Mergers & Acquisitions in der Medizintechnik Unsicherheiten bremsen das Transaktionsgeschehen: M&A im 2. Halbjahr 2022
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Das Transaktionsjahr 2022 für die Medizintechnik-Branche konnte auch in der zweiten Hälfte nicht annähernd an die Vor-Coronajahre anschließen. Dafür sorgen u. a. der Ukraine-Krieg mit allen Begleiterscheinungen und ein kräftiges Wiederaufflammen der Pandemie in China.

- Die Branche ist vorsichtig
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Der Ukraine-Krieg, dessen Ende nach wie vor nicht abzusehen ist, mit allen Begleiterscheinungen und ein kräftiges Wiederaufflammen der Pandemie in China machen der Medizintechnik-Branche weiterhin zu schaffen. Das Transaktionsjahr 2022 konnte auch in der zweiten Hälfte nicht annähernd an die Vor-Coronajahre anschließen und bietet auch im Ausklang wenig Anlass zu rosigen Erwartungen für das Folgejahr. Stattdessen sind weltweit und in der D/A/CH-Region Anzahl und Volumen der Transaktionen erneut, teils deutlich, zurückgegangen.
Im Branchenvergleich hat die Medizintechnik über lange Zeit ein stabileres Wachstum und höhere Margen als andere Branchen, z. B. Automotive, erzielt. Die letzten Jahre haben aber auch der Medtech-Branche insgesamt und speziell einigen Segmenten dieser Branche (beispielsweise Chirurgie, Instrumente, Krankenhaus-Ausstattung) zugesetzt und beeinträchtigen in vielen Fällen nun auch die Bereitschaft und teilweise auch die Spielräume für wesentliche Investitionsschritte, wie sie u. a. auch M&A-Transaktionen darstellen.
Deal-Gerüchte und „Noch-nicht“-Transaktionen
Die derzeitige Zurückhaltung im weltweiten Transaktionsgeschäft ist insoweit nachvollziehbar. Kennzeichnend scheint zu sein, dass in vielen Fällen eher Strategien und Strukturen angepasst werden bzw. in diesem Zusammenhang über geplante Abspaltungen, damit zusammenhängende Deal-Gerüchte und „Noch-nicht“-Transaktionen spekuliert wird. Demgegenüber bleiben die wirklich abgeschlossenen, signifikanten Deals des zurückliegenden Halbjahres überschaubar.
So wurde seit längerem kolportiert, dass Johnson&Johnson (J&J) sich mit einer Großübernahme etwa von Boston Scientific befasse. Tatsächlich vollzogen hat J&J stattdessen den Erwerb von Abiomed (Herzpumpen, kardiovaskuläre Produkte) für 16,6 Milliarden US-Dollar. Diese einzige Megatransaktion des zweiten Halbjahres 2022 verschafft J&J erweiterten Zugang zu einem sehr wachstumsstarken Geschäftsfeld, in dem Abiomed 2022 rund eine Milliarde US-Dollar Umsatz generierte.
Thermo Fisher sichert sich nach den gescheiterten Gesprächen mit Qiagen für 2,6 Milliarden US-Dollar den UK-Diagnostik-Spezialisten The Binding Site Group, der mit Bluttests u. a. zuletzt einen Umsatz von ca. 250 Millionen US-Dollar erzielte. Auch die Akquisitionsmaschine von Boston Scientific läuft weiter. Mit den Käufen von Apollo Endosurgery für 615 Millionen US-Dollar (Umsatz ca. 75 Millionen US-Dollar) und der chinesischen Acotec für 523 Millionen US-Dollar, die mit kardiovaskulären Produkten ca. 53 Millionen US-Dollar erwirtschaftet, verstärkt man sich in zwei Fokusbereichen.
Mit dem Abschluss einer Kaufoption vermeldet Medtronic einen Beinahe-Deal, der die Übernahme von Cath Works für bis zu 585 Millionen US-Dollar und damit ebenfalls ein Portfolio kardiovaskulärer Produkte zum Ziel hat. 3M speist die Gerüchteküche mit dem Plan, seine 8,6 Milliarden US-Dollar schwere Health Care Unit abzuspalten, und würde damit den Ausgliederungen anderer Branchengrößen wie GE Capital und Zimmer folgen. Schon seit längerem wird auch über Medtronics Interesse an einer Abspaltung der Bereiche Patient Monitoring und Respiratory Products spekuliert, zwei Geschäftsfelder, die ca. 2,2 Milliarden US-Dollar Umsatz generieren und auf einen Marktwert von ca. 7 Milliarden US-Dollar geschätzt.werden. Unbestätigten Gerüchten zufolge interessiert sich Siemens Healthineers, neben Konkurrenten wie GE, aber auch Finanzinvestoren, für den Erwerb dieser Spin-Offs. Diese Kaufgelegenheit für Healthineers eingeschlossen, befindet sich auch die Mehrzahl der hochvolumigen Transaktionen im D/A/CH-Markt bezeichnenderweise noch im Gerüchtestadium.
Börsengang von Ottobock-Gruppe auf Eis gelegt
So arbeitet Finanzinvestor EQT offenbar an der Vorbereitung seines Exits aus der Ottobock-Gruppe. Bislang hält man 20 Prozent an dem Prothesen-Spezialisten, dessen Marktwert bei Umsätzen von zuletzt rund 1,3 Milliarden Euro und einem Ebitda von 260 Millionen Euro auf 5 bis 6 Milliarden Euro taxiert wird. Ein ursprünglich erwarteter Börsengang scheint aufgrund der aktuell schwierigen Börsenlage derzeit nicht mehr die favorisierte Option zu sein.
Zum wiederholten Male kreisen auch um Qiagen Fusionsgerüchte. Nach Übernahmegesprächen mit Quidel und zuvor Thermo Fischer lotet mit Bio-Rad (bereits an Sartorius beteiligt) nun eine weitere große Adresse für klinische Diagnostik die Chancen einer Transaktion aus. An der Börse werden beide Adressen derzeit auf ähnlichem Niveau (10 bis 11 Milliarden Euro) bewertet.
Während die Bedeutung von SPAC(Special Purpose Acquisition Company)-Deals aufgrund veränderter Kapitalmärktebedingungen deutlich abgenommen hat, gelang es dem SPAC EHC, den österreichischen Spezialisten für Technologien zur Hautverjüngung Croma-Pharma GmbH zu übernehmen. Das Target wird bei einem Betriebsergebnis von 40 Millionen Euro in der Transaktion mit ca. 850 Millionen Euro bewertet und erhält eine Listung an der Euronext Amsterdam.
Übernahmen im klassischen Medizintechnik-Bereich
Eher im klassischen Medizintechnik-Bereich angesiedelt sind die Übernahme der Phenox durch die US-Chinesische Wallaby Medical, der Erwerb der Medi-Globe-Gruppe durch die irische DCC, der Kauf von Blazejewski durch die Erbe-Gruppe sowie der Erwerb der spanischen Promeba durch die Protect Medical. Kennzeichnend für diese Transaktionen ist, dass auf Erwerber- oder Veräußererseite Finanzinvestoren involviert sind oder waren. Finanzinvestoren (PE und VC) sind es, die teils gemeinsam mit den Venture-Capital-Vehikeln arrivierter Medtech-Adressen die Transformation der Medizintechnik-Branche im Bereich reifer Unternehmen wie auch bei Start-ups hierzulande mittlerweile signifikant beeinflussen. Dieser transformationstreibende Start-up-Sektor liefert jenseits des reinen M&A-Geschäfts auch im zweiten Halbjahr 2022 und damit in einer Zeit, in der das weltweite VC-Geschäft durchaus Bremsspuren aufwies, wieder eine Reihe interessanter Finanzierungsrunden. Darunter finden sich technologisch hochinteressante Innovationen wie im Falle von Munevo (Kopfsteuerung von Rollstühlen und Smartphones) oder I-Thera (optoakustische Bildgebung).
Unverändert aktiv zeigt sich auch der Health-IT-Sektor. Neben den beiden Akquisitionen, die Dauerkäufer Compugroup erneut abschließt, muss hier der Erwerb der Medifox Dan durch das amerikanische Unternehmen Resmed für knapp eine Milliarde Euro genannt werden. Nicht unerwähnt sollte auch die finale Untersagung der Übernahme von Heyer Medical durch die chinesische Aeonmed-Gruppe bleiben. Die Bundesregierung setzt hiermit trotz überschaubarer Größenordnung der Akquisition bewusst ein Zeichen für die Sicherung der nationalen Versorgung mit pandemierelevanten Medizinprodukten. Dieser Präzedenzfall dürfte relevante Auswirkungen für künftige deutsch-chinesische Transaktionen im Medtech-Sektor nach sich ziehen, die bereits durch entsprechende regulatorische Hürden im Technologiebereich auf ein schwieriges Umfeld treffen.
Ukraine-Krieg, Pandemielage in China, Medical Device Regulation
Die mehrfach angesprochene Umfeldlage bleibt für die Medtech-Branche weltweit und insbesondere im D/A/CH-Markt weiterhin herausfordernd. Nach bereits schwierigen Pandemiejahren bestehen wesentliche Unsicherheiten (Ukraine-Krieg, Pandemielage in China, Medical Device Regulation etc.) fort, teils drastisch gestiegene Rohstoff-, Energie- und Transportkosten belasten die Ertragslage und schränken den strategischen Handlungsspielraum und gemäß BV-Med-Umfrage auch die Investitionsfreude merklich ein. Das in einer Phase, in der sich verwischende Branchengrenzen gänzlich neue Wettbewerber auftreten lassen und viele Geschäftsmodelle noch digitalisiert werden müssen. Auch strategische Grundsatzentscheidungen und deren Umsetzung wie u. a. eine externe Regelung der Unternehmernachfolge, aber auch ein externer Zuerwerb von Kompetenzen, etwa im Bereich Digital Health oder Robotik, sind vor diesem Hintergrund nicht einfacher geworden. Gleichzeitig dulden diese Themen wenig Aufschub, wenn strategische Handlungsspielräume erhalten bleiben sollen. Sie dürften in nicht wenigen Familienunternehmen angesichts der zurückliegenden Covid-Jahre bereits seit längerem zur Bearbeitung vorgetragen worden sein.
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* Der Autor: Dr. Christian Bridts ist Gründer und Geschäftsführer von Bridts Corporate Finance, München. Für Devicemed betrachtet er exklusiv zwei Mal pro Jahr deutschlandrelevante M&As auf dem Medtech-Markt.
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