korrosionsverhaltens und ihres Biofilmbildungpotenzials bewertet.
Impedanzspektroskopie erfolgt in einem Laborbioreaktor
Die Impedanzspektroskopie erfolgte unter in-vitro-Bedingungen in einem Laborbioreaktor, der eine Messung unter Kontrolle der Temperatur sowie des pH-Wertes und des Sauerstoffgehaltes erlaubt. Die zu untersuchenden Materialien wurden in einem Dreielektrodensystem an einen Impedanzanalysator von Zahner (IM6) gekoppelt, wobei Platin als Gegenelektrode und eine Kalomelelektrode als Bezugselektrode fungierten. Die Aufnahme der Spektren wurde im Ruhepotenzial über einen Frequenzbereich von 100 bis 1 MHz mit einer Amplitude von 10 mV realisiert. Zudem erfolgten vor und nach der Inkubation REM/EDX-Analysen und die Analyse der freigesetzten Elemente mittels AAS.
Bereits die Betragskurven der Impedanz weisen insbesondere im niederfrequenten Bereich auf eine durch den Silbergehalt verstärkte Oberflächenreaktivität der Legierungen hin. Aus den entsprechenden Ortskurven (Nyquist-Diagramm) lässt sich zudem aufgrund induktiver Anteile eine steigende Neigung zur Lochfraßkorrosion bei den Legierungen Mg6Ag und Mg8Ag feststellen. Die Quantifizierung der aus dem Fit der Spektren abgeleiteten Parameter Schichtkapazität, Polarisationswiderstand und Induktivität bestätigt das beschleunigte Degradationspotenzial der silberhaltigen Legierungen. Ferner wird durch die elementspezifische Analyse der Oberflächen (EDX) und der Degradationsmedien (AAS) das erhöhte Korrosionspotenzial gezeigt.
Reduktion der Biofilmbildung auf Mg-Ag-Legierungen
Aus infektionsbiologischer Sicht ist die Vermeidung bzw. Verringerung einer bakteriellen Besiedlung durch Mikroorganismen auf Implantatwerkstoffen eine notwendige Bedingung für einen nachhaltigen Therapieerfolg. Zur Simulation der Bedingungen, denen die Implantate im Körper ausgesetzt sind, wurde ein Laborbioreaktor eingesetzt. Er ermöglicht die Steuerung der für die Korrosion wichtigen Parameter Temperatur, pH-Wert und Sauerstoffgehalt.
Die Bildung eines Biofilmes unter dem Einfluss korrodierender Magnesiumimplantate wurde mit einem in-vitro-Biofilmsimulationssystem getestet, das aus einem Bioreaktor und angekoppelten Fließkammern besteht und durch das eine Staphylokokken-Suspension im Cross Flow über die zu testenden Magnesiumimplantate geleitet wird. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen kam ein Mix der Infektionskeime Staphylococcus aureus (DSM 20231) und Staphylococcus epidermidis (DSM 3269) zur Anwendung. Nach der Inkubation erfolgte die quantitative Analyse der Menge adhärierender Bakterien je Fläche sowie die Bestimmung der Vitalität der Bakterienpopulationen über eine geeignete Fluoreszenzfärbung (Baclight). Die Ergebnisse der Testungen zeigen, dass die Adhäsion von Staphylokokken und deren Vitalität mit steigendem Silbergehalt in den Magnesiumlegierungen signifikant sinkt.
Silberhaltige Magnesiumlegierungen reduzieren Infektionsrisiken
Für die hier untersuchten silberhaltigen Magnesiumlegierungen ist festzustellen, dass die Korrosionsanfälligkeit mit dem Silbergehalt korrelierbar ist. Impedanzspektroskopische Daten weisen darauf hin, dass dieser Umstand mit einer verstärkten Lochfraßkorrosion bei Legierungen mit hohem Silbergehalt zu begründen ist. Die Beimischung von Silber in Magnesiumimplantate kann zur Reduzierung der Biofilmbildung und damit zur Reduzierung von Infektionsrisiken durch Bakterienadhäsion an künstlichen Implantatoberflächen beitragen. Die Untersuchungen zeigen auch, dass die Kombination von Impedanzspektroskopie mit der biotechnologischen Kultivierung eine sichere und reproduzierbare Prüfung von Magnesiumlegierungen im Hinblick auf ihr Degradationsverhalten und potenzielle antimikrobielle Effekte ermöglicht.
Die Arbeiten wurden im Rahmen der Initiative „Virtual Institutes“ der Helmholtz-Gesellschaft (Förderkennzeichen VH-VI-523) gefördert. Die Autoren bedanken sich bei Prof. Dr. Regine Willumeit-Römer für die freundliche Unterstützung und die Bereitstellung von Mg-Legierungen.
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Dieser Artikel ist zuerst erschienen auf unserem Schwesterportal www.laborpraxis.vogel.de.
* Die Autoren: Dr. R. Schade, Dr. M. Frant, Prof. Dr. K. Liefeith: Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik e.V. (Iba).
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