Projekt Kollaborationen können das Gesundheitswesen vorantreiben
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Das Gesundheitswesen steckt voller ungenutzter Daten, die enormes Potenzial bergen. Die Projektpartner von Aiqnet möchten dieses bisher schlummernde Potenzial von Gesundheitsdaten erschließen. Nach drei Jahren Projektlaufzeit ist klar – das digitale Ökosystem ermöglicht nicht nur die Nutzung strukturierter medizinischer Daten, es treibt auch Kollaborationen zwischen Medizintechnikherstellern, Softwarespezialisten und Kliniken voran.

Patientenfragebögen, Anamnesen, Röntgenbilder, Laborberichte – in Krankenhäusern fallen täglich zahlreiche Daten an, die oftmals nur einmalig genutzt werden, bevor sie in diversen analogen oder digitalen Archiven verschwinden. Dabei bergen diese Datenmengen enormes Potenzial – z. B., wenn sie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet werden. So ließe sich etwa herausfinden, welche Behandlungsmethoden, Medikamente oder Medizinprodukte sich bei bestimmten Patienten als besonders effektiv erwiesen haben, oder wo Risikofaktoren bestehen, die nach einer Operation zu einem komplikationsreichen Heilungsverlauf des Patienten führen können. Aiqnet soll diese Daten künftig nutzbar machen. Im Fokus steht dabei die Interoperabilität, also das nahtlose Zusammenspiel unabhängiger, heterogener Systeme, um Daten effizient und verwertbar auszutauschen. Bestehende und bereits erprobte Softwarelösungen sollen in das Ökosystem integriert werden und durch die Interoperabilität den maximalen Nutzen für die Anwender bieten. Da es sich um sensible Patientendaten handelt, ist ein verlässlicher Rahmen zur ethischen und rechtlich konformen Nutzung unerlässlich. Aiqnet wird auch hier sowohl den Patienten als auch die Nutzer und Anbieter von Daten bei der Einhaltung der erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützen.
Intelligente Textauswertung – Nutzung der Potenziale im digitalen Ökosystem
Die Partner im Projekt Aiqnet, die zu den Gewinnern des KI-Innovationswettbewerbs gehören und seit 2020 durch das BMWK gefördert werden, haben sich zum Ziel gesetzt, die Potenziale durch ein digitales Ökosystem auszuschöpfen. Dort sollen nicht nur die zahlreichen Daten von Krankenhäusern, Arztpraxen oder Medizintechnikfirmen nutzbar sein, sondern auch KI-Anwendungen zur Verfügung gestellt werden, auf die Anwender, z. B. Pharmaunternehmen, Medizinproduktehersteller oder Ärzte, zugreifen können, um Analysen durchzuführen. Diese Anwendungen können Detaillösungen zum anonymisierten Datenaustausch sein oder Applikationen, die relevante Daten in Fließtexten verstehen oder radiologische Bilder vollautomatisch analysieren. Im Rahmen des Projekts wurden beispielsweise bereits Lösungen entwickelt, die das medizinische Personal dabei unterstützen, händisch verfasste Dokumente zügig zu digitalisieren. Durch Natural Language Processing (NLP) wird die intelligente Auswertung von Textdokumenten über KI möglich, während so genannte Convolutional Neural Networks (CNN) dazu in der Lage sind, Bilddaten zu analysieren. So reicht ein Scan aus, um die Daten dem Aiqnet-Ökosystem zur Verfügung zu stellen.
Herausforderung MDR: Medizintechnikfirmen bleiben wettbewerbsfähig
Post Market Surveillance (PMS) und Post Market Clinical Follow-Up (PMCF) stellen Medizintechnikhersteller in Bezug auf die Europäische Verordnung für Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR) immer noch vor große Herausforderungen. Sie müssen in großem Umfang klinische Daten sammeln, um die Sicherheit und die Leistung während der erwarteten Lebensdauer des Produkts zu bestätigen, die fortwährende Vertretbarkeit der ermittelten Risiken zu gewährleisten und auf der Grundlage sachdienlicher Belege neu entstehende Risiken zu erkennen. Die Automatisierung dieser zusätzlichen Aufgaben soll Medizintechnikfirmen dabei unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit weiterhin aufrechtzuerhalten. Ein Ziel des Aiqnet-Konsortiums ist es daher, einen herstellerübergreifenden Prozess zu initiieren, der es allen Beteiligten ermöglichen soll, die Anforderungen der MDR in Bezug auf Datenmenge und -qualität zu erfüllen, praxistauglich zu präzisieren und die Erhebung der benötigten Daten zu vereinfachen.
Taskforce „Vernetzter OP“
Die Projekt-Taskforce „Vernetzter OP“ – bestehend aus dem Universitätsklinikum Leipzig (UKL), dem Innovationszentrum für Computerassistierte Chirurgie (ICCAS), der TZM GmbH aus Göppingen und der Inomed Medizintechnik GmbH aus Emmendingen – verfolgt das Ziel, die Interoperabilität der Medizingeräte im OP sicherzustellen und so die alltäglichen Handlungsabläufe während der Operation zu vereinfachen. Zwar existieren bereits vernetzte OP-Geräte und Systeme, allerdings stellen diese zumeist herstellerspezifische Insellösungen dar, die für jedes Krankenhaus individuell und manuell integriert werden müssen. Aus diesem Grund wurden in der Taskforce Schnittstellen für Medizingeräte, insbesondere für die Neuromonitoringsysteme ISIS IOM und C2 Xplore, basierend auf medizinischen Kommunikationsstandards wie IEEE 11073 SDC und HL7 entwickelt und implementiert. Die Technologie der TZM GmbH fungiert als Schnittstelle zwischen den medizinischen Anlagen und dem Ökosystem von Aiqnet, indem es die verschiedenen Protokolle der unterschiedlichen Geräte zu einem vom Anwender frei wählbaren Standard-Protokoll vereinheitlicht. Dadurch wird Austauschbarkeit und Interoperabilität sowohl von Medizingeräten untereinander als auch in Verbindung mit dem Krankenhausinformationssystem erreicht. Diese entwickelten Interfaces wurden in vier anwendungsnahen OP-Szenarien ausgetestet und evaluiert. So wird eine schnelle Reaktion von einem OP-Gerät auf wichtige Status- oder Parameteränderung eines anderen OP-Geräts ermöglicht, was wichtige Zeit einspart. Außerdem wird die Übersichtlichkeit in einem OP durch benutzerfreundliche Darstellung von den richtigen Daten zum richtigen Zeitpunkt für Chirurgen erhöht.
Kooperationen quer durch die medizinische Versorgung – national und international
Unternehmen, wie beispielsweise die TZM GmbH, profitieren konkret durch die Mitarbeit in dem aktiven Konsortium von Aiqnet. Ein Vertrag mit einem großen internationalen Krankenhaus-IT- und Patientendatenmanagementsystem-Anbieter konnte bereits abgeschlossen werden. Dieser will die eigenen technischen Lösungen mit dem Universal Medical Gateway (UMG) verzahnen und in bestehende IT-Infrastrukturen integrieren. So soll nicht nur die Vernetzung auf Stationsebene essenziell vorangetrieben werden, sondern über alle Stationen und Sektoren von Kliniken hinweg, so dass Informationen, die in der Versorgung anfallen, direkt auch der Forschung zur Verfügung gestellt werden können. Auch ein großer Hersteller von Heimbeatmungsgeräten profitiert bereits von den Möglichkeiten des UMG, indem die Daten der Heimbeatmungsgeräte mit der IT-Struktur der medizinischen Versorgung, beispielsweise über das Monitoring oder das Patientendatenmanagementsystem, vernetzt werden. Durch die digitale und automatisierte Erfassung von Patientendaten sowie der Beatmungsparameter kann zum einen die Behandlung der Patienten verbessert werden und zum anderen die Abrechnung in den Kliniken effizienter und nachvollziehbarer gestaltet werden. Die Anbindung ist dabei gänzlich herstellerunabhängig möglich.
Medizintechnikhersteller, Kliniken und Softwareentwickler engagieren sich in dem Projekt Aiqnet als assoziierte Partner – auch über Ländergrenzen hinweg. So wie die Ondewo GmbH aus Wien in Österreich, die auf die KI-Automatisierung von Millionen Telefonanrufen und Chatnachrichten mit ihrer eigens entwickelten Ondewo Call Center AI Plattform spezialisiert ist, und eine KI-Telefonumfrage-Software erstellt hat, die nun auf der Aiqnet-Plattform integriert ist. Mittels modernster Deep-Learning-Algorithmen für Spracherkennung und Gesprächsführung werden aus medizinischen Fragebögen vollautomatisierte KI-Telefonumfragen, um eine große Anzahl an Probanden schnell zu erreichen, z. B. für eine Anamnese im realen Klinikumfeld oder in der Datenerhebung bei Medizinproduktetests.
Immer mehr Partner profitieren von der Zusammenarbeit
Ziel von Aiqnet ist es, möglichst viele Experten entlang der gesamten Wertschöpfungskette in das Ökosystem einzubinden. Rund 50 assoziierte Partner aus unterschiedlichen Bereichen der Medizintechnik sind bereits im Projekt aktiv. Sie nutzen den Wissensvorsprung zu Projektentwicklungen und die Chance, sich mit namhaften Projektakteuren wie der Charité Berlin oder der BG Klinik Tübingen, mit Herstellern wie der B. Braun Gruppe oder Softwareentwicklern wie der Raylytic GmbH zu vernetzen und Expertisen auszutauschen. Als interaktives Ökosystem hat Aiqnet eine zentrale „Enablerfunktion“, die es Medizinprodukteherstellern sowie Softwareentwicklern erlaubt, Wettbewerbsvorteile auszubauen und neue Geschäftsmodelle zu implementieren. Die bestehenden Kollaborationen belegen, dass die Zusammenarbeit im Aiqnet-Konsortium die Digitalisierung und die Datenstandardisierung im Gesundheitswesen essenziell voranbringt. Und wie die enormen, oft ungenutzten Daten-mengen, die in den Klinikarchiven schlummern, müssen noch viele digitale Potenziale für das Gesundheitswesen entdeckt und erforscht werden.
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