France

Bridts Corporate Finance Mergers & Acquisitions in der Medizintechnik (Teil 6): M&A im zweiten Halbjahr 2016

Autor / Redakteur: Dr. Christian Bridts / Peter Reinhardt

Mergers & Acquisitions (M&A) im beobachteten Medtech-Bereich sind mehr und mehr durch verschwimmende Grenzen zu vormals noch recht deutlich abgrenzbaren Nachbarbranchen gekennzeichnet. Immer weniger lässt sich Medizintechnik schlüssig von Branchen und Technologien wie Pharma, Gentechnologie/Präzisionsmedizin, Big Data & Digital Health, Bioelektronik, Robotik oder medizinischen Dienstleistungen trennen.

Anbieter zum Thema

Böhringer Ingelheim (BI) plant eine Kooperation mit Qualcomm, in der beide eine Konnektivitäts-Lösung für das BI-Atemtherapie-Geschäft entwickeln – unter anderem mit dem Ziel einer verbesserten Patienten-Compliance.
Böhringer Ingelheim (BI) plant eine Kooperation mit Qualcomm, in der beide eine Konnektivitäts-Lösung für das BI-Atemtherapie-Geschäft entwickeln – unter anderem mit dem Ziel einer verbesserten Patienten-Compliance.
(Bild: Boehringer Ingelheim)

In gleichem Maße machen klassischen Medtech-Anbietern neue Wettbewerber den Markt streitig. Es zeichnet sich ab, dass dieser Wettbewerb und die sich entwickelnden neuen Strukturen disruptiv wirken könnten, indem sie künftig zu weitgehend neuen Spielregeln führen. Die neuen Mitstreiter und Konvergenzbewegungen ehedem abgegrenzter Branchen spiegeln sich im Transaktionsgeschehen bereits seit Längerem wider – nicht nur am oberen Marktende, sondern auch in den Segmenten darunter. Sie begleiten als Transaktionstreiber die stabil fortlaufende Konsolidierungswelle.

Bildergalerie
Bildergalerie mit 7 Bildern

Flagship-Transaktionen des 2. Halbjahres 2016

Für das zurückliegende Halbjahr sind folgende internationale Flagship-Transaktionen exemplarisch hervorzuheben:

  • Abbott Laboratories verkauft sein Vision-Care-Business (Abbot Optics) für 4,3 Mrd. US-Dollar an Johnson & Johnson – und zieht sich zugleich aus der 5,8 Mrd. US-Dollar schweren Akquisition der zuletzt mit Problemen konfrontierten Alere Inc. aus dem Bereich Point-of-Care-Diagnostik zurück.
  • Danaher stärkt mit der Akquisition von Cepheid (4,0 Mrd. US-Dollar), einem Spezialisten für Molekular-Diagnostik mit einem Umsatz von zirka 540 Mio. US-Dollar, seine Position in diesem Wachstumsbereich.
  • Johnson & Johnson und Alphabet/Google bündeln die Kräfte in ihrem Joint Venture Verb Surgical, um eine führende Position im Wachstumsbereich Robotic Surgery, derzeit dominiert von Intuitive Surgical, aufzubauen. In diesen Markt dringt auch Zimmer Biomet mit der Akquisition der französischen Medtech SA.

In der D/A/CH-Region dominiert volumenmäßig eine bislang nur angekündigte Transaktion das Geschehen. Im November annoncierte Siemens einen baldigen Börsengang seiner Healthineers getauften Medizintechnik-Sparte. Als Motiv wird genannt, dieser damit mehr Eigenständigkeit für weiteres Wachstum zu verschaffen. Der IPO-Kandidat erzielte zuletzt einen Umsatz von 13,8 Mrd. Euro und ein Ergebnis von 3,85 Mrd. Euro. Offizielle Angaben zur angestrebten Bewertung liegen bislang nicht vor.

Strategische Allianz zwischen Siemens Healthineers und IBM Watson Health

Nur einen Monat zuvor hatte Siemens Healthineers eine strategische Allianz mit IBM Watson Health zur weltweiten Unterstützung von Gesundheitsdienstleistern im Population Health Management (PHM) bekannt gegeben. Ziel dieser PHM-Allianz ist, die Gesundheitsversorgung durch eine stärkere Evidenzorientierung (Value Based Healthcare) zu verbessern. Kostspielige medizinische Therapien ohne nachweisbaren Nutzen sollen eingeschränkt und eine ausgeprägte Personalisierung der Versorgung ermöglicht werden. Die Auswirkungen dieser Nutzwertorientierung auf den weltweiten Markt für Medizintechnik und medizinische Dienstleistungen dürften in absehbarer Frist signifikant werden.

Schwedische SCA übernimmt Hamburger BSN Medical

Die größte abgeschlossene Transaktion im zweiten Halbjahr 2016 ist der Verkauf der Hamburger BSN Medical als Anbieter von Lösungen für die Wund- und Gefäßversorgung sowie von Starr- und Stützverbänden an die schwedische SCA. Der Finanzinvestor EQT verkauft die 2012 für 1,8 Mio. Euro erworbene BSN für 2,74 Mrd. Euro weiter. BSN erreichte 2015 einen Umsatz von rund 860 Mio. Euro und einen bereinigten operativen Gewinn von 137 Mio. Euro.

Ergänzendes zum Thema
Info
Devicemed-Kommentar: Das strategische Umfeld analysieren

Mergers & Acquisitions zählen nicht unbedingt zum unternehmerischen Alltag – vor allem in der mittelständischen Medtech-Industrie. Auf den ersten Blick stellen sie nur für die involvierten Unternehmen entscheidende Weichenstellungen dar, die mit Vorbereitung und Nachwehen mehrere Geschäftsjahre beeinflussen. Häufig beeinflussen sie durch ihre Auswirkungen aber auch die Struktur ganzer Branchensegmente und bringen damit auch für ursprünglich nicht beteiligte Unternehmen wesentliche Veränderungen. So ist der Blick auf das Transaktionsgeschehen stets auch eine Aufgabe der strategischen Umfeldanalyse.

Peter Reinhardt, Chefredakteur

Große Anzahl mittlerer und kleiner Transaktionen in der D/A/CH-Region

Darüber hinaus ist die M&A-Landschaft in der D/A/CH-Region durch eine gleichbleibend hohe Zahl mittlerer und kleiner Transaktionen gekennzeichnet. Besonders aktiv zeigen sich B.Braun beziehungsweise Aesculap, die zuletzt vier Übernahmen vollzogen haben. Auffällig ist der mit mehr als 50 Prozent weiterhin hohe Anteil von Transaktionen unter Beteiligung von Finanzinvestoren auf Käufer- oder Verkäuferseite, darunter eine Reihe von VC-Investments in innovative Start-ups.

Stellvertretend für zuletzt gehäufte Transaktionen an der Schnittstelle Medizintechnik und Digital Health sei die Kooperation von Böhringer Ingelheim (BI) und Qualcomm genannt, in der beide eine Konnektivitäts-Lösung für das BI-Atemtherapie-Geschäft entwickeln – unter anderem mit dem Ziel einer verbesserten Patienten-Compliance.

Für die Vielzahl der mittelständischen Medtech-Unternehmen in der D/A/CH-Region ergibt sich aus den verschiedenen neuen Einflüssen eine Gemengelage, die neben Risiken auch Chancen erzeugt. Inwieweit diese Chancen genutzt werden können, hängt zunächst von der richtigen Positionsbestimmung und der Identifikation der entscheidenden, auf das eigene Mikroumfeld wirkenden technologischen Treiber ab. Diese addieren sich zu den seit Jahren wirksamen Basistrends steigender regulatorischer Kosten, wachsender Marktmacht neuer Abnehmerstrukturen und fortschreitender Konsolidierung, die im Verbund auf die Margen drücken und gleichermaßen Innovationsspielraum und strategische Handlungsfähigkeit einschränken.

Es mangelt an Management-Ressourcen

Die Beschränkungen liegen aber nicht nur in verhaltener Innovationskraft und verfügbaren Kapitalressourcen. Selbst dort, wo gangbare Strategien zur Zukunftssicherung entwickelt werden und Kapital vorhanden wäre, dürfte deren entschlossene Umsetzung im Alltag nicht selten durch knappe Management-Ressourcen verhindert werden. Eine nicht umgesetzte gute Strategie führt aber letztlich zum gleichen Ergebnis wie reiner Attentismus in der Hoffnung, dass das bisherige Geschäftsmodell auch ohne Korrekturen irgendwie schon so fortgeschrieben werden kann. Stillstand in einem dynamischen Umfeld kann perspektivisch zur Verdrängung durch agilere, innovativere oder stärkere Akteure führen. Es bleibt dann nur die Veräußerung des Unternehmens, solange vermarktungsfähige Werte bestehen. Zu vermuten ist deshalb, dass sich die Zahl der Transaktionen im mittelständischen Segment weiterhin stabil bis wachsend entwickelt. Auch etwaige Kapitalmarkteinflüsse dürften diesen Trend nur vorübergehend bremsen.

Medizintechnik-M&A des zweiten Halbjahres 2016 als PDF-Datei zum Download

Der Autor: Dr. Christian Bridts ist Gründer und Geschäftsführer von Bridts Corporate Finance, München. Für Devicemed betrachtet er regelmäßig deutschland-relevante M&As auf dem Medtech-Markt.

Weitere Artikel zur Führung von Medtech-Unternehmen finden Sie in unserem Themenkanal Management.

Artikelfiles und Artikellinks

(ID:44464105)