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Digitale Transformation der Medizintechnik-Industrie Den ROI ermitteln: Ist mein IIoT-Projekt rentabel?

Ein Gastbeitrag von Thomas Wenger*

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Die Einführung digitaler Lösungen kann Medizintechnik-Unternehmen bedeutende Vorteile eröffnen, ist häufig jedoch auch mit hohen Investitionen verbunden. Entsprechend stellt sich die Frage nach dem Return on Investment. Um diesen zu ermitteln, gilt es die richtigen Messgrößen zu berücksichtigen.

Die Einführung digitaler Lösungen kann für Medtech-Unternehmen mit hohen Investitionen verbunden sein. Wann rentieren sich diese?
Die Einführung digitaler Lösungen kann für Medtech-Unternehmen mit hohen Investitionen verbunden sein. Wann rentieren sich diese?
(Bild: chinnarach - stock.adobe.com)

Die Ziele eines Unternehmens geben vor, welche die individuell wichtigen Messgrößen sind. Hierbei bestehen oftmals Zusammenhänge: Geringere Servicekosten erhöhen den Umsatz, eine kürzere Reparaturzeit steigert die Kundenzufriedenheit. Und da Messgrößen sich ändern, ist ihre Ermittlung ein fortlaufender Prozess. Geeignete Zeitpunkte zur Erfassung sind etwa der Abschluss einer Arbeitswoche oder eines Forschungsprojekts. Dabei sollten die einzelnen Workflows detailliert dokumentiert werden. Bei einer Softwareaktualisierung ist beispielsweise ein Arbeitsschritt die Remote-Installation eines Produkts. Dabei können etwa folgende Daten erfasst werden: Zeitaufwand für Korrektur, Kosten für Abschluss der Aktualisierung und Kundenzufriedenheit. Für die Quantifizierung allgemeiner Ziele wie Profitabilität, Marktanteil und Time-to-Market werden Messgrößen einzelner Projekte zusammengefasst.

Praxisbeispiel: Service-Optimierung mit Remote-Zustandsüberwachung

Zur Veranschaulichung, wie der Return on Investment (ROI) schrittweise ermittelt werden kann, dient nachfolgend der Unternehmensbereich Wartung und Instandhaltung. In Laboren, wo hoch spezialisierte Instrumente zum Einsatz kommen, können Ausfälle gravierende Probleme verursachen, etwa große zeitliche Verzögerungen oder dass ganze Testreihen wiederholt werden müssen. Somit ist ein optimaler Service für die Instrumente wichtig, um deren Verfügbarkeit sicherzustellen.

Bei Carl Zeiss Microscopy, Anbieter eines der weltweit umfangreichsten Mikroskopsortimente, konnten Kunden deshalb einen Premium-Service durch Fachleute nutzen. Der stellte jedoch einen beachtlichen Kostenfaktor dar. Aus diesem Grund sowie dem Wunsch, sowohl die Serviceeffizienz als auch die Ausweitung der Serviceverträge zu steigern, hat das Unternehmen den Zeiss Predictive Service entwickelt. Mit diesem Remote-Zustandsüberwachungsprogramm sollten Geräteprobleme schneller diagnostiziert und die Systemverfügbarkeit erhöht werden, bei gleichzeitiger Steigerung der Kundenzufriedenheit in Verbindung mit genaueren Einblicken in das Geräteverhalten. Mithilfe des Industrial Internet of Things (IIoT) sollten dabei vor Ort Instrumentendaten erfasst, in der Cloud verarbeitet und unverzüglich in der Zeiss Unternehmenszentrale bereitgestellt werden. Hierfür setzt das Unternehmen auf die IIoT-Plattform Thing Worx vom Technologieunternehmen PTC sowie Microsoft Azure als Cloud-Umgebung.

Schrittweise Berechnung des ROI

Um den ROI einer solchen Neuerung bei Serviceleistungen zu berechnen, sind folgende Messgrößen zu berücksichtigen: Anrufanzahl und -dauer bei Problemen, Anzahl der Reparatureinsätze und Wartungsbesuche sowie Zahl der Updates oder Patches, die der Außendienst durchgeführt hat. Wie sich damit die Leistung quantifizieren lässt, verdeutlicht folgendes fiktives Beispiel: Ein Medizingeräte-Hersteller beschäftigt 100 Service-Techniker, deren Arbeitszeit sich auf 40 Stunden pro Woche, vier Wochen pro Monat und 50 Wochen pro Jahr erstreckt. Die Kosten pro Stunde liegen für einen Techniker bei 100 Euro.

Die Firma möchte nun mittels Fernwartung die Vor-Ort-Einsätze ihrer Service-Techniker um 30 Prozent reduzieren. Um den ROI zu ermitteln, wird zunächst die Anzahl der Kundenbesuche pro Woche berechnet. Bei einem durchschnittlichen Außendiensteinsatz von vier Stunden und 40 Stunden pro Woche sind das zehn Einsätze pro Techniker und Woche. Im zweiten Schritt werden die Personenstunden berechnet, die durch Fernwartung wegfallen. Bei den anvisierten 30 Prozent beliefen sich diese auf zwölf Stunden pro Woche (10 Einsätze x 30 Prozent x 4 Stunden). Im dritten Schritt werden die eingesparten Personalkosten ermittelt, das heißt: 12 Stunden pro Woche x 100 Euro pro Stunde, was 1.200 Euro pro Arbeitswoche ergibt. Schließlich lassen sich daraus die Auswirkungen für die gesamte Service-Außendienstorganisation gewinnen: 100 Techniker x 50 Arbeitswochen x 1.200 Euro pro Arbeitswoche – dies ergibt 6.000.000 Euro in einem Jahr. Stellt man diesen Einsparungen die Gesamtkosten für die Fernwartungslösung gegenüber, ergibt sich der ROI.

Zu beachten ist jedoch, dass Kosten nur ein Faktor der Rentabilitätsgleichung sind. Wichtiger sind oftmals noch Aspekte wie die Verbesserung der Kundenzufriedenheit, Markendifferenzierung und die Sammlung präziser Daten für eine Ertragssteigerung.

Carl Zeiss Microscopy hat nach dem Roll-Out seiner digitalen Lösungen quantitative und qualitative Vorteile verzeichnet: Das Unternehmen konnte seine First Time Fix Rate (FTFR) in nur 13 Monaten um sieben Prozent verbessern und seine Mean Time To Resolve (MTTR) durch Remote-Fehlerbehebung in nur einem Jahr erheblich verkürzen. Mit dem vorausschauenden Remote-Überwachungsservice samt automatisierten Routinefunktionen konnten Ausfallzeiten infolge von Kalibrierungsproblemen von einem Tag auf ein bis zwei Stunden reduziert werden.

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Höhere Produkterträge

Die IIoT-Plattform Thing Worx von PTC – auf die auch die Firma Zeiss für ihren Predictive Service setzt – ermöglicht es Unternehmen, Mehrwertdienste für ihre vernetzten Produkte anzubieten und so zusätzliche Erträge zu generieren. Die Berechnung des ROI gestaltet sich in diesem Falle wie folgt: Zunächst gilt es, den Wert der vernetzten Produktdienste pro Einheit zu ermitteln. Beispielsweise beträgt der durchschnittliche Verkaufspreis einer vernetzten Anwendung 50 Euro pro Benutzer und Jahr. Bei durchschnittlich 20 Benutzern eines jeden vernetzten Produkts ergibt dies einen Wert von 1.000 Euro pro Produkt. Im nächsten Schritt erfolgt eine Schätzung der Gesamtzunahme der Produkterträge: Von den insgesamt 100.000 verkauften Produkten pro Jahr werden 25 Prozent mit den Mehrwert-Services gekauft. Dies ergibt folglich 25.000.000 Euro zusätzliche Erträge pro Jahr (100.000 Einheiten x 25 Prozent x 1.000 Euro). Auch hier ermittelt man den ROI, indem man diesen Mehrerträgen die Gesamtkosten für den Predictive Service gegenüberstellt.

Mit Datenanalysen zu fundierten Entscheidungen

Um Daten vernetzter Medizinprodukte optimal zu nutzen, gilt es diese Daten zu analysieren und Anwendungen zu nutzen, die einen Geräteeinblick ermöglichen. Hier ergibt sich der Wert aus drei Faktoren. Zum einen ist die Identifizierung von Qualitätsproblemen relevant. Indem etwa Konstruktionsfehler gefunden und die Ursachen von Ausfallzeiten aufgedeckt werden, lassen sich Kosten senken. Messgrößen sind hier vor allem die Anzahl der Rückrufaktionen, die durchschnittliche Zeit zwischen zwei Fehlern (Mean Time Between Failures, MTBF) und die Kosten der Gewährleistungsdienste.

Zum zweiten spielt die vorausschauende Wartung eine Rolle. Indem unnötige vorbeugende Wartungseinsätze und Reparaturen vermieden werden, lassen sich Ausfallzeiten und Betriebsunterbrechungen reduzieren. Relevante Messgrößen sind hierbei die Anzahl der Wartungsbesuche, Umsatzsteigerungen durch längere Betriebszeiten und ein gesteigerter durchschnittlicher Verkaufspreis durch höhere Service Level Agreements (SLA).

Zum dritten ist noch die optimierte Produktkonstruktion relevant: Die aus Nutzungsmustern der Endnutzer gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen die Entwicklung besserer Produkte und die Priorisierung neuer Leistungsmerkmale. Die Messgrößen hierfür sind die Erfolgsquote, der Marktanteil und die Kundenzufriedenheit.

Fazit

Medizintechnik-Firmen, die IIoT-Plattformen nutzen, können eindeutig messbare hohe Kosteneinsparungen, Umsatzwachstum und Steigerungen der Kundenzufriedenheit realisieren. So amortisieren sich digitale Lösungen häufig bereits nach wenigen Monaten – und Unternehmen sichern sich entscheidende Wettbewerbsvorteile.

Weitere Artikel zur Führung von Medizintechnik-Unternehmen finden Sie in unserem Themenkanal Management.

* Der Autor: Thomas Wenger ist Vice President Zentraleuropa bei PTC.

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