Medizinprodukteverordnung Bald strengere Vorschriften für klinische Bewertungen?
Die im September 2012 veröffentlichten Vorschläge der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Medizinprodukte sehen eine Verschärfung der Vorschriften zur klinischen Bewertung vor. Wie würde sich das niederschlagen?
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Die klinischen und nichtklinischen Daten sowie weitere Unterlagen müssen dem Hersteller insgesamt ermöglichen, die Konformität mit den allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen aufzuzeigen. Welche Sicherheits- und Leistungsanforderungen durch klinische Daten nachzuweisen sind, hat grundsätzlich der Hersteller selbst zu ermitteln. Werden klinischen Daten als nicht notwendig erachtet, ist dies gebührend zu begründen. Nach den derzeit gültigen EU-Richtlinien hat dabei u.a. der Nachweis, dass das Produkt die vom Hersteller vorgesehene Leistung erbringt, sowie die Beurteilung von unerwünschten Nebenwirkungen und die Annehmbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses „generell“ auf Grundlage von klinischen Daten zu erfolgen. Ausnahmen sind danach möglich. Hingegen scheint es nach dem Wortlaut der Vorschläge nun beabsichtigt zu sein, dass klinische Daten hierfür europaweit zwingend erforderlich werden, was für Hersteller mit erheblich mehr Kosten und größerem Zeitaufwand verbunden wäre.
Auch nach den neuen Vorschlägen können klinische Daten von gleichwertigen Produkten für die klinische Bewertung herangezogen werden. Für die Feststellung, wann ein Produkt als gleichwertig angesehen werden kann, gibt es jedoch bisher nur unverbindliche Empfehlungen. Nach dem Willen der Kommission sollen diese als einzig anerkannter Weg verbindlich werden.
Klinische Daten gleichwertiger Produkte
Danach wären Produkte nur dann gleichwertig, wenn beide Produkte dieselbe Zweckbestimmung haben und wenn die technischen und biologischen Merkmale der Produkte sowie die eingesetzten medizinischen Verfahren sich so sehr gleichen, dass es keinen klinisch bedeutsamen Unterschied bei der Sicherheit und Leistung der Produkte gibt. Bei implantierbaren und Klasse III-Produkten soll sogar die Gleichwertigkeit prinzipiell keinen Verzicht auf klinische Prüfungen mehr rechtfertigen.
Ein Sponsor verantwortet die klinische Prüfung
Die Vorschläge sehen ebenfalls erhebliche Änderungen bei den Vorschriften über klinische Prüfungen vor: So wird auch auf europäischer Ebene das Konzept des „Sponsors“ eingeführt. Gleichlautend mit den neuesten Vorschlägen der Kommission für klinische Arzneimittelprüfungen kann ein Sponsor jede Person oder Stelle sein, die die Verantwortung für die Einleitung und das Management einer klinischen Prüfung übernimmt. Sponsor kann danach etwa der Hersteller, sein bevollmächtigter Vertreter, aber auch eine Vertragsforschungseinrichtung (CRO) sein, die klinische Prüfungen für den Hersteller durchführt. Der Begriff geht damit über die bisherige deutsche Definition hinaus. An die Rolle als Sponsor knüpfen grundsätzlich alle Pflichten im Rahmen der klinischen Prüfung.
Einen Antrag für mehrere Mitgliedstaaten einreichen
Neu ist auch der Vorschlag, nach dem Sponsoren klinischer Prüfungen, die in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden, die Möglichkeit erhalten sollen, nur einen einzigen Antrag zentral einzureichen. Bis auf die Bewertung von Aspekten rein nationaler, lokaler oder ethischer Natur soll die Überprüfung des Antrags koordiniert unter Leitung eines dazu ernannten Mitgliedstaates erfolgen. Letztlich bliebe es jedoch jedem Mitgliedstaat einzeln überlassen, zu entscheiden, ob eine klinische Prüfung auf seinem Hoheitsgebiet durchgeführt werden darf.
Transparenz mit öffentlich zugänglichen Daten
Im Bereich der Transparenz von klinischen Prüfungen sehen die Vorschläge der EU-Kommission bedeutsame Änderungen vor. Nach den Entwürfen soll der Sponsor vor Beginn der klinischen Prüfung diese u.a. unter Angabe der Beschreibung des Prüfproduktes, des Komparators sowie des Zwecks der klinischen Prüfung in der Europäischen Datenbank (Eudamed) registrieren. Im Berichtsentwurf des Gesundheitsausschusses des EU- Parlaments wird sogar gefordert, dass eine Zusammenfassung der Studienergebnisse einzugeben ist. All diese Daten sollen grundsätzlich öffentlich zugänglich werden – mit Ausnahme von Informationen, die aus Gründen des Schutzes „sensibler Geschäftsinformationen“, von personenbezogenen Daten, oder aus Gründen der wirksamen Überwachung durch die Mitgliedstaaten vertraulich zu behandeln sind. Im Gegensatz zu Arzneimitteln besteht in Deutschland eine solche öffentlich zugängliche Datenbank für Medizinprodukte nicht und ist angeblich auch gegenwärtig nicht in Planung.
Über die Kommissionsvorschläge wird zurzeit im Europäischen Parlament und im Rat debattiert. Insbesondere wird die Beibehaltung des Erfordernisses einer zwingenden Zustimmung zur klinischen Prüfung durch nationale Ethik-Kommissionen diskutiert, wie sie auch vom deutschen Bundesrat gefordert wird. In Kraft treten würden die Vorschriften schrittweise zwischen 2015 und 2019.
Kontakt:
Susanne Valluet
Rechtsanwältin der Kanzlei
Simmons & Simmons LLP
D-40213 Düsseldorf
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