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Lage der Medtech-Branche Die Beweislast liegt bei der Medizintechnikindustrie

Autor / Redakteur: Autorin | Kathrin Schäfer / Kathrin Schäfer

Die Marktzahlen der Branchenverbände Spectaris und BVMed weichen im Wesentlichen mal wieder nur geringfügig von denen der Vorjahre ab. Neu sind jedoch sinkende Absatzzahlen in Asien und Osteuropa. Und: Ob im Aus- oder Inland – Medizintechnikhersteller müssen zukünftig den Beweis antreten, dass ihre Geräte und Produkte Kosten einsparen, nicht verursachen.

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Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbandes Medizintechnik bei Spectaris: „In den vergangenen Jahren konnten steigende Exporte nach Asien und Osteuropa das insgesamt schwache konjunkturelle Umfeld in Europa weitgehend ausgleichen. Diese Impulse fehlen derzeit.“
Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbandes Medizintechnik bei Spectaris: „In den vergangenen Jahren konnten steigende Exporte nach Asien und Osteuropa das insgesamt schwache konjunkturelle Umfeld in Europa weitgehend ausgleichen. Diese Impulse fehlen derzeit.“
(Bild: Schäfer)

Dass die deutsche Medizintechnikindustrie im Branchenvergleich überdurchschnittlich innovativ ist, weil sie im Schnitt neun Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert, ist mittlerweile weithin bekannt. Dass sie zwei Drittel ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaftet und ihr der Kosten- und Margendruck im deutschen Gesundheitswesen zu schaffen macht, auch. In Anbetracht dessen fördern die Zahlen der Verbände wenig Neues zu Tage: Nützlich und notwendig sind sie dennoch. Nicht nur für Firmen, die einen Wettbewerbsvergleich anstellen wollen und sich für die Entwicklung der Märkte interessieren, sondern auch und vor allem für diejenigen, die sich für die Interessen der Branche einsetzen, sei es in den politischen Gremien in Berlin oder – mit Blick auf die bevorstehende Medizinprodukteverordnung – auf europäischer Ebene in Brüssel.

Investitionsstau in Deutschlands Kliniken

Wie also sehen die aktuellen Zahlen aus? Oberflächlich betrachtet durchaus positiv, denn der Gesamtumsatz der Medizintechnikhersteller in Deutschland übersteigt 2014 erstmalig 25 Mrd. Euro – auch wenn die Branche laut Spectaris mit einem Umsatzwachstum von lediglich 1,6 Prozent rechnet. Vorsicht ist dennoch geboten: Trotz prognostiziertem Umsatzwachstum von 1,3 Prozent im In- sowie 1,8 Prozent im Ausland auf 7,96 beziehungsweise 17,06 Mrd. Euro schauen Medizintechnikunternehmen mehrheitlich mit gemischten Gefühlen auf 2015.

Eine Erklärung hierfür liefert Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbandes Medizintechnik bei Spectaris: „Aufgrund eines Investitionsstaus in den deutschen Krankenhäusern sowie niedriger Erstattungspreise stagniert das Inlandsgeschäft bereits seit Jahren. Oftmals fehlt es an Geld, aber nicht selten auch am Willen für Neuanschaffungen, die auch den Patienten zu Gute kommen würden. Stattdessen investiert man so lange es geht in Wartung und Reparatur.“ Ähnlich argumentiert Dr. Meinrad Lugan, Vorstandsvorsitzender des BVMed und Vorstandsmitglied der B. Braun Melsungen AG: „Es dauert viel zu lange, bis eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine Medtech-Innovation im ambulanten Bereich vom Bewertungsausschuss dann auch in die Vergütung übernommen wird.“ Und für den stationären Bereich lautet Lugans Diagnose: „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus werden von den Krankenkassen zunehmend nicht mehr vergütet. Beispiele sind die renale Denervierung oder Medikament-freisetzende Ballonkatheter im peripheren Bereich.“

Positive Impulse erwarten sich Firmen deshalb vor allem vom Exportgeschäft. Doch neuerdings wird auch hier vor allzu viel Optimismus gewarnt. Kuhlmann: „In den vergangenen Jahren konnten steigende Exporte nach Asien und Osteuropa das insgesamt schwache konjunkturelle Umfeld in Europa weitgehend ausgleichen. Angesichts einer Verlangsamung des Marktwachstums in China und eines immer schwierigeren Russlandgeschäftes fehlen diese Impulse derzeit.“ So lagen laut Statistischem Bundesamt die deutschen Medizintechnikexporte nach China im ersten Halbjahr 2014 um 9 Prozent, nach Russland sogar um fast 35 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Was dies konkret bedeuten kann, bezeugt eine Meldung des Branchenriesen Fresenius vom 6. November. Darin heißt es: „Fresenius Kabi und die russischen Partner Sistema JSFC und Zenitco Finance Management LLC haben einvernehmlich vereinbart, das im April 2014 angekündigte Joint Venture nicht weiter zu verfolgen.“ Die veränderten politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen in der Region hätten den bis zum Ende des Jahres geplanten Abschluss des Joint Ventures stärker beeinträchtigt als erwartet.

Was haben Firmen dem entgegenzusetzen?

Gesprächsforen wie ein Außenwirtschaftstag Medizintechnik und Laborausstattung bieten Firmen eine Plattform, um die Politik auf Exportschwierigkeiten aufmerksam zu machen. Denn grundsätzlich zählen Ministerien wie das Auswärtige Amt oder das Gesundheitsministerium es zu ihren Aufgaben, deutschen Firmen den Weg in ausländische Märkte zu ebnen. Was die Situation im Inland angeht, so sind Firmen gut beraten, herauszustellen, dass ihre Innovationen einen nicht unerheblichen, ja entscheidenden Anteil an Einsparungen im Gesundheitswesen und gegebenenfalls sogar der gesamten Volkswirtschaft haben. Diesen Beweis haben Spectaris und der ZVEI-Fachverband Elektromedizinische Technik als Herausgeber der Studie „Potenziale innovativer Medizintechnik“ jetzt angetreten. Drei innovative Medizinprodukte hat die Studie identifizieren können, die diese Erwartungen erfüllen. Zwei davon stammen jedoch aus großen, internationalen Firmen – und nicht aus den in Deutschland so viel beschworenen KMU. Hierbei handelt es sich um ein System zur nicht-invasiven Therapie des Uterusmyoms von Philips Healthcare, einen Ablationskatheter zur Therapie von Herzrhythmusstörungen von Biosense Webster (Johnson & Johnson) sowie um ein EMG-gesteuertes Elektrostimulationsgerät zur Behandlung analer Inkontinenz. Welches Einsparpotenzial letzteres birgt, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass anale Inkontinenz der Hauptgrund für die Einweisung älterer Menschen in Pflegeheime ist.

Es ist also auch an der Medizintechnikindustrie, dafür zu sorgen, dass Kuhlmann sich irrt, wenn er im Hinblick auf die europäische Medizinprodukteverordnung sowie das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz fürchtet, „dass innovative Medizinprodukte nur stark verzögert oder gar nicht beim Patienten ankommen.“ Die demografische Entwicklung und der Nachholbedarf in den Schwellenländern werden den Kosten- und Margendruck in den Industrieländern kaum ausgleichen. Wenn Medizintechnikhersteller das Sparpotenzial ihrer Geräte und Produkte offensiv herausstellen, haben sie starke Argumente.

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