Step 5 Wie sich Unternehmen mit einem Re-Start nach Corona nie wieder neu organisieren müssen
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Corona stellt Märkte, Kunden, Wirtschaft und Entscheider vor bisher ungeahnte Herausforderungen. Eine Rückkehr zur alten Normalität florierender Märkte oder zu bisherigen Performance-Kurven scheint kaum möglich. CEOs und ihr Top-Management stehen vor der Aufgabe, wie sie ihre Organisationen in einen reibungslosen operativen Betrieb zurückführen. Die große Chance ist, den Re-Start zu nutzen, um sich innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens für die VUKA-Welt (VUKA = volatil, unsicher, komplex und ambivalent) zukunftssicherer aufzustellen als zuvor.

- 12 Merkmale, an denen man schwache Organisationen erkennt
- In starken Organisationen ist jede Handlung auf den Kundennutzen ausgerichtet
- Agilität funktioniert als Ergebnis eines ganzheitlichen Prozesses
In einigen Berufssparten und Branchen werden flexiblere Arbeitsplatz- und Zeitmodelle mit Homeoffice und mobilem Arbeiten erhalten bleiben. Allein deshalb reorganisieren sich zurzeit viele Unternehmen. Mit ein paar Retuschen am Organigramm wird es allerdings auch diesmal nicht getan sein. Vielmehr bietet sich jetzt die Chance, Strategien und operative Strukturen, Unternehmenskultur sowie vor allem Führungskräfte und Mitarbeiter flexibler zu organisieren als bisher.
Schwache Organisationen arbeiten statisch und produzieren Blindleistung
Natürlich ist jede Organisation anders und auch der Weg zu einer agilen Zusammenarbeit im Unternehmen ist individuell höchst verschieden. In jedem Unternehmen gibt es Reibungsverluste. Es gibt aber Symptome für eine starke und robuste oder schwache und daher krisenanfällige Organisation.
Woran man eine schwache Organisation erkennt:
- 1. Zwischen Teilsystemen (beispielsweise Marketing und Vertrieb) herrscht Konkurrenz, die zu Doppelarbeit und Ineffizienz führt.
- 2. Die Macht- und Ressourcenverteilung der Teilsysteme ist ungleich verteilt.
- 3. Operative Teilsysteme warten lange auf überfällige Entscheidungen und verpassen Marktchancen.
- 4. Es gibt keine oder wenige gemeinsame Werte und Standards.
- 5. Jeder macht, was er will.
- 6. Es herrscht Chaos zwischen Teilsystemen durch unklare Zielvorgaben.
- 7. Zwischen Teilsystemen besteht ein hoher Koordinierungsbedarf.
- 8. Bestimmte Konflikte und Probleme stehen immer wieder auf der Tagesordnung und werden nicht gelöst.
- 9. Erste und zweite Managementebenen verfügen über keine Informationen aus erster Hand.
- 10. Entscheidungen werden getroffen, ohne das ganze Bild zu kennen.
- 11. Bis Innovationen auf den Markt kommen, vergeht viel Zeit für Entwicklung und Entscheidungen.
- 12. Die Organisation wird immer wieder von der Zukunft überrascht durch unerwartete Kunden-, Wettbewerbs- oder Marktentwicklungen
Wenn mindestens sechs der zwölf Merkmale zutreffen, ist es höchste Zeit zu handeln, soll das Unternehmen eine Zukunft haben.
Robuste Organisationen arbeiten agiler und sind produktiver
In starken, robusten Organisationen richten sich alle Führungskräfte und Mitarbeiter am Kundennutzen aus. Es bleibt gar keine Zeit für Blindleistung – zumindest ist dies so, wenn Strategien und Strukturen sowie Unternehmenskultur und Mindset jedes Mitarbeiters darauf ausgerichtet sind. In einer solchen Organisation weiß jeder, welchen Beitrag zum Kundennutzen er zu leisten hat. Dafür sind klar definierte Ende-zu-Ende-Prozesse und transparente Verantwortlichkeiten vorhanden und werden auch gelebt – abteilungs-, funktions- und hierarchieübergreifend. Die Zusammenarbeit operativer Aufgaben sowie unterstützender Funktionen ist klar geregelt. Je nach Aufgabenstellung werden funktionale Teams schnell eingerichtet und nach erfolgreicher Lösung wieder aufgelöst. Entscheidungen werden dort getroffen, wo das größte Know-how versammelt ist. Alle Mitarbeiter und Führungskräfte kennen ihre Rollen und nehmen diese unabhängig von Status und Position wahr. Führung wird als Dienstleistung für ein System verstanden, daher sind Führungsaufgaben an Rollen geknüpft und nicht an Hierarchien. Meetings finden mit einem definierten Zweck, einer Tagesordnung, die ergebnisorientiert abgearbeitet wird und mit einer Ergebnissicherung, die neue Aufgaben und Rollen schriftlich fixiert. Der Informationsfluss ist transparent organisiert, sodass alle Fakten an den Entscheidungsstellen zur Verfügung stehen.
Agilität funktioniert nicht per Arbeitsanweisung
Die Hoffnungen, durch ein paar Arbeitsgruppen und organisationale Anpassungen bei den Arbeitsrichtlinien eine robuste, agile Organisation einzurichten, ist naiv. Agile Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban lassen sich zwar verordnen, funktionieren aber nicht per Arbeitsanweisung. Vielmehr funktionieren sie erst als das Ergebnis eines ganzheitlichen Prozesses, an dessen Ende ein anderes Organisationsdesign auch zu individuellen Verhaltensänderungen führt. Dieser Prozess muss auf den Ebenen Strategie und Struktur, Kultur und Mindset von Management und Mitarbeitern ansetzen. Ausgangspunkt sollten folgende Fragen sein:
- Welche Organisationsform(en) helfen uns dabei, unsere strategischen Ziele zu erreichen?
- Wie richten wir unsere Organisation so aus, dass wir schnell mit neuen Kundenerwartungen umgehen und diese schnellst- und bestmöglich erfüllen?
- Wie gestalten wir unsere Prozesse, damit wir möglichst effizient produzieren können?
- Wie wünschen wir uns Zusammenarbeit?
- Auf welchen Ebenen und wer soll Entscheidungen in Zukunft treffen, damit die vorhandenen Kompetenzen bestmöglich zur Entfaltung kommen?
- Welche Rollen übernehmen Führung für unser System und wer übernimmt dafür auch Verantwortung?
Die Beantwortung dieser Fragen führt zu einem Organisationsdesign, das alle operativen Systeme radikal am Kunden ausrichtet. Damit diese effizient arbeiten können, bestehen klare Regeln für die Zusammenarbeit mit koordinierenden und unterstützenden Systemen.
Oberste Mission des Managements ist es nicht, Aufgaben zu verteilen, sondern Ressourcen bereitzustellen und Kompetenzen zu bündeln sowie Verantwortung dahin zu verlagern, wo die größte Expertise liegt. Ein Modell, mit dem diese Strukturen geschaffen werden können, ist allerdings viel älter als die heutigen agilen Methoden wie SCRUM oder Kanban. Bereits 1959 erschien das Buch „Cybernetics and Management“ des britischen Betriebswirt Stafford Beer, in dem er die Grundzüge seines Viable System Model (VSM) entwickelte. Inspiriert von der Biokybernetik, die die Steuerungs- und Regelungsvorgänge in Organismen und Ökosystemen beschreibt, leitete er Kernelemente für seine Managementlehre ab. Mit VSM betrachtete er Organisationen aus rein funktionaler Perspektive. Geleitet war er von der Frage, welche Funktionen in einem System vorhanden sein müssen und wie diese miteinander zusammenspielen, damit ein System gesund und effektiv seinen Zweck erfüllen kann.
Fehlerkultur etablieren und Mitarbeiterpotenziale entwickeln
Eine lebensfähige (funktionierende) Organisation setzt voraus, dass auch die Unternehmenskultur darauf ausgerichtet ist und sich die Mindsets aller weiterentwickeln. Das Management muss zudem an die Strukturen und Prozesse angepasst und eine Feedbackkultur etabliert werden, in der sowohl horizontal als auch vertikale Feedbackprozesse in beide Richtungen gelebt werden.
Denn Mitarbeiter und Führungskräfte, die ständig auf neue Kunden- und Marktanforderungen reagieren und diese idealerweise antizipieren, arbeiten in wechselnden Arbeitszusammenhängen. Sie entwickeln neue Produkte und Dienstleistungen in agilen Projektgruppen und übernehmen je nach Anforderungen auch jeweils unterschiedliche Rollen, und tragen damit also zu unterschiedlichen Systemfunktionen bei. Verantwortlichkeiten werden in solchen Gruppen ausgehandelt und vergeben. Da sich in solch agilen Strukturen die Rolle von Führungskräften stark wandeln und Mitarbeitenden meist weit mehr als nur einen „Chef“ haben, ist es notwendig, dass Menschen Feedback aus allen Richtungen bekommen und geben. Eine Feedbackkultur, in der Rückmeldung zeitnah, ehrlich und konkret erfolgt, fördert Leistung und Motivation. Auch das Leistungsmanagement muss dafür agiler werden. An die Stelle von rückwärtsgewandten Mitarbeitergesprächen treten Performance Previews, bei denen Fach- und Führungskräfte auf Grundlage gemachter Erfahrungen beschreiben, wie sie sich künftig einbringen können und was sie für ihre persönliche Entwicklung brauchen. Dafür wiederum sind Führungskräfte notwendig, die ihren Kollegen viel Eigenverantwortung, Autonomie und Selbstverantwortung zumuten, um die zukünftig benötigten individuellen und kollektiven Fähigkeiten zu entwickeln.
Es gilt einen kollektiven Growth Mindset zu entwickeln, in dem jeder aus Fehlern lernt und diese Lernkurve als Entwicklung und Change begreift. Die Unternehmenskultur wird um eine Fehlerkultur bereichert, in der jeder einzelne aber auch Projektgruppen neue Verfahren, Methoden, Produkte und Dienstleistungen ausprobieren dürfen, um daraus zu lernen. Dafür brauchen sie Raum und Zeit und müssen ehrlich darüber sprechen, was gut gelingt, und wo sie noch scheitern. Allerdings lassen sich die Bereitschaft zur Offenheit und die Fähigkeit, sich immer wieder auf neue Transformationsprozesse einzustellen, nicht anordnen. Menschen haben häufig innere Widerstände, sich auf Veränderungen einzulassen. Sie bilden Blockaden gegen Transformationsprozesse, weil diese sie aus ihrer Komfortzone holen. Daher brauchen viele Mitarbeiter Führungskräfte, die ihnen als Begleiter und Coach zur Seite stehen, damit sie ihre eigenen Beschränkungen erkennen und lernen, wie sie diese überwinden.
Fazit: So verliert die VUKA-Welt ihre Bedrohung
Den Menschen kommt also eine Schlüsselrolle zu, ob und wie weit sie in einer funktionalen, agilen Organisation zurechtkommen. Zentral ist, dass sich alle Systemebenen vollständig auf ihre Kunden ausrichten, um schneller auf Disruptionen reagieren und neue Produkte auf den Markt bringen zu können. Time to Market wird dann zur Messlatte, ob eine Organisation wachsen kann oder untergehen muss. Wer seine Organisation agiler aufstellt, wird sich nicht immer neu organisieren müssen, ganz gleich, welche Bedrohungen die VUKA-Welt bereithält. Weil agile Organisationen den permanenten Wandel von Märkten, Kundenbedürfnissen und Technologien förmlich in ihre DNA internalisiert haben, werden sie resilienter, also im permanenten Wandel und Wettbewerb widerstandsfähiger.
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* Der Autor: Michael Schwarz ist CEO und Experte für Organisations- und Führungskräfteentwicklung der Step 5 AG, Zürich.
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