Nürnberg Messe / Medtec Live KI in der Medizin kann vieles, aber nicht alles
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Was in den 50er Jahren mit neuronalen Netzwerken begann, hat sich heute öffentlichkeitswirksam zu Künstlicher Intelligenz (KI) weiterentwickelt. Eine gute Plattform, das zu besprechen, bietet die Fachmesse Medtec Live, die vom 30. Juni bis 2. Juli erstmals als virtuelles Event stattfindet.

- Künstliche Intelligenz entlastet Mediziner und Patienten
- Ohne Hilfe durch den Mensch ist KI keine Hilfe
- Hürde bei der Anwendung von KI hierzulande: hohe regulatorische und datenschutzrechtliche Auflagen
Klar ist: KI kann Medizinern wie auch Patienten erhebliche Unterstützung bieten. Den einen während der Arbeit, den anderen im Alltag. Mit neuen Fortschritten kommen aber auch neue Herausforderungen auf die Anwender zu. Von der passenden Infrastruktur bis hin zu Datenschutzregelungen gibt es noch einige offene Fragen und Diskussionsstoff.
KI lässt Blinde wieder „sehen“
So kann KI zum Beispiel den Alltag von Blinden entscheidend verändern. Das beweist Microsoft mit der frei verfügbaren App „Seeing AI“ (Artificial Intelligence). Der Vater des Projekts beim Software-Hersteller ist selbst blind und hat sich auf der Basis Künstlicher Intelligenz eine Hilfe geschaffen, die im Alltag Straßenschilder vorliest, Menschen erkennt oder Landschaften beschreibt. Kurz: Alles das, was ein Sehender im Alltag über das Auge wahrnimmt, erkennt und versteht, übersetzt die App in textliche und letztlich akustische Informationen. Die Ergebnisse der App werden besser und exakter. Letztlich sind es lernende Algorithmen, die für diese Verbesserung sorgen. Wenn KI in der Lage ist, mit der Vielzahl von Motiven und visuellen Eindrücken im Alltag eines Menschen klarzukommen, wie präzise muss KI dann heute schon bei kleineren Datenmengen sein?
KI – das dritte Auge der Mediziner
Ein weiteres Beispiel für die Anwendung von KI findet sich im Operationssaal. Auch hier ist Microsoft beteiligt und liefert mit Apoqlar eine Lösung für Mixed-Reality-Brillen. „Mit Apoqlar haben wir eine cloudbasierte Anwendung kreiert, die auf Basis von MRT- und CT-Aufnahmen ein dreidimensionales Abbild von Körperregionen konstruiert und dieses in der Mixed-Reality-Brille Hololens darstellt. Aus bis zu 500 Aufnahmen einzelner Schichten von Körperregionen entsteht ein anatomisches Bild, das frei im Raum positioniert werden kann, zum Beispiel von einem Organ mit einem Tumor. Das dargestellte 3D-Bild kann während einer OP millimetergenau auf dem Patienten platziert werden, sodass der Arzt deutlich präziser operieren kann“, erklärt Till Osswald, Director Healthcare bei Microsoft.
Unterstützung in Früherkennung und Diagnose
Derweil beschäftigt sich das KI-Experten-Team von Plan B. unter der Leitung von Carsten Schuff mit der Einführung eines Systems zur Frühwarnerkennung von Schlaganfällen bei Intensivpatienten. Dafür werden die mit dem Intensivpatienten verbundenen Messgeräte testweise mit einer von Plan B. entwickelten KI zur Frühwarnerkennung verbunden. Die KI erhält zweimal am Tag Ergebnisse des jeweiligen Blutbilds, was ihr hilft, später genauere Vorhersagen für das jeweilige Krankheitsbild des Patienten zu treffen. Schuff betont dabei die enge Zusammenarbeit mit den Praktikern vor Ort: „Bei unserer Feldforschung arbeiten wir eng mit den jeweiligen Ärzten zusammen. Dieser Informationsaustausch ist nötig, damit am Ende ein richtiges Ergebnis erzielt werden kann.“ Alexander Stein, Leiter der Fachmesse Medtec Live bei der Nürnberg Messe, ergänzt: „Gerade in der Diagnostik sehen wir schon jetzt viele spannende Ansätze. Gleichzeitig arbeiten Wissenschaft und Forschung intensiv daran, mithilfe Künstlicher Intelligenz Menschen zu entlasten und die Versorgung zu verbessern.“
Interaktiv und transparent: Deep Machine Learning
Eine ähnliche Zielsetzung wie Plan B. verfolgt ein Team aus Informatikern um Prof. Dr. Ute Schmid, Professorin für Angewandte Informatik und Kognitive Systeme an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Aktuell bezieht sich der Boom um Maschinelles Lernen vor allem auf sogenannte Deep-Learning-Systeme, die Muster in sehr großen Datenmengen identifizieren. Ute Schmid kritisiert daran, dass solche Ansätze den Menschen die Kontrolle über Entscheidungsprozesse entziehen: „Die Maschine wird mit Daten gefüttert und liefert eine Klassifikation. Eine solche Blackbox-KI ist in den meisten Anwendungsbereichen nicht sinnvoll. Beispielsweise kann dann ein Arzt nicht nachvollziehen, warum ein KI-System einen Tumor als solchen klassifiziert hat. Außerdem ist es in der Medizin wie auch in vielen anderen Bereichen gar nicht möglich, Daten, wie etwa einem Röntgenbild, die korrekte Klasse, zum Beispiel eine Diagnose, zuzuordnen. Maschinelles Lernen setzt aber voraus, dass die Daten, aus denen gelernt wird, korrekt vorklassifiziert sind.“ Lernen aus Daten führt also nicht zwangsläufig zu korrekten Entscheidungssystemen. Korrelationen von Datenmustern und Klassenentscheidungen basieren nicht notwendigerweise auf einem kausalen Zusammenhang. Daher ist für Schmid und ihr Team das interaktive Einbinden der Ärzte in die Arbeit mit Künstlicher Intelligenz wichtig. Die Bamberger KI-Forscher kombinieren Deep Learning mit der Methode des sogenannten induktiven logischen Programmierens, die erlaubt, maschinelles Lernen interaktiv zu gestalten, und die die Blackbox transparent macht und Systementscheidungen für Menschen verständlich erklären kann.
DSGVO und KI: Ist das überhaupt möglich?
Eine Hürde bei der Anwendung von KI hierzulande sind ohne Zweifel die hohen regulatorischen und datenschutzrechtlichen Auflagen. Denn Künstliche Intelligenz basiert auf der Auswertung einer großen Menge an Daten. Während in anderen Ländern der Welt Patientendaten einfach und in großen Mengen zum Beispiel für das Anlernen von KI-Lösungen verfügbar sind, sind in Deutschland die Genehmigungswege lang. Hier ist man dabei, Lösungen für einen Zwischenweg zur Vermeidung zu großer oder zu geringer Transparenz bei der Auswertung von Patienten- und Kundendaten zu finden. Eine Lösung stellt dabei das Federated Learning dar. Dabei werden Algorithmen auf mehreren verteilten Servern mit dezentral verwahrten Daten trainiert – ohne dass diese Daten untereinander ausgetauscht werden. Das verringert deutlich die Gefahr des Missbrauchs oder der einfachen Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte.
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* Annett Petzold ist New Business Consultant bei TBN Public Relations in Fürth.
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