Werkstoff Technische Keramik für den 3D-Druck
Keramik bringt ideale Eigenschaften für die Medizintechnik mit. Doch ist das Material nicht immer so einfach zu verarbeiten. Mit additiver Fertigung geht nun einiges besser.
Anbieter zum Thema

Viele Komponenten, die heute aus Metall oder Kunststoff gefertigt werden, könnten schon bald aus dem Keramik-3D-Drucker kommen. Denn die Wahl des Werkstoffs fiel teilweise nicht wegen dessen technischer Eigenschaften auf Metall oder Kunststoff, sondern weil diese Materialien leichter zu verarbeiten sind als Keramik. Das ändert sich mit additiver Fertigung. So sind beispielsweise feine Geometrien und den Hohlstrukturen möglich, die mit den fragilen Grünteilen konventioneller Verfahren schwer umsetzbar bis unmöglich waren.
Das Material: von Biokeramik bis Zirkonium
Der Werkstoff ist verschleißärmer als Metalle. Die Eigenschaften temperaturbeständig, elektrisch isolierend, chemisch resistent, verschleißfest, sterilisierbar und kratzfest sprechen für medizintechnische Anwendungen. Keramik fühlt sich wesentlich angenehmer und nicht so kalt wie Metall an und ist zudem auch biokompatibel und korrosionsbeständig. Das macht sie zu einem guten Material für Anwendungen im und am Körper, beispielsweise für Kanülen für Infusionsnadeln.
Oxidkeramiken wie Aluminiumoxid (Al2O3) und Zirkoniumdioxid (ZrO2) werden am häufigsten 3D-gedruckt. Unter anderem weil sie zumeist billiger und einfacher zu verarbeiten sind. Aber auch, da Zirkonium aufgrund seiner hohen Verschleißfestigkeit, Härte und Elastizität sich gut für die Zahnmedizin eignet, während die Aluminium-Legierung gerne für medizinische Implantate und Geräte verwendet wird. Sie ist nicht nur biokompatibel, sondern auch chemikalienbeständig, isoliert gut und hat eine geringe Dichte. Außerdem eignet sich Alumiumoxid für Anwendungen mit hohen Temperaturen, großer Festigkeit und hoher Steifigkeit. Nahezu alle großen Hersteller von Keramik-3D-Druckern entwickeln und verkaufen Zirkonoxid und Aluminiumoxid für die additive Fertigung.
Weniger verbreitet sind Nichtoxidkeramiken wie Siliziumkarbid und Aluminiumnitrid. Das liegt an den höheren Kosten und weil es schwieriger ist, mit ihnen zu drucken. Da sie mit ihrer hohen Hitze- und Korrosionsbeständigkeit auch für extreme Umgebungen geeignet sind, bieten immer mehr Unternehmen Nichtoxidkeramiken für den 3D-Druck an.
Biokeramiken werden im Körper verwendet und stimulieren die Zellaktivität. In den vergangenen Jahren wurde viel mit ihnen geforscht, da durch sie implantierbare Geräte herstellbar werden, die nicht nur ungiftig sind, sondern dem Körper auch aktiv bei der Selbstheilung helfen. Die beiden am meisten erforschten Biokeramiken für den 3D-Druck sind Hydroxylapatit (HA) und Trikalziumphosphat (TCP).
Keramiken gibt es als Harze, Filament, Granulat und Pulver. Diese Auswahl spricht bereits für eine breite Palette an additiven Verfahren.
Die Verfahren: von Binder Jetting bis SLA
Die Stereolithografie (SLA) ist das älteste additive Verfahren. Bauteile entstehen, in dem ein Laser flüssiges Harz aushärtet. Sind Stützstrukturen notwendig, werden sie im gleichen Material hergestellt, aber mit weniger Laserenergie. Auf SLA für Keramik hat sich zum Beispiel 3D-Ceram spezialisiert. Aber auch 3D Systems und Formlabs vertreiben Keramikharze für ihre SLA-Maschinen. Ebenfalls mit Harzen arbeitet das DLP-Verfahren. Beim Digital Light Processing (DLP) ist es nicht ein Laser, sondern ein digitaler Lichtprojektor, der über Mikrospiegel den Lichtstrahl lenkt. Das bekannteste Unternehmen in diesem Verfahren ist Lithoz.
Ein zur Materialextrusion gehörendes Verfahren ist LDM (Liquid Deposition Modeling). Ähnlich wie beim 3D-Druck mit Filament wird das Material aus einem Extruder in Schichten abgelegt. LDM gilt als die preisgünstigste Technik für Keramik, da hier viel mit Füllmaterialien gearbeitet wird. Der Hauptvertreter ist das italienische Unternehmen WASP. Auch mit dem FFF- (Fused Filament Fabrication) oder FDM-Verfahren (Fused Deposition Modeling) kann Keramik verarbeitet werden. Filamente dafür stellt unter anderen Nanoe her.
Mit Keramikpulver arbeiten beispielsweise die Maschinen von Xjet. Ihr Verfahren heißt Nanoparticle Jetting (NPJ). Dabei werden 5 bis 6 µm kleine Partikel mit einer Art Bindemittel vermischt auf eine heiße Bauplattform aufgetragen. Ebenfalls mit Keramikpulver arbeitet das Binder Jetting. Dabei wird Keramikpulver mit einem Bindemittel verklebt. Führende Anbieter sind Exone und Voxeljet.
Die Anwendungen: Sensoren, Sonden, Dosiereinheiten
Beim Solada-iMR-IGI-System von Marvel Medtech wird mit einem Roboter über ein Führungssystem eine Sonde in die Brust eingeführt. Sie soll kleine Brustkrebstumore einfrieren, abtöten und am Wachstum hindern. Die Kryotherapie-Sonde war nur mit Additiver Fertigung umsetzbar und sollte aus Keramik sein. Der Detaillierungsgrad und die Oberflächenbeschaffenheit sprachen für das NPJ-Verfahren.
Für ihren selektiven Dosierinhalator druckte Syqe Medical einen Prototyp aus PEEK. Denn neben hochpräzise, hochtemperaturbeständige und elektrisch-isolierend, war auch Hitzebeständigkeit ein wichtiger Faktor. Doch die Designprozesse waren mit dem Kunststoff eingeschränkt und erforderten viele Anpassungen. Dadurch würden die Produktionskosten steigen, die Lieferzeiten länger und die Haltbarkeit des Produkts wäre trotzdem nicht gegeben. Also entschied man sich für Keramik-3D-Druck.
Mit 3D-gedruckten Sensoren und Mikrosensoren aus technischer Keramik werden in der Medizintechnik beispielsweise Druck, Beschleunigung, Temperatur, Puls, Schwingungen, Flüssigkeitszustände oder Feuchtigkeit gemessen. Aber auch Mini-Labore für Serumanalysen, Polymerasekettenreaktionen und DNA-Sequenzierungen in sehr kleinen Volumen sind damit umsetzbar.
Die Herausforderungen: Software, Reinigung, Sintern
Allerdings gibt es noch ein paar Stolpersteine. Wo ein Bindemittel verwendet wird, wird auch entbindert. Tatsächlich werden alle Keramikbauteile wärmebehandelt, egal mit welchem Verfahren sie gedruckt wurden. Je nach Verfahren liegt der Schrumpffaktor von Keramik ein bisschen anders, bis 20 Prozent kann man erwarten. Diese Schwindung muss bereits in der Konstruktion berücksichtigt werden. CAD-Programme sind hier nur bedingt hilfreich, da sie noch nicht auf die additive Verarbeitung von Keramik ausgelegt sind. Für die meisten Anwender bedeutet jedes neue Bauteil ein Trial-and-Error-Spiel . Weil sich die Geometrie beim Sintern auch unterschiedlich verziehen kann, empfiehlt es sich mit Stützstrukturen zu arbeiten.
Zwischen Druck und Sintern liegt das Reinigen. Grünteile aus Keramik sind sehr weich. Hier kann beispielsweise mit Druckluft gearbeitet werden. Die danach noch am Bauteil anhaftenden Reste des Rohmaterials lassen sich mit einer Bürste vorsichtig entfernen.
Weitere Artikel über OEM-Komponenten und Werkstoffe finden Sie in unserem Themenkanal Konstruktion.
(ID:47894439)