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MT-Connect – Die neue Medizintechnik-Messe in Nürnberg Intelligenten Implantaten gehört die Zukunft
„Intelligente Implantate“, was ist das eigentlich? Nachdem es seit über 50 Jahren aktive Implantate gibt, hält nun vermehrt die Intelligenz Einzug in Implantate. Aber wie weit sind Forschung und Entwicklung wirklich, was sind die aktuellen Chancen und Herausforderungen?
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Woran erkennt man eine Zukunftstechnik? Daran, dass viele verschiedene Begriffe verwendet werden, die letztlich doch alle dasselbe meinen.
Was sind intelligente Implantate?
In der Fachsprache ist meist von Closed-Loop-Implantaten die Rede, wenn es um intelligente Implantate geht – seltener auch von aktiven implantierbaren Produkten, wobei unter letzteres durchaus auch andere Produkte fallen.
Auch wenn die Begriffe sich mitunter unterscheiden, meinen sie doch alle das Gleiche: Intelligente Implantate sind Implantate, die Aktorik, Sensorik und Signalverarbeitung in sich vereinen. Und auch wenn es der Begriff anders vermuten lässt, sind sie kein besonders neues Gebiet der Medizintechnik. Der klassische Herzschrittmacher ist so etwas wie der Urvater aller intelligenten Implantate.
Intelligente Implantate sind überall im Körper im Einsatz
Neue Herstellungsverfahren, moderne Verbundmaterialien und vor allem die Digitalisierung befeuern diesen Medtech-Bereich in jüngster Zeit zunehmend. So sind mittlerweile eine ganze Reihe intelligenter Implantate im Einsatz – oder zumindest kurz davor. Viele Experten zählen neben dem Herzschrittmacher auch Cochlea-Implantate dazu. Bei der Frage, wo bald Closed-Loop-Systeme eingesetzt werden, gibt es praktisch kein Körperteil, das keines bekommen könnte: Blasen-, Epilepsie- oder Tiefenhirnstimulatoren und Retina-Implantate; Dosiersysteme, künstliche Bauchspeicheldrüsen oder Schließmuskel – die Liste wird länger, je mehr Wissenschaftler und Ärzte man fragt.
One size fits them all? Nicht bei Implantaten
Thomas Stieglitz ist einer von ihnen. Er forscht im Bereich Biomedizinische Mikrotechnik am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Uni Freiburg und beschäftigt sich auch mit intelligenten Implantaten. Basierend auf seinen Arbeiten hat sich erst im letzten Jahr ein Start-up aus der Uni ausgegründet, das Neurostimulatoren entwickeln will, unter anderem zur Blutdrucksenkung. Für Stieglitz gibt es bei intelligenten Implantaten zwar noch einige technische Herausforderungen, ebenso aber auch biologische: „Einfach gesagt weiß man an einigen Stellen nicht genau, wonach man suchen muss, wie Signale im Körper aussehen, die beispielsweise Bluthochdruck verursachen.“ Hinzu komme, dass es zwischen den Patienten eine hohe Variabilität gebe. „Gerade bei Implantaten gilt eben nicht‚ ,one size fits them all‘.“ Das gilt ihrer „Denkfähigkeit“ zum Trotz auch für intelligente Implantate
Die Probleme intelligenter Implantate fangen im Körper erst an
Allerdings treibt die meisten Wissenschaftler und Entwickler intelligenter Implantate dann doch eher die Technologie dahinter um. Die Herausforderung hier ist aber weniger, Innovationen zu finden, sondern bestehende Systeme und Techniken zusammenzuführen, erklärt Thomas Velten, Leiter der Abteilung Biomedizinische Mikrosysteme am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT). „Die technische Seite ist recht einfach: Ein Ingenieur kann ein System bauen, das funktioniert. Dann muss das Gerät aber in den Körper implantiert werden und auch dort jahrelang seinen Dienst tun.“
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VDE-Studie
„Innovationsbedingungen für intelligente Implantate verbessern“
Ähnlich sieht es Simon Herrlich, der bei der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. vor allem in den Bereichen Mikrosystemtechnik, Sensorentwicklung und Mikroelektronik arbeitet: „Bei der Entwicklung von intelligenten Implantaten müssen die Komponenten besonders robust funktionieren, denn das wird durch die Verbindung von Aktorik, Sensorik und Datenverarbeitung in einem Gerät noch komplex genug.“ Besonders die Sensorik bereite Kopfzerbrechen: Diese müsse die gleiche Lebensdauer wie das intelligente Implantat selbst besitzen, so Stieglitz.
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Motiva
Martin Richter, der an der Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT) als Abteilungsleiter an Mikrodosiersystemen forscht, sieht die hermetische Versiegelung als Dauerthema. Er war maßgeblich an der Entwicklung einer extrem kleinen Mikropumpe beteiligt, die bereits auf der Compamed 2015 mit dem Devicemed-Award ausgezeichnet wurde. Sie misst gerade einmal 5 x 5 mm2 in der Fläche und 0,6 mm in der Höhe. Und doch eröffnet sie eine Vielzahl von Anwendungen, bei denen kleinste Mengen an Flüssigkeiten oder Gasen präzise gefördert werden müssen. „Gerade bei diesen Mikropumpen müssen zwei Seiten eines Chips klar hermetisch dicht getrennt werden. Darüber hinaus ist bei allen intelligenten Implantaten das Gehäuse ein großes Thema: Es darf über die komplette Lebensdauer keine Feuchtigkeit in das Gerät kommen“, so Richter.
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Compamed 2015
Für die Umsetzung mangelt es oft an leistungsfähigen Partnern
Bernhard Wolf hatte bis vor Kurzem an der TU München den Lehrstuhl für Medizinische Elektronik inne und leitet mittlerweile das Steinbeis-Transferzentrum Medizinische Elektronik. Er bestätigt die genannten technischen Herausforderungen – zumindest, wenn es nur um das einzusetzende Gerät selbst geht. Intelligente Implantate eröffnen aber über ihre Funktion im Körper hinaus völlig neue Möglichkeiten: Die gesammelten Daten können übertragen, ausgewertet und gespeichert werden, wodurch sich letztlich im besten Fall die Therapie deutlich verbessert. Ein klarer Pluspunkt intelligenter Implantate.
„Dafür braucht es aber eine Konnektivität vom Körper raus in ein externes Gerät. Diese Verbindung muss stabil und sicher sein“, so Wolf. Ferndiagnose und -wartung bei Herzschrittmachern seien technisch problemlos möglich. Woran es scheitere, sei die Unsicherheit der drahtlosen Betriebsstrecke. Das sehen auch andere Experten wie Herrlich und Velten so.
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Raumedic
Denkt man das komplette System der intelligenten Implantate durch – von der Entwicklung bis hin zum fertigen, mit dem Smartphone vernetzten Produkt –, erscheinen all die zu beachtenden Details als zu viele für ein einziges Unternehmen, geschweige denn ein Start-up. Ein Problem, vor dem auch Wolf an der TU München stand: „Unser Institut hatte eine eigene Halbleiterlinie, der fehlte aber der Industriestandard. Die Halbleiterindustrie ist auf wenige große Werke konzentriert und die sind voll ausgelastet.“ Geht es nach Wolf, müssten die Universitäten Zugang zu deren Linien und Prozessen bekommen, beispielsweise im Rahmen von vertraulichen Kooperationen. Nur so ließen sich bereits in der Forschung konkurrenzfähige Produkte entwickeln. Denn für die Umsetzung intelligenter Implantate in die Praxis mangele es oft an leistungsfähigen Partnern.
Ohne Vernetzung und Kooperationen geht es nicht
Deswegen spielen Vernetzung und Kooperationen in der Medizintechnikbranche eine immer größere Rolle, erklärt Dr. Matthias Schier, Geschäftsführer des Forums Medtech Pharma e.V., Europas größtem Netzwerk des Gesundheitswesens. „Die enge Zusammenarbeit von Forschern, Herstellern, Zulieferern, medizinischen Anwendern und Marktexperten ist von entscheidender Bedeutung. Nur so ist gewährleistet, dass innovative Medizinprodukte, wie zum Beispiel intelligente Implantate, zugleich wirksam, sicher und bedienbar sind, um so letztlich der besseren und effizienteren Versorgung von Patienten zu dienen. “
Hürden über Hürden, aber auch Möglichkeiten über Möglichkeiten
Diese Zusammenarbeit wolle das Forum Medtech Pharma über Workshops, Netzwerke und den Fachkongress Medtech Summit begleiten und anstoßen. Der Kongress tagt dieses Jahr parallel zur MT-Connect. Die neue internationale Fachmesse für Zulieferer- und Herstellungsbereiche der Medizintechnik findet 2017 das erste Mal statt – und zwar im Juni in Nürnberg. Für den Veranstaltungsleiter, Alexander Stein, ist eine solche Messe der perfekte Ort, wenn es um intelligente Implantate geht: „Egal ob man Partner, Investoren oder einfach Ratschläge braucht: Auf der Messe findet man, was man sucht. Im schlimmsten Fall geht man mit vielen neuen Kontakten und Inspiration nach Hause.“ Dafür sorgen, so Stein, nicht nur Vorträge und Workshops, sondern auch eine ausgeklügelte Partnering-Software, die interessierte Gesprächspartner gezielt zusammenbringt.
Die Chance der Zusammenarbeit müssten alle Seiten nutzen, mahnt auch Velten vom IBMT: „Forschung und Transfer funktionieren in Deutschland sehr gut. Um die Produkte zur Marktreife zu bringen, müssen aber rechtzeitig zertifizierte Hersteller eingebunden werden.“ Er sieht wenige Kooperationen in der eigentlichen Entwicklung, entscheidend werde es aber bei den Zulieferern, denn „keine Firma fertigt das komplette Produkt selbst“. Genau hier setze die MT-Connect an. Die Fachmesse fokussiert auf Medizintechnikzulieferer und -dienstleister, sodass Entwicklungsteams hier im Idealfall auf geeignete Partner für alle Aspekte des Marktgangs treffen können, ganz gleich, ob sie an intelligenten Implantaten oder anderen Innovationen arbeiten.
Die Zulassung intelligenter Implantate ist eine hohe Hürde
Aber es gibt noch eine ganze Reihe anderer Aspekte, die bei der Entwicklung und Produktion von intelligenten Implantaten zu beachten sind: Die benötigten Materialien müssen hohe Anforderungen an Biokompatibilität erfüllen. Die Zulassung der Medizinprodukte ist eine weitere große Hürde, die Datensicherheit bei externen Geräten eine andere. Man wird nicht darum herumkommen, sich früher oder später mit alldem zu beschäftigen.
„Die Themen Intelligenz und Digitalisierung werden in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle spielen“, so Herrlich von der Hahn-Schickard-Gesellschaft: „Instrumente werden ebenso intelligent, indem man beispielsweise normale Skalpelle mit RFID-Tags versieht.“ Aber auch in der Endoskopie seien durch Trends zur Miniaturisierung schon heute 3D-Bilder oder hochauflösende 4K-Technik möglich.
Der Autor: Jens Fuderholz, Fachjournalist und Geschäftsführer der TBN Public Relations GmbH, Fürth
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