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Konferenz „Go digital or die“ – Digitalisierung ist ein Muss

Von Julia Engelke

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Bei der zweitägigen MEDxD-Konferenz Mitte September, organisiert von Avasis, ZNT und Siemens Digital Industries Software, stand das Thema Digitalisierung in der Medtech-Branche im Mittelpunkt. Wie schlecht die Branche digital da steht, spiegelt sich in den Vorträgen wieder – aber auch, wie das Thema gemeinsam angegangen werden kann und muss.

(Bild: Devicemed/J. Engelke)

Am 14. und 15. September fand die zweitägige MEDxD-Konferenz, organisiert von Avasis in Kooperation mit ZNT Zentren für Neue Technologien GmbH und Siemens Digital Industries Software, statt. Das Dialog-Event drehte sich rund um die Digitalisierung von Product Lifecycle Prozessen in der Medizintechnik- und IVD-Branche und wartete mit einer Kombination aus Vorträgen, Diskussionen, Workshops, intensivem Wissensaustausch und einer Speed-Dating-Session auf. Durch die zwei Tage führten die beiden Moderatoren Sarah Panten (Avasis) und Markus Pöttker (Smith + Nephew). Der erste Tag startete mit dem Aufruf von Sarah Panten,gemeinsam eine Heldenreise zu beginnen und alt eingeschliffene Prozesse mit einer Word-/Excel-Dokumentation in eine digitale Zukunft zu führen.

Den Anfang machte Christina Ziegenberg, Leiterin Referat Regulatory Affairs und stellvertretende Geschäftsführerin vom BV-Med, mit einem Status Quo zu den Folgen der Medical Device Regulation. Aktuell gibt es 36 benannte Stellen (Stand: 9. Dezember 2022), die um die MDR-Zertifizierungen kümmern müssen. Die Realität dabei: die benötigten Kapazitäten sind im Vergleich zur MDD-Zertifizierung höher, die Dauer der Konformitätsbewertung hat sich verdoppelt und es gibt auch mehr Produkte zu zertifizieren. Knapp 6.000 Anträge müssen bearbeitet werden, in den drei Jahren der Übergangszeit wurden 1.000 geschafft – das ist eine ernüchternde Bilanz, so Ziegenberg.

Karim Djamshidi, Executive Director Global Patient Health & Regulatory Compliance bei Karl Storz, erinnerte das Publikum in seinem Vortrag daran: „Die MDR ist nur eine Regularie weltweit“. Die Digitalisierung soll smarte globale Zulassungsprozesse erlauben und damit auch Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben. Es könne nicht sein, „dass die Steuererklärung einfacher ist, als die Dokumentenübermittlung zur benannten Stelle“, so Djamshidi.

Deutsche Medtech-Branche hinkt bei Digitalisierung hinterher

Einen Überblick zum aktuellen Stand der Digitalisierung in der Branche gab Christian Mittler-Goetz, Managing Partner and Partner, Medical Technologies/Health Care Expert der Boston Consulting Group GmbH. Europa hinkt im globalen Vergleich hinterher, die Digitalisierung kommt in der Gesundheitsbranche insgesamt und insbesondere in der Medizintechnik im Vergleich zu anderen Branchen nur langsam in Gang. Dennoch haben die Unternehmen in den letzten Jahren viel investiert, um neue digitale Geschäftsmodelle und die Digitalisierung von Prozessen voranzutreiben. Wichtig sei hierbei, nicht nur die Technologien, sondern auch die Menschen in den Vordergrund zu stellen. Unternehmen müssten in die richtige Schulung ihrer Mitarbeiter investieren.

Wie die digitale Transformation eines Unternehmens aussehen kann, stellte Philipp Bell, CFO und COO der I Thera Medical GmbH exemplarisch am Weg des Start-ups vor. In zehn Jahren machte das Unternehmen einen Wandel von der Excel-Datei bis hin zum Einsatz eines ERP-Systems durch. Heute sei man digital bis hin zur elektrischen Unterschrift. „Wir haben erkannt, dass für ein Start-up effiziente Prozesse aufgrund der knappen Ressourcen essenziell wichtig sind. Eine Digitalisierung der Prozesse ist damit unerlässlich“, so Bell.

Nach der Mittagspause konnten die Teilnehmer in einer interaktiven Sessions zwischen mehreren Angeboten wählen: Speed Dating, ein interaktives Ideenboard und drei Kurz-Vorträge von EM Engineering Methods, Seleon und Metecon.

Daten, Daten, Daten

Bei Simon Riniker, Associate Director & Team Lead Compliance, Systems & Operations, Novartis Pharma AG, stand die digitalisierte Produktentwicklung im Mittelpunkt. Er stellte die Frage: Was unterscheidet die Medizintechnik-Entwicklung von heute mit der derer der 80er und 90er Jahren? Die Antwort: Es sind nicht nur gesteigerte regulatorische Erwartung und Anforderungen oder komplexere Produkte. „Wir leben heute in einer Analog/Digitalen Hybridwelt, in der man tagtäglich an Grenzen und Bruchlinien stößt, und nur fortschreitende Digitalisierung erlaubt uns die nötige Flexibilität und Übersicht um auch in den nächsten Jahren erfolgreich zu entwickeln“, so Riniker. Ganz wichtig dabei: Daten, Daten, Daten. Und natürlich der richtige Umgang mit eben diesen.

Um End-to-end Datenprozesse für eine verbesserte Qualität in der Medizintechnik-Fertigung ging es in dem Vortrag von Sébastien Martin und Peter Mathoy, Helbling Business Advisors.

In einer anschließenden Diskussionsrunde diskutierten die Teilnehmer mit allen Referenten über offengebliebene Fragen zu den einzelnen Vorträgen und allgemeinen Themen. Es wurde deutlich, dass das Potenzial einer integrierten digitalen Schnittstelle zwischen Produktentwicklung und Produktion in der Medizintechnik noch nicht richtig genutzt wird.

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Ein Lichtblick in der Welt des regulatorischen Wahnsinns zeigte Sebastian Kriegsmann (Head of Digital Infrastructure & IT Services, DIN e.V.) auf: Digitale SMART-Standards sind auf dem Weg und werden eine effiziente Integration von regulatorischen Anforderungen in die Produktentwicklung ermöglichen. Ab 2024 wird der Normungsprozess umgestellt mit dem Ziel, dass alle Normen ab 2030 in einem vollständig digitalen Format bereitgestellt werden können.

Digitale technische Dokumentation hilft auch benannten Stelle

Wie groß der Nutzen einer digitalen technischen Dokumentation auch für die benannten Stelle wäre, machte der Vortrag von Andreas Purde (Global Director Functional Safety, Software & Digitization Medical Devices, TÜV Süd) deutlich: ca. 80 Prozent der Zeit beim Review wird für die Suche nach Informationen benötigt. Eine digitale Dokumentation könnte wahrscheinlich eine doppelt so schnelle Überprüfung von technischen Dokumentationen ermöglichen. „Wir sind in der Digitalisierung nicht da, wo wir sein sollten", so Purde. Er rief dazu auf, entsprechende Digitalisierungsinitiativen in der Branche zu unterstützen.

Christoph Bosshard, Co-CEO der Oertli Instrumente AG, erinnerte an die Aufgabe der Medtech-Branche, Patienten zu helfen. Er zeigte auf, wie wichtig eine unternehmensweite Digitalisierungsstrategie im Hinblick auf den Purpose des Unternehmens ist. Digitale Prozesse sind ein wichtiger Baustein für höhere Effizienz und letztendlich eine bessere Patientenversorgung. Sein Fazit als Geschäftsführer: „Go digital or die“ – Digitalisierung ist ein Muss und keine Option, wenn man als Unternehmen langfristig am Markt bestehen will.

Als Abschluss des ersten Tages stellten die beiden Moderatoren Markus Pöttker und Sarah Panten den Medical Device Knowledge Unit (MDKU) e.V. vor. Aus der 2019 von Avasis gestarteten Initiative ist inzwischen ein gemeinnütziger Verein entstanden, welcher die Mission hat, ein einheitliches Datenmodell für Informationen in der technischen Dokumentation zu entwickeln. Durch eine einheitliche regulatorische „Sprache“ werden Diskussionen um die Interpretation und Deutungshoheit von Begriffen reduziert. Das Datenmodell soll eine Grundlage für eine effiziente Digitalisierung von Prozessen und der dazugehörigen Dokumentation sein.

Der zweite Tag wurde von Ralf Thür, Geschäftsführer von Avasis, eröffnet, gefolgt von zwei Keynotes von Klaus Löckel, CEO DACH, und James Thompson, Sr. Director, beide Siemens Digital Industry Software. Gemeinsam gaben sie einen Überblick über bereits verfügbare Technologien und zeigten Case Studies für erfolgreich umgesetzte Projekte. Thompson gab zusätzlich einen Einblick in den U.S.-amerikanischen Medtech-Markt und berichtete, dass sich die FDA (Food and Drug Administration) bereits intensiv mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt.

Workshops und Digitalisierungsreise für die Teilnehmer

Anschließend konnten die knapp 100 Teilnehmer zwischen diversen Workshops und einer Digitalisierungsreise auswählen, um einzelne Themen zu vertiefen. Dazu gehörten: Change Management, Produktentwicklung und Schnittstellenprozesse, Möglichkeiten von PLM-Software, digitale Fertigungssteuerung sowie eine der aktuellen „Hot Topics“: Post-Market Surveillance und die Integration von Schnittstellenprozessen.

Am Ende der zwei Tage war eines klar: Es ist Zeit zu handeln. Gemeinsam kann die Digitalisierung von Prozessen und Dokumentation in der Medtech-Branche vorangetrieben werden.

Die aktuellen regulatorischen Herausforderungen bieten eine Chance, alteingeschliffene Prozesse zu hinterfragen und durch den Einsatz von digitalen Lösungen eine mit Word und Excel unmögliche Effizienz zu erreichen. Damit könnte die Grundlage geschaffen werden, dass in der Medtech-Branche wieder mehr Kapazitäten für die Entwicklung und Zulassung von innovativen Produkten zur Verfügung stehen.

Die nächste MEDxD wird am 26. und 27. September 2023 in Berlin stattfinden.

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