Künstliche Intelligenz Herzerkrankungen per App früher erkennen
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Ein Forscher-Team des Fraunhofer IGD aus Rostock hat eine KI entwickelt, mit der Patienten schnell die eigene Herzgesundheit überwachen können. Die Gesundheits-App Guardio ermöglicht das Erstellen von Mehrkanal-EKGs ohne Elektroden und kann dazu beitragen, Herzerkrankungen deutlich früher zu erkennen als herkömmliche Methoden.

Dr. Marian Haescher und seine Kollegen am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Rostock haben eine künstliche Intelligenz (KI) entwickelt, welche Herzbewegungen messen, daraus Informationen zur Herzgesundheit ableiten und unterschiedlich darstellen kann. Wie diese KI mit Daten versorgt wird, ist flexibel. Eine Möglichkeit sind die in jedem Smartphone verbauten Beschleunigungssensoren – die Gesundheits-App Guardio leitet ihre Nutzer Schritt für Schritt durch eine Eigenmessung der Herzaktivitäten. Diese dauert 30 Sekunden und ist ohne das Kleben von Elektroden möglich. Damit ist eine wiederholte Messung über einen längeren Zeitraum oder eine punktgenaue Momentaufnahme möglich z. B. beim Auftreten von Symptomen wie Kurzatmigkeit oder Herzrasen.
Damit schafft das Entwickler-Team eine Möglichkeit, kurzfristig und verlässlich die eigene Herzgesundheit zu überwachen. Ziel dabei sei allerdings nicht die Möglichkeit zur Heimdiagnose, wie Haescher betont. Deshalb „übersetzt“ das Programm die gesammelten Daten in ein Standard-EKG, sodass Kardiologen die Auswertung übernehmen können, denn „die diagnostische Hoheit bleibt immer bei den Medizinern“.
Dennoch schließt Guardio eine entscheidende Lücke in der Diagnostik, wie auch Prof. Dr. med. Dietmar Bänsch, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Rhythmologie im KMG Klinikum in Güstrow, bestätigt: „Eine jederzeit schnell zugängliche Aufzeichnung von Mehrkanal-EKGs – wie sie Guardio ermöglicht – wäre der absolute Durchbruch in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen.“
Die Aufzeichnung der Herzbewegung erfolgt kontaktlos
Denkbar ist der Einsatz der Technologie aber auch an Inkubatoren für Neugeborene, denn durch die Datenerfassung per Doppler-Radar erfolgt das Aufzeichnen der Herzbewegungen in diesem Fall kontaktlos. Selbst jede Smartwatch wäre heutzutage durch die standardmäßig verbauten Sensoren in der Lage, ein EKG aufzuzeichnen, gibt Informatiker Haescher zu. Allerdings mit einem entscheidenden Manko: „Smartwatches könnten lediglich ein Einkanal-EKG aufzeichnen, unsere Auswertungen hingegen haben den gleichen Aussagewert wie ein Mehrkanal-EKG und können damit deutlich mehr Herzerkrankungen erkennen.“
Das bestätigt auch die Kardiologin Dr. Grit Nonnemann: „Ich halte Guardio für ein sehr gutes Tool, um asymptomatische Patienten herauszufiltern, die so vor Hirninfarkten bewahrt werden können und um bei symptomatischen Patienten Rhythmusstörungen ohne weitere Hilfsmittel zu verifizieren.“
Geplante Start-up-Ausgliederung und Zulassung als DiGA
Die Wissenschaftler optimieren die Technologie hinter Guardio gemeinsam mit Kardiologen und Rhythmologen aus Güstrow. Anfang 2023 wollen sie ihr eigenes Start-up als Spin-off des Fraunhofer IGD gründen. Nach Abschluss der Medizinproduktezertifizierung, so hoffen sie, findet ihre Technologie dann so bald wie möglich als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), über Krankenkassen oder als Tool im Privatzahler-Modell ihren Weg zu den Betroffenen.
Herz-Kreislauferkrankungen sind Todesursache Nummer 1
Herzerkrankungen sind laut Robert-Koch-Institut eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Umso gravierender der Status-quo der Diagnostik: Bis zu einer finalen Diagnose in Sachen Herzgesundheit können bis zu zehn Jahre vergehen. Woran das liegt, weiß Fraunhofer-Forscher Haescher: „Wer mit Herzbeschwerden zu seiner Ärztin oder seinem Arzt geht, wird in aller Regel ein 24-Stunden-EKG verordnet bekommen. Kardiologen haben uns berichtet, dass die Chance, damit z. B. Vorhoffflimmern als eine Ursache von Schlaganfällen zu diagnostizieren, aber gerade einmal bei fünf Prozent liegt!“ Das liege daran, dass der gemessene Zeitraum – die 24 Stunden – zu kurz seien und die Arhythmien des Herzens deutlich seltener auftreten könnten. Lange Wartezeiten bis zu einem Termin beim Spezialisten tun ihr übriges.
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