Aktuelle Lage 3D-Druck, wohin man schaut
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3D-Druck, wohin man auch schaut – und das nicht nur in der Medizintechnik. Die 3D-Druck-Branche ist auf Kurs und wächst so stark wie in den Vorjahren. Ein Grund, einen genaueren Blick auf aktuelle Entwicklungen in der additiven Fertigung zu werfen.

3D-Druck oder additive Fertigung (engl. Additive Manufacturing, AM) ist weiterhin im Kommen. Das geht aus aktuellen Analysen hervor. Nach den Covid-bedingten Schwierigkeiten im Jahr 2020 ist die AM-Branche wieder auf Kurs und wächst so stark wie in den Vorjahren. Die Analysen für den Wohlers Report 2022 gehen von einem Wachstum der Branche von 19,5 Prozent im Jahr 2021 aus, während der Ampower Report 2022 von einem Wachstum von 16 Prozent ausgeht. „Wie erwartet, ist die Branche zu einer Zeit des Fortschritts und der Investitionen zurückgekehrt“, sagte Terry Wohlers, Leiter der Beratungsdienste und Marktanalysen bei Wohlers Associates, powered by ASTM International, einem Zentrum für Marktinformationen und Beratungsdienste im AM-Bereich. „Diese Expansion erstreckt sich über die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Gesundheitswesen, Automobilindustrie, Konsumgüter, Energie und andere Sektoren.“ Mit der Reifung der Technologie und der Industrie nutzt eine wachsende Zahl von Unternehmen die additive Fertigung für kundenspezifische Produkte und die Serienproduktion.
Im aktuellen Report der Hamburger Unternehmensberatung Ampower war 2021 die Medizintechnik-Branche erneut der wichtigste Kunde der Systemlieferanten. Nach rund 19 Prozent des gesamten System-Umsatzanteils 2020 kaufte die Branche 2021 Maschinen im Wert von 302 Millionen Euro. Insgesamt ein leichter Rückgang des Gesamtumsatzes, was zu einem 15-prozentigen Marktanteil 2021 führte. Während des Beginns der Covid-Pandemie 2020 wurden viele Systeme angeschafft, um Lieferkettenprobleme zu überwinden und den Bedarf an Gesundheitsversorgung schnell zu decken – ein Einmaleffekt. Die zweitgrößten Kundengruppen waren der Automobil- und Industriesektor. Beide Sektoren machen zunehmend Gebrauch von additiver Fertigung zur Unterstützung ihrer Entwicklungsteams und Produktionslinien. Laut Ampower soll die weltweite AM-Branche bis 2026 von derzeit 8,33 Milliarden Euro auf 19,23 Milliarden Euro wachsen. Wichtige Treiber dafür sind u. a. die Vielfalt und die Perspektiven zum Teil noch junger AM-Technologien. Doch welche Entwicklungen und Forschungsprojekte gibt es aktuell in der Branche?
Die AM-Branche trifft sich wieder in Frankfurt
Auch in diesem Jahr trifft sich die AM-Branche vom 15. bis 18. November wieder auf der Formnext in Frankfurt. Die gebuchte Ausstellungsfläche für die Formnext 2022 übertrifft jetzt schon den Wert der Formnext im vergangenen Jahr, so der Veranstalter. Unter den bereits angemeldeten Ausstellern sind Unternehmen wie 3D Systems, ACAM, Chiron Group, GF Machining Solutions, Materialise, Stratasys und Trumpf vertreten. Darüber hinaus werden zahlreiche junge Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen entlang der gesamten Prozesskette zeigen, genauso wie etablierte Konzerne, die besondere Lösungen für die additive Fertigung entwickelt haben. Dazu zählen z. B. Bosch, Covestro, Evonik, Hexagon oder Sandvik. „Der gesamte AM-Markt hat sich nach einem schwierigen Jahr 2020 wieder deutlich positiv entwickelt. Für die Unternehmen aus der ganzen Welt ist es deshalb umso wichtiger, Projekte, neue Geschäftsideen und Innovationen zu präsentieren und mit einem internationalen Fachpublikum in einem persönlichen Austausch zu diskutieren“, so Sascha F. Wenzler, Vice President Formnext beim Veranstalter Mesago Messe Frankfurt GmbH.
Unkomplizierte Beurteilung der Qualität von 3D-Druckern
Mit zwei Forschungsprojekten zum 3D-Druck beschäftigt sich momentan das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Zum Thema Qualitätssicherung im 3D-Druck sammeln die Experten vom Fraunhofer IPA Bewertungsergebnisse, um sie in eine Datenbank für unterschiedliche Materialien sowie 3D-Drucker zu überführen. Hintergrund ist die VDI-Richtlinie 3405 Blatt 3.2 (Entwurf), die Materialien und Maschinen für den 3D-Druck mit Prüfgeometrien bewertet. Dabei wird eine Reihe von Prüfgeometrien vorgestellt, mit deren Hilfe additive Fertigungsverfahren validiert werden können.
Referenzbauteile eignen sich gut zur unkomplizierten Beurteilung der Qualität von 3D-Druckern. Schwierig wird es für den Anwender erst, wenn er die einzelnen Prüfgeometrien der Referenzbauteile objektiv bewerten soll. Denn wie diese zu beurteilen sind, ist nicht klar definiert. Ein Referenzbauteil mit einem zugehörigen Bewertungssystem für das 3D-Druckverfahren „Materialextrusion“ soll Abhilfe schaffen.
Das von den Fraunhofer-IPA-Wissenschaftlern entwickelte Referenzbauteil enthält unterschiedliche nachprüfbare Geometrien, die auf Basis der VDI-Richtlinie 3405 3.2 (Entwurf) entwickelt wurden. Zu diesen Prüfgeometrien zählt z. B. der „minimale Neigungswinkel freistehender Wände“ oder der „minimale senkrechte Lochdurchmesser“. Insgesamt wurden 17 Prüfgeometrien integriert. Die Grundfläche des Referenzbauteils beträgt 70 x 70 mm². Entwickelt wurde das Referenzbauteil insbesondere für die Materialextrusion. Bei der Materialextrusion (MEX) wird ein erwärmter Kunststoff durch eine Düse gefördert und schichtweise abgelegt. Die Energie, die durch die Erwärmung in den Kunststoff eingebracht wird, reicht aus, damit dieser nach dem Ablegen mit der darunterliegenden Schicht verschmilzt. Nach dem Abkühlen des Kunststoffes entsteht so eine dauerhafte Verbindung.
Zur Beurteilung der Qualität ihrer 3D-Drucker müssen Anwender das Referenzbauteil im ersten Schritt mit den vorgegebenen Fertigungsparametern wie z. B. 0,15 mm Schichthöhe und 0,4 mm Düsendurchmesser fertigen. Anschließend können sie die Prüfgeometrien des gefertigten Referenzbauteils mit dem Bewertungssystem abgleichen. Zu guter Letzt kann der Anwender mithilfe eines 3D-Scanners eine quantitative Abweichungsanalyse vornehmen.
Zwei additive Fertigungsverfahren im Vergleich
In einem zweiten Projekt vergleicht ein Team vom Zentrum für Additive Produktion am Fraunhofer IPA in einer Studie zwei 3D-Druckverfahren miteinander. Ihr Ziel ist es, das technische und wirtschaftliche Potenzial des Selective Absorption Fusion (SAF) gegenüber dem Selektiven Lasersintern (SLS) zu bewerten. Die beiden additiven Produktionsverfahren sind sich ähnlich: Beim SLS wird ein Kunststoffpulver, beispielsweise Polyamid 12 (PA12), flächig aufgebracht, erwärmt und dann selektiv mit einem Laserstrahl verfestigt. Dieser Vorgang wiederholt sich Schicht für Schicht.
Beim SAF werden ähnliche Kunststoffpulver verwendet. Bei dem Verfestigungsmechanismus des Pulvers unterscheidet sich das Verfahren allerdings vom SLS: Nach dem Auftragen des Pulvers je Schicht bringen beim SAF Inkjet-Druckköpfe punktuell eine Tinte auf, die infrarote Strahlung absorbiert. In diesen Bereichen erhitzt sich das Pulver nach der Überfahrt eines Infrarot-Strahlers und verschmilzt miteinander.
Ein möglicher Vorteil dieses Verfahrens ist die Zeitersparnis. Statt einen Laserstrahl in vielen einzelnen Bahnen pro Schicht abzulenken, ist bei der SAF-Technologie nur eine einzelne Überfahrt von Druckköpfen und Infrarot-Lampe notwendig. Somit ist die Bauzeit je Schicht nicht abhängig von den Bauteilen, die gedruckt werden sollen. Allerdings sind SLS und SAF bisher noch nicht systematisch verglichen worden. Diesen Benchmark führt nun ein Forschungsteam um Patrick Springer vom Zentrum für Additive Produktion (ZAP) am Fraunhofer IPA durch. Industriepartner ist 3D-Druckdienstleister Götz Maschinenbau GmbH & Co. KG.
Untersuchen möchte das Projektteam nun vor allem die Freiheitsgrade und Limitationen im Vergleich der Verfahren zueinander. Dazu werden für beide Verfahren vereinheitlichte Testbaujobs für vordefinierte Testszenarien gedruckt und evaluiert. Als Material verwenden die Forscher PA12, den Standardwerkstoff für den 3D-Druck mit Kunststoffpulvern. Für die Herstellung der Testbauteile nutzt das Fraunhofer IPA als eine der ersten Forschungseinrichtungen Europas eine Anlage vom Typ H350 von Stratasys, mit der thermoplastische Pulver verschiedener Lieferanten verarbeitet werden können.
Titan-Implantate mit additiv gefertigter Gitterstruktur
Ein Forschungsprojekt mit Medizin-Bezug behandelt das Laser Zentrum Hannover (LZH): Im Rahmen der interdisziplinär zusammengesetzten Forschungsgruppe 5250 erforscht das LZH die reproduzierbare Fertigung von Implantaten aus Ti-6Al-4V mit einstellbarer, gradierter Porosität. Die Titanlegierung Ti-6Al-4V besitzt eine hohe Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Biokompatibilität. Sie kommt bei vielen medizinischen Anwendungen zum Einsatz, wie in Implantaten und Prothesen. Das LZH will nun innerhalb eines Forschungsprojektes die Steifigkeit von Implantaten präzise einstellen, um diese belastbarer und langlebiger zu machen. Dabei wollen die Forscher das Implantat mithilfe von additiv gefertigten Gitterstrukturen dem Elastizitätsmodul des menschlichen Knochens anpassen.
Dabei sollen auch die Vorteile gradierter Materialien genutzt werden. Denn durch eine innerhalb des Bauteils variierende Gitterstruktur kann das Implantat unterschiedliche mechanische Eigenschaften erhalten, die an vorgegebene Belastungsszenarien angepasst werden können. Ebenfalls werden laut LZH auch die Prozessbedingungen des Laserstrahlschmelzens variiert, wie etwa die Laserleistung. Die so gewonnenen Erkenntnisse über die Einflüsse der Prozess- und Geometrieparameter auf Mikrostruktur, mechanische Eigenschaften, Oberflächentopographie, Korrosions- und Versagenseigenschaften der Implantate sollen dabei helfen, solche Implantate reproduzierbar zu fertigen.
Das ist nur ein kleiner Einblick in die aktuellen Entwicklungen im 3D-Druck-Bereich. Für die Zukunft lässt sich festhalten: Vor allem die Medizintechnik bietet für additive Fertiger eine attraktive Marktchance und spannende Entwicklungsmöglichkeiten.
Weitere Artikel über Auftragsfertigung und Fertigungseinrichtungen finden Sie in unserem Themenkanal Fertigung.
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