Wearables Sensortechnologien aus Silikonfolie
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Hightech-Textilien mit Sensorfunktionen sind als Life-Style-Produkte, im Gesundheitswesen oder zur persönlichen Fitnessüberwachung immer mehr gefragt. Dielektrische elektroaktive Polymere (dEAPs) ermöglichen eine präzise und effizient arbeitende Methode, um vielfältige Elektronik unaufdringlich in Wearables zu integrieren.

Wearables haben sich inzwischen zur Trendtechnologie entwickelt. Laut einer Studie von IDTechEx wird sich der Markt mit tragbaren Sensoren – derzeit beläuft er sich auf rund zwölf Milliarden US-$ – in den nächsten zehn Jahren verdreifachen. Experten schätzen, dass 2019 rund 700 Millionen Einheiten produziert werden. Fast 90 Prozent der Wearables gehen in verbrauchernahe Anwendungen wie Unterhaltungselektronik, Gesundheit & Rehabilitation, Sport & Freizeit oder Wellness. Auch Industrie und Medizin setzen immer mehr auf Smart Textiles. Zwischen 2012 bis 2016 wuchs der Markt für textilbasierte Sensorik im Medizinbereich um fast 50 Prozent, so die Experten von TechNavio.
Gemeinsam mit dem dänischen Unternehmen LEAP Technology entwickelt der Münchner Chemiekonzern Wacker daher elektronische Bauteile, die sich unauffällig in Textilien integrieren lassen. LEAP gewann für seine Entwicklungsarbeit bereits mehrere Technologiepreise.
Herzstück solcher Sensoren sind sogenannte dielektrische elektroaktive Polymere, kurz dEAPs. LEAP Technology fertigt diese aus Elastosil-Film, einer flexiblen Silikonfolie des Münchner Chemiekonzerns. Die hauchdünne Präzisionsfolie ist zwischen zwei leitfähigen Elektroden aus rußgefüllten Silikonen eingebettet, die ebenfalls von Wacker stammen. Alle drei Schichten bilden einen flexiblen Kondensator, der in der Lage ist, elektrische Ladung aufzunehmen und zu speichern. Wird der Silikonkondensator – etwa durch eine Bewegung – mechanisch verformt, ändert sich auch dessen Kapazität.
Solche Kapazitätsänderung lassen sich in feinen Nuancen messen und damit für sensorische Zwecke nutzen, etwa um Körperbewegungen sichtbar zu machen. Dadurch können Ärzte den Gesundheitszustand ihrer Patienten beobachten oder Therapeuten falsche Bewegungsabläufe korrigieren.
dEAP-Folien besitzen noch weitere Eigenschaften. In Aktuatoren können sie beispielsweise kleinere Bewegungen steuern. Auf diese Weise lassen sich sehr präzise und effizient arbeitende Pumpen, Schalter, Ventile, elektrische Relais, künstliche Muskeln, Greifwerkzeuge oder Lautsprecher konstruieren. Stapelt man viele Hundert aus Silikonfolie bestehende Kondensatoren übereinander – Experten sprechen hier von Stacks –, ist es sogar möglich, mit Hilfe von Bewegung Strom zu erzeugen. In dem von der Bundesregierung öffentlich geförderten Epo-Sil-Projekt haben Bosch und Wacker bereits mit Erfolg einen Generator entwickelt, der das Auf und Ab von Meereswellen zur Stromgewinnung nutzt.
Dielektrische Eigenschaften und elektroaktive Polymere
Silikonelastomere gehören mit ihren dielektrischen Eigenschaften zu den elektroaktiven Polymeren. Sie sind in der Lage, unter bestimmten Voraussetzungen auf elektrische Stimulation zu reagieren. Diese Eigenschaft macht Silikone für elektroaktive Schlüsseltechnologien besonders interessant.
Werden die Silikonfolien auf der Ober- und Unterseite mit einem flexiblen, elektrisch leitfähigen Material beschichtet, entstehen verformbare Kondensatoren: Liegt eine Gleichspannung an, ziehen sich die Elektroden elektrostatisch an und drücken das weiche Folienmaterial zusammen. Die Elastomerschicht wird dünner, dehnt sich aber zugleich in der Ebene aus. Der Kondensator wird insgesamt flacher und breiter. Im entladenen Zustand nimmt die Elastomerfolie aufgrund ihrer Elastizität wieder ihre ursprüngliche Gestalt an. Der gesamte Vorgang verläuft geräuschlos und lässt sich beliebig oft wiederholen.
dEAP-Technologien sind bereits seit den 1990er Jahren bekannt. Allerdings fehlten bisher geeignete Werkstoffe und Herstellverfahren, um dielektrische, leitfähige Folien in der benötigten Menge und Qualität wirtschaftlich herzustellen. Ein von Wacker patentiertes Verfahren ermöglicht jetzt erstmals den Einstieg in die Massenfertigung von EAP-Bauteilen. Es erlaubt die Herstellung von Filmen beliebiger Länge in Stärken zwischen 20 und 400 μm, wobei die Dicke über die gesamte Breite weniger als 5% schwankt. Die äußerst gleichmäßigen, homogenen Filme werden aus additionsvernetzenden Silikonkautschuken ohne Lösemittel hergestellt. Um Verschmutzungen auszuschließen, wird unter Reinraumbedingungen produziert.
Silikonfolien von Wacker – Elastosil-Film und Silpuran-Film für Medizinanwendungen – bestehen zu 100 Prozent aus Silikon. Sie sind, wie alle Silikonkautschuke, hitze- und UV-beständig, auch bei Kälte flexibel und chemisch inert. Folgende Eigenschaften machen sie für die Industrie besonders interessant:
- Dielektrik: Silikon ist ein hervorragender Isolator und deshalb besonders zur Herstellung von Kondensatoren geeignet.
- Flexibilität: Silikonfolien sind nicht nur extrem elastisch, sie leiern auch nicht aus. Tests zeigen, dass solche Folien mehr als zehn Millionen Druckbelastungszyklen ohne geringste Materialermüdung überstehen. EAP-Sensoren aus Elastosil-Film sind deshalb sehr robust und arbeiten auch nach Jahren zuverlässig.
- Gaspermeabilität: Die Silikonfolien halten Wasser zurück, Wasserdampf und bestimmte Gase können jedoch durch das Material diffundieren. Diese Gasdurchlässigkeit ist sehr selektiv: Kohlendioxid, Sauerstoff und Wasserdampf passieren die Silikonschicht sehr viel schneller als Stickstoff. Daher kann Elastosil-Film zum Beispiel als Membran zur Gastrennung genutzt werden, etwa zur Abtrennung von Kohlendioxid.
Seit der Einführung von Elastosil-Film und Silpuran-Film im Jahr 2013 hat Wacker über 450 Produktanfragen evaluiert. Einige Projekte sind schon weit gediehen. Erste Prototypen für marktfähige Produkte befinden sich bereits in der Erprobung. Derzeit evaluiert Wacker Anwendungen auf folgenden Gebieten:
- Elektronik: Experten rechnen damit, dass in den nächsten Jahren Relais, Schalter und Ventile auf den Markt kommen werden, die dielektrische elektroaktive Elastomere verwenden. In der Automobilindustrie könnten dEAP-Aktoren künftig elektrische Stellmotoren ersetzen. In etwas fernerer Zukunft könnten dEAP-Bauteile auch neue Technologien hervorbringen, wie etwa verformbare Touchscreens, die Blinde mit der Hand lesen können. Prinzipiell lassen sich auch adaptive Rotorblätter für Windkraftanlagen realisieren, die sich den jeweiligen Windverhältnissen anpassen oder Flugzeugtragflächen, die je nach Flugsituation die optimale Form annehmen.
- Industrie: dEAP-Technologien könnten künftig hydraulische Meereswellengeneratoren ersetzen. Weil Silikonfolien extrem flexibel, robust und langlebig sind, lassen sich solche Generatoren kostengünstig betreiben. Erste Prototypen wurden bereits erfolgreich getestet.
- Gesundheitswesen: Silpuran-Film Silikonfolien sind atmungsaktiv, biokompatibel und gut sterilisierbar. Sie eignen sich deshalb zur Herstellung weicher, flexibler Wundauflagen, beispielsweise zur Wundversorgung bewegter Körperteile.
Ein neuartiger Weg für Wearables
Präzisionsfolien aus Silikon eröffnen aufgrund ihrer einzigartigen Materialeigenschaften Wege zu neuartigen dEAP-basierten Produkten für Elektronik und industrielle Anwendungen sowie in der Medizintechnik. Mit Hilfe der Silikonfolien Elastosil-Film und Silpuran-Film lassen sich Sensoren für Wearables (Sport & Rehabilitation) entwickeln, präzise und effizient arbeitende Pumpen, Schalter, Ventile, elektrische Relais, künstliche Muskeln, Greifwerkzeuge, Lautsprecher und sogar Stromgeneratoren konstruieren. Die dafür benötigten Silikonfolien produziert der Chemiekonzern als Rollenware in hoher Präzision und Reinheit. Damit sind auch die technischen Voraussetzungen für die industrielle Herstellung von Präzisionsfilmen für Wearables, EAP-Technologien und Medizintechnik geschaffen.
Dieser Artikel ist erschienen auf www.elektronikpraxis.de.
* Dr. Thomas Lobreyer ist Global Product Development Manager, Wacker Silicones
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