Medtech Summit 2017 Gesundheitskongress unter dem Eindruck von Digitalisierung, Interdisziplinarität und neuer MDR
Vom 21. bis 22. Juni 2017 trifft sich die Gesundheitsbranche auf dem Medtech Summit in Nürnberg. Dieser findet in diesem Jahr unter dem Eindruck von Digitalisierung, Interdisziplinarität und der neuen MDR statt.
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- Ein großer Bereich ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle
- Experten aus Sozialwissenschaften, Betriebswirtschaft und Politikwissenschaft einbinden
- KMU verlieren vor dem Hintergrund der neuen MDR den Glauben an innovative Produkte
Rund 1.000 Teilnehmer kommen Jahr für Jahr zum Medtech Summit nach Nürnberg. Ideeller Träger ist das Forum Medtech Pharma. Als dessen Vorstandsvorsitzender beantwortet Prof. Dr. med. Michael Nerlich drei Fragen zur aktuellen Lage der Branche.
Prof. Nerlich, die Digitalisierung der Medizin ist derzeit das dominierende Thema: Wo sehen Sie hier die größten Chancen und Herausforderungen ?
Große Chancen sehe ich in den Bereichen E-Health, Telemonitoring und Assistenzsysteme für die Überwachung von Vitalparametern, zur Förderung der Therapietreue und der Bereitschaft zu persönlicher Prävention. Aber auch dynamische Systeme und numerische Analytik bei der Bild- und Datenverarbeitung sind für eine datenbasierte Diagnose und Therapie sowie für die Entwicklung personalisierter Therapieansätze vielversprechend. Ein großer Bereich ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle: Datenübertragung und Netzwerktechnik für medizinische Geräte im klinischen Umfeld, wie Endoskopie, Robotik, OP-Equipment, Implantate und Prothesen, bergen enormes Potential.
Auf der anderen Seite ergeben sich sowohl für Patienten als auch für Hersteller Risiken. Es kann durch Softwarefehler zu Fehlfunktionen des Medizinproduktes kommen. Daher ist es für den Hersteller oberstes Gebot, das eingesetzte System intensiv auf mögliche Fehlfunktionen zu prüfen. Die Abhängigkeit von Kommunikationsnetzen birgt weitere Risiken. Aber auch Hacking, Manipulation oder Sabotage stellen in der heutigen Zeit ein großes Problem bei der Entwicklung sicherer Medizinprodukte dar. Ein weiterer Aspekt betrifft den Schutz der Patientendaten. Sie gehören zu den besonders schützenswerten Daten und müssen gegen Identitätsdiebstahl gesichert sein. Von großer Tragweite ist neben diesen Aspekten allerdings auch die radikale Änderung von Versorgungsmodellen durch die Digitalisierung bis hin zu Web-basierten Gesundheitsdiensten – das fordert Hersteller, Anwender und Patienten gleichermaßen heraus.
Und welches Potenzial bietet die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Medizin?
Nur eine ausgeprägte Verzahnung der unterschiedlichen Disziplinen ermöglicht, die aktuellen Herausforderung der Medizintechnikbranche zu meistern. Die zunehmende Verknüpfung von Diagnostik und Therapie, Medizintechnik und Pharma sowie der Paradigmenwechsel von der Produkt- zur System- und Dienstleistungsorientierung erfordert einen noch interdisziplinäreren Ansatz. Hersteller medizintechnischer oder pharmazeutischer Produkte sehen sich immer häufiger mit der Anforderung konfrontiert, nicht einzelne Produkte, sondern komplette Versorgungspakete anzubieten, die neben den Produkten auch wartungsbezogene, logistische, aber auch versorgungsspezifische Dienstleistungen enthalten.
Aber auch die Branchenschnittstellen sollten nicht außer Acht gelassen werden, denn hier entstehen Innovationen wie beispielsweise zwischen Medizintechnik und Pharma auf der einen und Elektronik, IT oder Materialtechnik auf der anderen Seite. Ein prozessübergreifender Erfahrungsaustausch ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Nicht zuletzt wird es auch immer wichtiger, Experten aus Sozialwissenschaften, Betriebswirtschaft oder Politikwissenschaft einzubinden, um alle Aspekte einer erfolgreichen Etablierung innovativer Systeme zu berücksichtigen.
Nach langen Verhandlungen wurde unlängst eine neue europäische Medizinprodukteverordnung verabschiedet. Was bedeutet die MDR für die Branche?
Die europäische Medizinprodukteverordnung (MDR) wird sich aufgrund verschärfter Anforderungen stark auf die mittelständisch geprägte Medizintechnikbranche auswirken. Es gilt, keine Zeit zu verlieren und sofort die notwendigen Schritte auf Seiten der Medizinproduktehersteller einzuleiten. Aktuell wird insbesondere die Frage nach der Umsetzbarkeit der neuen Anforderungen speziell für KMU gestellt. Kann der erheblich größere Finanzierungs- und Zeitbedarf für die Zertifizierung von kleineren Herstellern aufgebracht werden? Können ausreichend erfahrene Mitarbeiter für die Abteilung Regulatory Affairs gewonnen werden? Werden für die geforderte größere Anzahl an klinischen Studien ausreichend klinische Studienpartner und passende Patienten gefunden? Viele KMU stellen ernsthaft in Frage, dass es vor diesem Hintergrund überhaupt noch attraktiv ist, innovative Produkte auf den Markt zu bringen.
Dabei ist das Anliegen der für die Regulation zuständigen Gremien vom Grundsatz her sehr zu begrüßen. Die Sicherheit der Patienten muss stets höchste Priorität haben. Dennoch bleibt fraglich, ob dieses Anliegen nicht auch auf einem anderen Weg erreichbar gewesen wäre, der die Innovationskraft der Branche nicht so gravierend schwächt. Was wir jetzt brauchen, ist mehr denn je vernetztes Denken und Arbeiten über Fachdisziplinen hinweg, um Patienten auch zukünftig trotz erschwerter Rahmenbedingungen innovative Lösungen zur Verfügung stellen zu können.
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