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Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik / BVMed Qualitäts- und Sicherheitsinitiative Endoprothetik
Allein in Deutschland erhalten jährlich rund 400.000 Menschen ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk. Bei jedem einzelnen dieser Eingriffe entscheidet das Zusammenwirken von Technik und Fähigkeit des Operateurs, das Verhalten des Patienten sowie Design und Qualität des verwendeten Implantat über den Erfolg oder Misserfolg.
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Wo die Schwachstellen liegen, das haben Experten auf einer Pressekonferenz zum Kongress „Qualitäts- und Sicherheitsinitiative Endoprothetik“ am 26. September in Köln diskutiert. Parallel dazu hat der der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder Stellung zum Zulassungssystem für Medizinprodukte bezogen.
Implantationstechniken selbstkritisch reflektieren
„Wenn heute bei Patienten mit Implantaten Probleme auftreten, so sind diese in der Mehrzahl der Fälle nicht auf das Design oder das Material des Implantats, sondern auf den Operateur oder den Patienten zurückzuführen.“ Das Statement von Prof. Dr. Michael M. Morlock, Leiter des Institutes für Biomechanik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, ist eindeutig.
„Die Implantationstechniken sollten durchaus selbstkritisch reflektiert werden, da jüngste Daten höhere Wechselnotwendigkeiten insbesondere in den ersten beiden Jahren nach der Operation zeigen, was die Bedeutung einer exakten Implantationstechnik unterstreicht“, räumt Prof. Dr. med. Carsten Perka vom Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité Berlin ein. Doch der Mediziner versäumt nicht, auch auf die veränderte Erwartungshaltung der Patienten an den Gelenkersatz hinzuweisen: „Der Anspruch an die Lebensqualität in der Bevölkerung nimmt auch im hohen Alter weiter dramatisch zu.“ Ziel der Patienten sei die vollständige Wiederherstellung der Belastbarkeit, auch im Rahmen sportlicher Betätigungen
Auf positive Ansätze in der gemeinsamen Qualitätssicherung des Gelenkersatzes in Deutschland verweist Marc D. Michel, Sprecher des BVMed-Fachbereichs Endoprothetik und Geschäftsführer des Herstellers Peter Brehm. „Über 95 Prozent der Hüftimplantate haben eine Lebensdauer von mehr als zehn Jahren und mit weniger als 2 Prozent ist die Komplikationsrate sehr gering.“
Experten befürworten Endoprothesenregister
Michel sieht das Endoprothesenregister (EPRD), das sich derzeit in der Einführungsphase befindet, als zentrales Element, um die Ergebnisqualität der endoprothetischen Versorgung zu messen und zu verbessern. Mit der zusätzlichen Initiative Endo-Cert könnten sich darüber hinaus Kliniken, die Gelenkersatz implantieren, zertifizieren lassen. Endo-Cert verlange eine intensive und ausführliche Einweisung aller an der Operation beteiligten Mitarbeiter in die jeweiligen Implantatsysteme. Das unterstütze die Industrie-Devise „Keine Anwendung ohne Training“, so Michel. Für die Unternehmen sei es besonders wichtig, dass im Register die Gründe für Wechseloperationen erfasst werden. „Die Unternehmen erwarten sich vor allem valide Aussagen über die Ergebnisqualität von Operationstechniken und modernen wie traditionellen Endoprothesenkonzepten.“
Dem stimmt Mediziner Perka im Grunde zu: „Das Ausmaß sportlicher Betätigungen stellt neue Anforderungen an die Entwicklung und die Testverfahren der Implantate.“ Künftig solle über Register überprüft werden, ob Neuentwicklungen eine Verbesserung der Lebensqualität und der Standzeit darstellen.
Beim Thema Register spricht sich Biomechaniker Morlock noch einmal für Verbesserungen bei Schulung und Ausbildung der Anwender und eine bessere Kontrolle der Operationsergebnisse aus. Die Medizin sei der einzige Bereich, in dem die Lernkurve am Objekt – also dem Patienten – noch akzeptiert werde. „Das wäre in der Automobil- oder Luftfahrtindustrie undenkbar und bedeutet eine große Herausforderung für die Fachgesellschaften, da sie dafür Sorge tragen müssen, eine verbesserte Schulung und Ausbildung in Zusammenarbeit mit der Industrie sicher zu stellen und kontinuierlich zu evaluieren.“
Konstruktiver Dialog ohne berufsständische Eitelkeiten
Fazit: Künstlicher Gelenkersatz ist eine Erfolgsgeschichte. Doch die gestiegenen Patientenerwartungen und die permanente Qualitätssicherung sind große Herausforderungen für die Zukunft. Die lassen sich nur durch einen zugleich offenen und konstruktiven Dialog ohne berufsständische Eitelkeiten und gegenseitige Schuldzuweisungen meistern. So wie es die Experten auf dem Podium vorgemacht haben, sind sie nicht nur Vorbilder ihrer Profession, sondern auch der Politik, die derzeit auf europäischer Ebene über die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Medizinprodukte entscheidet.
Kauder gegen ein staatliches Zulassungssystem für Medizinprodukte
Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht sich in der Pressekonferenz deutlich gegen ein staatliches Zulassungssystem für Medizinprodukte aus: „Es ist ein Irrglaube, dass ein staatliches Zulassungssystem den Brustimplantate-Skandal verhindert hätte. Die Behörde hätte ebenso wenig vorhersehen können, dass der Hersteller nach erstmaliger Zulassung die Zusammensetzung des Silikon-Gels verändert“, so Kauder. In Wahrheit schade eine staatliche Zulassung mehr als sie nutze. Kauder: „Wenn medizinische Innovationen wegen bürokratischer Hürden nicht flott in die Fläche kommen, dann hat das weniger mit mehr Patientensicherheit zu tun als vielmehr mit schlechterer medizinischer Versorgung.“
Kauder spricht sich zudem klar dafür aus, sich mehr um die Qualität im Versorgungsprozess zu kümmern. „Für uns geht es darum, wegzukommen von dem reinen Fokus auf die Produktzulassung, hin zu einem qualitätsgesicherten Versorgungsprozess.“ An der bestehenden deutlichen Trennung von Zulassungssystem auf der einen und Nutzenbewertung auf der anderen Seite solle festgehalten werden. Nur auf eine Frage will Kauder – ganz Politiker – keine Antwort geben: Wer neuer Bundesgesundheitsminister werde.
Kontakt:
Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik (AE)
D-79100 Freiburg
BVMed - Bundesverband Medizintechnologie
D-10117 Berlin
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