Grundlagenwissen Wearables in der Medizin: Vom Fitness-Armband zum Blutdruckmessen bis zum Herzschrittmacher
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Mit Wearables wie Armbändern oder Smartwatches können Träger die eigenen Vitaldaten messen, um die eigene Gesundheit zu überwachen. Doch auch klassische Medizinprodukte wie Hörgeräte oder Herzschrittmacher fallen unter die Definition „tragbare Computersysteme“. Dieser Beitrag liefert eine Definition des Begriffs Wearables, erklärt, was sie technisch leisten, welche rechtlichen Aspekte greifen und wie sich der weltweite Markt für Wearables entwickelt.

Sie sind klein, werden am Körper getragen und unterstützen bei einer gesunden Lebensführung und bei Therapien: Wearables, kleine Computersysteme. Ärzte, Therapeuten, Krankenkassen und Unternehmen der Pharmaindustrie sehen großes Potenzial in den kleinen Helfern.
Wearable ist die Kurzform des englischen Begriffs „Wearable Computing“, also tragbares Computersystem. Bei einem Wearable handelt es sich um ein mobiles Gerät, das vom Patienten direkt am Körper getragen wird. Das kann unter anderem ein Armband sein, das physiologische Daten genau erfasst und sie an den Arzt oder Therapeuten überträgt.
Auch andere elektronische Komponenten, die zu medizinischen Zwecken am Körper übertragen werden, werden zu den Wearables gezählt. Dazu zählen:
- Herzschrittmacher
- Hörgeräte
- smarte Implantate
Während Wearables sich vor allem im Fitnessbereich durchgesetzt haben, zum Beispiel um beim Jogging Blutdruck und gelaufene Kilometer zu messen, werden sie zunehmend auch in der Medizin eingesetzt. Unter dem Stichwort „connected Healthcare“ ermöglichen Wearables innovative Behandlungswege in Diagnostik, Monitoring und Medikation. Mittlerweile setzt laut einer Umfrage von Bitkom etwa ein Drittel aller Deutschen Wearables ein, um Gesundheits- und Fitnessdaten aufzuzeichnen.
Damit ein Wearable zu medizinischen Zwecken genutzt werden kann, muss es auch als Medizinprodukt zugelassen sein. Gerade im Gesundheitssektor stellen die Behörden hohe Anforderungen, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Insgesamt wird Wearables im Gesundheitssektor ein hohes Potenzial zugeschrieben, da sie dazu beitragen können, dass der präventive Ansatz der Medizin verstärkt wird. Durch Wearables werden die Daten von Patienten effizienter erfasst, so dass sich der Behandlungsaufwand für Ärzte und Therapeuten reduziert.
Welche Funktionen können Wearables erfüllen?
Mit der Vielzahl an verschiedenen Wearables, die Patienten nutzen können, erschließt sich eine breite Vielfalt an möglichen Funktionen, die „ganz nebenbei“ die Aufzeichnung wichtiger Daten zur weiteren Diagnostik und Therapie ermöglichen. Ein Wearable, das in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen hat, ist die Smartwatch, mit der sich unter anderem mit einer speziellen App Blutdruck und Puls beim Laufen messen lassen. Auch klassische medizinische Hilfsgeräte wie Hörgeräte und Herzschrittmacher lassen sich mittlerweile mit Hilfe von Smartphone-Apps steuern und können Daten an den behandelnden Arzt übertragen. Ein weiteres Wearable sind Socken mit eingebauten Elektroden, die unter anderem von Diabetikern eingesetzt werden, um eine zu starke Belastung der Füße zu melden. Shirts mit Elektroden werden eingesetzt, um Körpersignale zu erfassen. Zu den weiteren Wearable-Entwicklungen der letzten Jahre zählen intelligente Pflaster zum Messen des Blutzuckerspiegels oder auch Patches zur Verabreichung von Medikamenten in einer bestimmten Dosierung.
Wie funktionieren Wearables?
Die Basis für die Funktion von Wearables stellen
- intelligente Sensoren,
- Low-Power-Stromversorgungen und
- drahtlose Kommunikation
dar. Mit Hilfe von winzigen Sensoren, deren Substrate aus Silikon, Polyurethan oder Polyimid bestehen können, ermittelt das Wearable die benötigten Patientendaten, beispielsweise Blutdruck, Herzrhythmus oder den Puls. In vielen Fällen sind die Sensoren eines Wearables in intelligente Textilien eingebettet. Die eingesetzten Fasern bringen ein breites Eigenschaftsspektrum mit, denn sie sind in verschiedenen Texturen verfügbar: fest und steif oder flexibel und dehnbar.
Videotipp: Erklärvideo zum Thema Wearables mit Anwendungsbeispielen aus Fitness und Medizin.
Zur Übertragung der Daten, die die Sensoren aufzeichnen, kann sowohl die Übertragung via Bluetooth als auch über W-LAN eingesetzt werden. Mit Bluetooth wird die Übertragung im „Machine-to-Machine“- (M2) Verfahren ermöglicht, während W-LAN das Wearable ins „Internet der Dinge“ integriert. Soll das Wearable mit dem Smartphone verknüpft werden, muss auf dem Smartphone eine bestimmte App installiert werden. Die Daten, die das Wearable erfasst, sind nicht nur für den Arzt oder Therapeuten sichtbar, auch der Patient behält den Überblick über sie. Nutzt der Patient sein Wearable zur Prävention, kann er schon früh erkennen, wie er sein Verhalten so optimieren kann, dass er gesundheitlich stabil bleibt. In der Krankheitsphase hilft die Dateneinsicht dem Patienten dabei, wieder gesund zu werden.
Rechtliche Aspekte zur Nutzung von Wearables
Die Daten, die von den Sensoren erfasst werden, werden mit Hilfe des Cloud-Computing-Verfahrens auf einem Server gespeichert, auf die der Arzt beziehungsweise Therapeut Zugriff hat, um sie auswerten zu können. Damit Patienten Wearables nutzen können, müssen sie sich dazu bereit erklären, persönliche Daten zu Trackingzwecken an ihren Arzt und Therapeuten weiterzugeben. Dabei sollten sie jedoch auf die AGB ihrer Wearables achten. So sollten sie unter anderem beachten, dass in den AGB keine Klauseln enthalten sind, die die Übertragung ihrer Daten an Drittanbieter oder Drittländer ermöglichen. Des Weiteren haben sie einen Anspruch darauf, umfassend über ihre Betroffenenrechte aufgeklärt zu werden.
Damit ein Wearable auf dem deutschen Markt als Medizinprodukt vertrieben werden darf, braucht es die Zulassung als Medizinprodukt. Denn seine Zweckbestimmung ist diagnostisch oder therapeutisch. Auch die Empfängnisregelung gilt als medizinischer Zweck, weshalb beispielsweise auch Fertilitäts-Tracker als Medizinprodukte eingestuft werden. Bei der Überprüfung werden unter anderem die Aspekte von Schnittstellen und Dateninteroperabilität betrachtet, aber auch die Datenschutzbedingungen. Die gesetzlichen Regulierungen zu Wearables im deutschen Recht unterliegen aufgrund des technischen Fortschritts stetigen Änderungen.
Videotipp: Was sind Wearables? Welche Fragen müssen sich Nutzer in Sachen Datenschutz stellen?
Grundsätzlich ist allerdings festzuhalten, dass Hersteller beziehungsweise Inverkehrbringer dafür sorgen müssen, dass ihr Wearable eine CE-Kennzeichnung erhält. Hierzu müssen sie eine Benannte Stelle mit der Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens beauftragen. Dass Wearables in diesem Zusammenhang die grundlegenden Anforderungen der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, kurz MDR) erfüllen müssen, versteht sich von selbst. Diese schließen beispielsweise die Sicherheit oder auch die klinische Wirksamkeit mit ein, aber auch die Hautverträglichkeit sowie die Biokompatibilität.
Wearables auf dem weltweiten Markt
Mit zunehmendem technischen Fortschritt und Funktionsumfang nimmt die Nutzung von Wearables stetig zu. Im Jahr 2020 wurden mehr als 445 Millionen Wearable-Produkte weltweit verkauft. Insbesondere intelligente Pflaster machen einen großen Anteil der Verkäufe aus. Gerade Deutschland mit seinem großen Gesundheitsmarkt ist für Hersteller von Wearables von wichtiger Bedeutung. Auf der Medica in Düsseldorf, der internationalen Fachmesse für Medizin und Medizintechnik, wurde mit dem Medica Connected Healthcare Forum ein eigener Sektor für medizinische Wearables eingerichtet. Der wachsende Wearable-Markt bietet nicht nur eine lukrative Gelegenheit für IT-Großkonzerne wie Apple und Google.
Auch diverse Start-ups, wie dies zwei Beispiele aus der Schweiz belegen, bieten vielversprechende Produkte in diesem Sektor an. Das Start-up Biovotion produziert eine Arm-Manschette, die kontinuierlich medizinisch relevante Daten erfasst, die mit Hilfe einer Datencloud an den behandelnden Arzt oder Therapeuten übermittelt werden. Und ein sogenannter Fertilitäts-Tracker von der Firma Ava kann Frauen dabei helfen, schwanger zu werden. Er besteht aus einem Sensor-Armband, das am Handgelenk getragen wird. In der Nacht, wenn die Frau schläft, misst dieses Armband Vitalparameter wie beispielsweise die Körpertemperatur, den Puls oder auch die Atemfrequenz. Am darauffolgenden Morgen werden die Daten über eine Smartphone-App an Arme übermittelt, wo sie dann ausgewertet werden können. Die Jury des Swiss Medtech Award 2018 hat dieses Wearable sogar so beeindruckt, dass es mit den mit 50.000 CHF dotierten Wettbewerb gewonnen hat.
Ein Ausblick in die Zukunft von Wearables
Mit steigender Verbreitung der Wearables entwickelt sich der Trend weg von der klassischen Labortechnik. Stattdessen werden immer häufiger digitale Produkte genutzt, die Patientendaten an die Ärzte übermitteln, da dies effizienter ist und die korrekte Diagnostik vereinfachen kann. Schließlich erfordert die klassische Diagnostik aufwändige Messungen und Beobachtungen, die in ihrer Ausführung nicht nur viel Zeit, sondern auch hohe Kosten in Anspruch nehmen können.
Ein weiterer Trend in der Wearable-Industrie ist die Tendenz zur Miniaturisierung. Das bedeutet, dass Wearables in immer kleineren Größen hergestellt werden. Kleinere Wearables sind nicht nur komfortabler für Patienten, sondern auch weniger sichtbar für Außenstehende, was die Lebensqualität steigern kann. Besonders intelligente Pflaster, die für Langzeitmonitorings oder die Dosierung der Medikation eingesetzt werden, setzen sich im Wearable-Sektor zunehmend durch. Diese Art von Wearables bietet den Vorteil, dass die Behandlung vereinfacht und die Stigmatisierung der Patienten reduziert wird. Denn intelligente Pflaster können nicht nur in kleinen Größen produziert werden, sondern lassen sich auch unauffällig an Körperstellen tragen, die normalerweise von Kleidung bedeckt sind.
Tragbare Helfer mit Potenzial
Mit ihrer komfortablen Handhabung und ihren vielseitigen Einsatzmöglichkeiten werden Wearables auch auf dem deutschen Gesundheitsmarkt immer beliebter. Ob Smartwatch, intelligentes Pflaster oder smartes Implantat: Die Möglichkeiten der Nutzung von Wearables sind nahezu grenzenlos. Allerdings ersetzt der Einsatz eines Wearables nach wie vor keinen Arztbesuch.
Zwar lassen sich mit Hilfe eines Wearables durchaus nützliche Daten erfassen, die bei der Diagnostik und Therapie hilfreich sein können. Jedoch geben Daten wie die Schlafens- oder Aufwachzeit, die Essenszeiten oder die Menge der aufgenommenen Kalorien allein keinen Aufschluss darüber, ob der Träger des Wearables gesund oder krank ist. Auch individuelle Faktoren wie Beruf, Hobbys oder der Lebensstil im Allgemeinen müssen bei der Diagnostik berücksichtigt werden, ebenso wie genetische und ökologische Faktoren. Nicht zuletzt bieten Wearables nicht die persönliche und empathische Aufklärung und Beratung, die ein Arzt oder Therapeut seinen Patienten anbieten kann.
Videotipp: Wearables – vom tragbaren EKG-Monitor, der Herzinfarkte rechtzeitig erkennt, bis zum Wearable, das die Therapie von Schlaganfallpatienten unterstützt.
Außerdem ist die präventive Funktion von Wearables nach dem aktuellen technischen Stand insofern eingeschränkt, als dass bestimmte Risikofaktoren auch durch Datenerfassung nach wie vor nicht vorhersehbar sind, etwa für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Zudem sind Datenschützer besorgt um die Sicherheit der sensiblen Daten, die von Wearables übermittelt werden. So haben sich beispielsweise der IT-Branchenverband Bitkom sowie der Spitzenverband IT-Standards im Gesundheitswesen (SITiG) bereits für eine „E-Health-Bundesagentur“ ausgesprochen.
Gerade gesundheitliche Daten, in die nur Patienten, Ärzte und Therapeuten Einsicht erhalten sollten, sollten nicht für wirtschaftliche oder soziale Zwecke missbraucht werden. Dennoch lohnt es sich, die aktuellen technischen Entwicklungen im Wearable-Sektor zu beobachten, da Wearables Patienten besonders einfach bei der Prävention unterstützen. Für bereits erkrankte Patienten ergeben sich wertvolle Chancen, die Beschwerden zu reduzieren und sogar bei lebensbedrohlichen Krankheiten wertvolle Unterstützung zu bieten.
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