Generative Fertigung Prototypen für Medizinprodukte günstig 3D-drucken
Seit mehreren Monaten wird 3D-Druck in der Medizintechnik von Messeveranstaltern als Zukunftstrend gehandelt. Inzwischen nimmt das Thema additive Fertigung auf Produktebene an Fahrt auf. Sei es mit der Verleihung eines Innovationspreises an den Medtec-Europe-Aussteller Formlabs oder der Eröffnung eines auf Rapid Prototyping spezialisierten Open Innovation Space von Fab Lab und Ottobock in Berlin.
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Ab 2016 wird die Laufzeit der Rapidtech auf drei Tage verlängert, meldet der Veranstalter Messe Erfurt am 11. Juni und damit noch während der laufenden Veranstaltung. Als Grund hierfür nennt der Vorsitzende des Messebeirats Michael Eichmann den „gestiegenen Stellenwert der Rapidtech und die zunehmende Relevanz der generativen Technologien für immer mehr Branchen“. Immerhin – gut 20 Prozent der 150 Aussteller haben in diesem Jahr Lösungen für die Medizin- und Dentaltechnik präsentiert. Nicht zu vergessen das Fachforum Medizintechnik, das die Messe regelmäßig begleitet.
Additive Fertigung allerorten
Nur wenige Tage später kündigt die Messe Luzern für den 24. Juni einen Kick-off-Event zur neuen Additive Manufacturing Expo an. Die Messe selbst soll im September 2016 erstmals stattfinden. Mit dabei auf der Kick-off-Tagung ist beispielsweise die Firma Eos, die Laser-Sinter-Systeme anbietet, mit der sich unter anderem Schädelimplantate aus Titan 3D-drucken lassen, um nur eine prominente Anwendung zu nennen. Die Messe Luzern wiederum ist als Veranstalterin der im September 2015 erstmalig stattfindenden Swiss Medtech Expo eine Kooperation mit der Messe Erfurt eingegangen, die die Einbindung einer Rapid Area beinhaltet.
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3D-Druck
Sitzt, passt, wackelt und hat Luft
Bereits fünf Monate vor ihrer Premiere vom 17. bis 20. November 2015 verbreitet die Messe Formnext in Frankfurt Optimismus. Weltweit führende Hersteller der additiven Technologien seien als Aussteller ebenso mit an Bord wie Werkzeugbauer. Ziel sei, neue Potentiale additiver Technologien für den gesamten Herstellungsprozess zu zeigen – von der Entwicklung bis zur Fertigung.
Preisgekrönt und preisgünstig: 3D-Drucken am Arbeitsplatz
Soweit die Veranstaltungsseite. Doch was tut sich wirklich auf Medizinprodukteebene? Und welche Chance sehen Medizintechnikunternehmen im 3D-Druck?
Nur wenige Wochen ist es her, dass die Medtec Europe in Stuttgart einen Innovationspreis an einen ihrer Aussteller vergeben hat. Unter den 18 Bewerbern auf den Preis fanden sich zwei, die sich dem 3D-Druck verschrieben haben: Die in Deutschland ansässige Materialise GmbH und Formlabs, ein US-amerikanisches Unternehmen, das seit Kurzem ein Büro in Berlin betreibt. Gekürt wurde der Gewinner von über 200 Fachbesuchern der Medtec Europe 2015 – und diese haben sich für den 3D-Drucker Form 1+ von Formlabs entschieden.
Dieses Gerät ist so kompakt, dass es problemlos auf jeden Schreibtisch passt. Davon konnte die Marketing-Verantwortliche Sara Bonomi Devicemed im Rahmen eines Besuchs in der Redaktion überzeugen. Mit nur einem Knopf ist es absolut bedienerfreundlich und auch für Nicht-Experten geeignet. Der Druck der Modelle dauert gerade einmal 45 Minuten. Hierzu fährt ein hochpräzises optisches System einen Laser über einen mit Kunstharz gefüllten Tank. Jeweils bis zu 25 µ dünne Schichten härten zu einem 3D-Modell von maximal 30 x 28 x 45 cm aus. Preisgünstig sind sowohl das Gerät selbst auch das Material: Der Form 1+ kostet 3.400 Euro. Das dazugehörige Harz ist ab 135 Euro pro Liter zu haben und ist sehr ergiebig. Teile kosten, je nach Größe und Komplexität, wenige Cents oder wenige Euros. Schade ist indes, dass es bislang nur ein hartes, ein weiches und ein feuerfestes Material für den Form 1+ gibt, so dass der Drucker nicht dafür taugt, unterschiedliche Materialeigenschaften zu testen. Auch ist das harte Kunstharz bislang nur in transparent, grau, schwarz und weiß erhältlich. Dennoch, all dies hat bisher weder Medizintechnikfirmen noch Ärzte davon abgehalten, Prototypen im Stereolithographieverfahren herzustellen.
In der Medizintechnik bereits erfolgreich eingesetzt
So hat die Firma Sutrue Ltd. den Prototypen eines Medizingerätes für chirurgische Nähte auf dem Form 1+ gedruckt – und damit in erheblichem Maße Zeit und Kosten gespart. Die Firma Autonomic Technologies Inc. dagegen nutzt den Drucker gleich mehrfach: Ihr Microstimulator Pulsante zur Behandlung von Kopfschmerzen wird in einem minimal-invasiven Verfahren hinter Wangenknochen und Augenhöhle implantiert. Im Rahmen der Produktentwicklung entstanden die Prototypen von Pulsante auf dem 3D-Drucker von Formlabs. Steht eine Implantation von Pulsante an, wird der Schädel des Patienten auf Form 1+ gedruckt – basierend auf den Daten eines CT-Scans. So können Ärzte die Operation vorab simulieren. Aber nicht nur zu Trainingszwecken für Ärzte, sondern auch für die Ausbildung von medizinischem Personal können beispielsweise Modelle gedruckt werden. Biologic Models Inc. hat für diesen Zweck ein Anschauungsmodell des Ebola-Virus hergestellt.
Des Weiteren arbeitet Formlabs bereits daran, sein Portfolio an Funktionsharzen zu erweitern. So hat das Unternehmen unter dem sprechenden Produktnamen Tough Resin gerade ein Harz auf den Markt gebracht, mit dem sich strapazierfähige und robuste Objekte herstellen lassen, die die physikalischen Eigenschaften von Objekten aus ABS-Kunststoffen aufweisen.
Strapazierfähigkeit – sie wird Medizinprodukten wie den Prothesen von Ottobock abverlangt. Um Prototypen zukünftig schnell fertigen zu können, hat das Medizintechnikunternehmen Ende Mai ein sogenanntes Open Innovation Space mit dem auf Rapid Prototyping spezialisierten Fab Lab Berlin eröffnet. In diese Plattform will Ottobock langfristig mehr als 4 Mio. Euro investieren, 65 Arbeitsplätze stehen zur Verfügung.
Ottobock mit neuer Werkstatt für digitale Fabrikation
Zudem will das Unternehmen das Schlüsselthema Digitale Zukunft vorantreiben und die Vernetzung mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen weiter ausbauen. So wird die Infrastruktur von Ottobock-Entwicklern gemeinsam mit Studenten und Wissenschaftlern akademischer Einrichtungen genutzt. Unter anderem werden dort die TU Berlin sowie das Design Research Lab, eine Forschungseinrichtung der Universität der Künste Berlin, präsent sein. „Dieser spannende interdisziplinäre Mix macht den Open Innovation Space zu einer Brutstätte für neue, kreative Ideen, aus denen Erfindungen hervorgehen“, sagt Professor Hans Georg Näder, President & CEO von Ottobock.
„Als offene Digital Fabrication Werkstatt bieten wir allen Interessierten Zugang zu 3D-Druckern, Lasercuttern, Platinen- und CNC-Fräsen sowie CAD-Software. Aber auch zu Holzbearbeitungsmaschinen und anderen Werkzeugen, die man zum Erfinden braucht“, ergänzt Wolf Jeschonnek, Geschäftsführer und Gründer des Fab Lab Berlin.
3D-Drucker für die Herstellung von Nanostrukturen
Auch auf der Messe Laser World of Photonics wurde am 24. Juni in München eine 3D-Lösung ausgezeichnet. In der von der Messe München International ausgeschriebenen Kategorie 3D Printing des ersten Photonics-Awards wurde ein vielversprechendes 3D-Produktionssystem für Mikroprodukte aus Glas prämiert. Bei dem kompakten Tischgerät handelt es sich um einen 3D-Drucker für die Herstellung von Nanostrukturen in Mikrosystemkomponenten aus Glas oder anderen transparenten Materialien. Die Technologie nutzt Lasertechnik, um präzise und komplexe 3D-Mikrostrukturen zu verwirklichen, zum Beispiel in der Medizintechnik.
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