„Mit der Digitalisierung droht technologisch eine Fragmentierung der Märkte“
Die Weltmärkte verändern sich in immer größerem Tempo. Einer der das sehr genau beobachtet, ist Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), der in diesem Jahr die Key-Note auf dem „6. Außenwirtschaftstag Medizintechnik, Pharma und Labortechnik“ (s. Kasten) von Spectaris am 29. November im Auswärtigen Amt in Berlin spricht.
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Prof. Vöpel, sind heutzutage überhaupt noch zuverlässige Vorhersagen zur Entwicklung der Weltmärkte möglich?
Die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch – geopolitisch, ökonomisch und technologisch. Hinzu kommen die vielen Krisen und Konflikte. Das führt zu großer Verunsicherung und Unsicherheit auf den Märkten, weil niemand weiß, wie die neue globale Ordnung aussehen wird. Vor diesem Hintergrund ist es sehr schwierig, die Entwicklung der Weltmärkte vorherzusagen. Die alten Modelle und Methoden sind nur bedingt anwendbar. Deshalb ist es derzeit so wichtig, die derzeitigen Umbrüche umfassend zu verstehen, nicht nur ökonomisch. Die Globalisierung der Zukunft wird jedenfalls technologisch und geopolitisch anders aussehen als jene, die wir vor der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 gekannt haben.
Was erwarten Sie speziell für den Markt der Medizin- und Labortechnik?
Die Zielmärkte werden sich sehr unterschiedlich entwickeln. Deshalb ist es wichtig, markt- und anwendungsgerechte Produkte zu entwickeln und anzubieten. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung droht technologisch eine Fragmentierung der Märkte. Einige Länder werden zurückfallen, der Rest wird sich stärker systemischen, integrierten Lösungen zuwenden. Sehr entscheidend dürfte sein, ob es eine regulatorische Konvergenz gibt, die gerade für die Medizintechnik sehr wichtig ist. In diesem Zusammenhang spielen die handelspolitischen Entwicklungen im Umfeld von TTIP und TPP eine große Rolle. Grundsätzlich dürfte weltweit die Nachfrage nach Standardprodukten zunehmen, weil sich in vielen Ländern trotz Wachstumsverlangsamung das breite Einkommensniveau erhöht und die Gesundheitsnachfrage auf frei finanzierten Märkten überproportional zum Einkommen zunimmt. In den etablierten Märkten ist die Nachfrage in eher hochtechnologischen Segmenten natürlich eher öffentlich finanziert und somit restringiert.
Müssen sich Unternehmen dieser Branche auf einen Richtungswechsel einstellen?
Auch und gerade in dieser Branche sind die Innovationen sehr disruptiv. Gleichzeitig wird die Frage der Regulatorik entscheidend dafür sein, wie stark die Veränderungsprozesse tatsächlich sein werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, die unternehmensinternen, aber auch branchenübergreifenden Innovationssysteme zu aktivieren und agil zu machen. Denn durch die Digitalisierung entstehen an den Schnittstellen der datenbasierten Vernetzung neue Lösungen, die weniger produkt- als vielmehr serviceorientiert sein werden. Die Wertschöpfungsketten werden räumlich und zeitlich kürzer, die Vertriebswege über die Bildung von Plattformen zentralisierter und die Kundenbeziehungen individualisierter. Das ist auf jeden Fall eine wegweisende Veränderung für die Branche.
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